laut.de-Biographie
Mother Tongue
Irgendwann im Jahr 1992, die Hochzeit des US-Alternative Rock ist gerade in vollem Gange, wird The Cult-Sänger Ian Astbury Zeuge einer Mother Tongue-Live Show in Los Angeles. Schwer begeistert verpflichtet er die aus Austin umgesiedelten Jungs als Support für seine eigene Band und wie das Leben mit prominenten Fürsprechern so ist, stehen schon bald sämtliche Plattenfirmen an der kalifornischen Haustür des Vierers Schlange.
Wie wohl jede Band sind auch Mother Tongue in Gestalt von Sänger/Bassist David "Davo" Gould, Gitarrist Christian Leibfried, Drummer Geoff Haba und zweitem Gitarrist Jesse Tobias schwer begeistert und willigen ein, für Sony zu rocken. Mit Tobias klappts aber schon nach kurzer Zeit nicht mehr, so dass Bryan Tulao beim Debüt im Studio die Gitarre hält. Tobias zeigt sich wenig bestürzt über seinen Abgang, da er einige Wochen mit den Chili Peppers als Live-Ersatz für den fahnenflüchtigen Frusciante auf den Bühnen steht. Später findet er in unzähligen Bands als Session-Gitarrist Arbeit (u.a. bei Alanis Morissette, UK-Indie-Papst Morrissey und R'n'B-Sängerin Vanessa Carlton).
Auf Mother Tongues gleichnamigem Debüt von 1994 erwartet den Hörer ein ungestümer Groove-Brocken aus bluesy 70s Rock, Funk-Rhythmen und Soul-Zitaten, der vor allem durch seinen ausufernden Jam-Charakter aus der Masse der Rock-Releases heraus sticht. Und dann ist da noch dieser Vibe, wie man ihn nur selten unter die Ohren kriegt. Leider sollten nicht viele Rock-Fans dessen gewahr werden.
Promotion ist im Bezug auf späteren Erfolg bekanntlich unerlässlich, doch leider hat Sony Music USA das kleine Einmaleins ihrer Profession nicht hinreichend verinnerlicht. Sprich: während das Werk in Europa noch einigermaßen Wellen in Indie-Kreisen schlägt, bleibt Amerika von der Groove-Keule verschont. Von diesem Rückschlag sichtlich mitgenommen, löst sich die Band im Februar 1996 auf. Vor allem unterschiedliche Auffassungen gegenüber der Pflicht, die Welt mit ihrem "Psycho Blues" zu betouren, führen zu lauten Meinungsverschiedenheiten. Posthum erscheint "Broken", das vor allem Demos des Debütalbums und auch zwei neue Songs ("We Gonna Make It", "Sista Sunshine") beinhaltet. Ein Video mit Outtakes TV-Auftritten und Interviews versüßt den Fans den Split.
Sänger Gould, der sich erstmal ausgiebig Vaterfreuden widmet, arbeitet fortan zusammen mit Tulao weiter. Bandgründer Leibfried, der das "Broken"-Projekt quasi im Alleingang zur Veröffentlichung brachte, vertreibt sich die Zeit mit Hummingbird, einer Folkblues-Band, in der auch seine Freundin spielt.
Wie es 1999 zur Wiedervereinigung kommt, wissen die Jungs selbst nicht genau. Fakt ist, dass mit dem Aufkommen des Internets Fan-Homepages den Spirit am Leben hielten und immer mal wieder Fan-Post (vor allem aus Deutschland) bei den ehemaligen Mutterzungen eintrudelte, was den Jungs ordentlich Auftrieb gab. Ein Comebackalbum hätte ohne erneute Besetzungsprobleme laut Gould allerdings schon viel früher erscheinen können.
Doch Originaldrummer Haba zeigt nicht genügend Engagement, Chris Cano und Gabriel Roland trommeln zwar die 2002er Scheibe "Streetlight" mit ein, verweigern aber wegen anderer Projekte einen Tour-Einsatz. Nachdem Kasey Chatilla die erste Tourhälfte mitspielt, verpflichtet das Stamm-Trio einen Australier. Sascha Popovic trommelt im Folgejahr auch das dritte Studio-Album "Ghost Note" ein und hat danach erst einmal den Platz sicher.
Die beiden Studioalben sowie die zahlreichen Liveshows bringen Mother Tongue zurück auf die Alternative Rock-Landkarte. Und sie setzen noch einen drauf: 2004 erscheint der lange verschollene Debüt-Klassiker "Mother Tongue" in einer Neuauflage. Nun wäre der ideale Zeitpunkt gewesen, die neu gewonnenen Fans mit einem weiteren Release bei der Stange zu halten. Stattdessen hört man nichts mehr von der Gruppe. Wie sich herausstellt, ist auch die Trennung von ihrem Label ein Grund dafür. Mother Tongue wollen fortan auf eigenen Füßen stehen.
Dieser Versuch darf im Nachhinein als misslungen bezeichnet werden, denn bis 2016 bleibt die Band praktisch unsichtbar. Von zwei EPs und einem 2008er Album namens "Follow The Trail", angeblich über spezielle Online-Mailorder erhältlich, erfahren selbst eingeschworene Fans so gut wie nichts. Erst im Sommer 2016 reiben sich ältere Rock-Fans mit gutem Erinnerungsvermögen die Augen, als die Band auf Facebook Festivaltermine für Europa ankündigt. Captain Davo, Leibfried, Tulao und Popovic kkurbeln ihre Karriere ein drittes Mal an.
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