laut.de-Biographie
Mr. Oizo
Man lasse ein knuddeliges gelbes Stofftier in einem Jeans-Werbespot auf dem Beifahrersitz eines schäbigen Fords zu eingängigen House-Beats headbangen, und schon kann es passieren, dass man die Nummer eins der Hitparade wird. So in etwa lautet das Erfolgsrezept von Quentin Dupieux alias Mr. Oizo. Der Name ist dabei eine lustige Verballhornung: 'Vogel' heißt auf Französisch 'oiseau' und 'Oizo' fungiert quasi als Lautschrift.
Flat Eric heißt das Plüschvieh, das 1999 antritt, um die kränkelnde Jeans-Firma Levi's zu retten und über Nacht zur Kultfigur aufsteigt. Vor diesem Werbecoup sanken die Umsätze von Levi's, jahrelang Marktführer im Denim-Segment, in den Keller. Schlabbrige Baggypants ließen die klassischen Schnitte von 501 und Kollegen alt aussehen.
Für das junge Levi's-Modelabel Sta Prest bekommt der französische Werbe- und Clipfilmer Dupieux (Laurent Garnier) die Aufgabe, mit coolen Spots den Spießer-Look der 60er Jahre zum Trend zu machen. Flugs ersinnt dieser die gelbe Plüschfigur, die die Marke über Nacht zum Erfolg treibt. Der Song aus dem Commercial, "Flat Beat", stürmt die Charts europaweit. Zahlreiche, teils erstaunlich professionelle Fanpages huldigen Flat Eric, von dem man erfährt, er habe am 20. März Geburtstag und rauche gerne Frankfurter.
Das in Zusammenarbeit mit DJ Feadz entstandene Dance-Album "Analog Worms Attack" setzt im Sturm des Single-Hypes zwar noch ein paar Einheiten ab, doch wie das mit Werbe-Eintagsfliegen nun mal so ist, spricht bereits im Jahr 2000 niemand mehr von Flat Eric. Dem Schöpfer ist das egal: Quentin Dupieux lässt die Handpuppe sterben, widmet sich wieder verstärkt dem Film und geht auch einige musikalische Kooperationen ein, so zum Beispiel mit Sebastien Tellier.
Dieser ist auch auf dem zweiten Mr. Oizo-Album "Moustache (Half A Scissor)" vertreten. Das darauf enthaltene Stück "Stunt" entsteht unter seiner Mithilfe. Das mit verrückten Ideen vollgestopfte Album erscheint sechs Jahre nach der Veröffentlichung von "Analog Worms Attack".
In der Folge remixt Dupieux unter anderem Jamelia und die Scissor Sisters und dreht seinen ersten Film "Steak". 2008 erscheint, wieder unter dem Mr. Oizo-Pseudonym, "Lambs Anger". Das Lamm auf dem Cover ist knuddelig und es ist gelb. Nur mit seiner Plüschigkeit dürfte es angesichts der Rasierklinge bald vorbei sein.
Anschließend widmet sich Dupieux erneut mehr dem Filmemachen. "Rubber" erscheint 2010, der dazugehörige Soundtrack stammt ebenfalls aus Mr. Oizos Feder und steht als EP zur Verfügung. Im Jahr darauf veröffentlicht der Franzose sein viertes Studioalbum "Stade 2" über Ed Banger Records, auf dem es musikalisch abgedrehter und ausgefallener denn je zugeht.
Drei Jahre braucht der Franzose für sein fünftes Werk "The Church". Darauf zeigt er sich eingängiger als jemals zuvor, seine Songstrukturen sind geradlinig und zielen auf eine gute Tanzbarkeit ab. Dies hört sich aber keinesfalls gefällig an, sondern die einzelnen Tracks strotzen vor kleinen Details und feinen Melodien.
Viele Jahre nach dem "Flat Beat"-Hype gehört Mr. Oizo eher nicht mehr zur populären Speerspitze der französischen Produzentenszene. Es kommt jedoch nicht von ungefähr, dass ihn andere erfolgreiche Ed Banger-Signings wie Justice, Uffie und Sebastian als bedeutsamen Einfluss nennen.
2016 scheint der Stern für Quentin Dupieux etwas heller bei seinem sechsten Release "All Wet". Nicht nur prangt in Übergröße sein Flat Eric auf dem Cover, sondern es tummeln sich auch illustre Gäste auf dem Album. Boys Noize, Siriusmo, Skrillex, Charli XCX und viele mehr kreuzen die Klingen. Das Ergebnis ist ein komplexes Konglomerat von Beats, Scratches sowie Vocals und markiert Mr. Oizos bisher ausgereiftestes Album.
Mr. Oizo ist und bleibt ein unterschätzter Musiker, dabei hat er weit mehr zu bieten als den "Flat Beat" mit seinem Plüschtier Flat Eric. Kein anderer Elektro-Künstler verpackt in maximal drei Minuten die wildesten Melodien und garniert sie mit so großer Liebe zum Detail. Seine Alben sind in der Regel halbstündige Sessions, die viel Aufmerksamkeit verlangen und sich erst nach mehrmaligem Anhören vollständig öffnen. Seine Musik passt sich nie an, sondern hört sich an wie ein verrückter Vogel. Das passt ja dann vom Namen her!
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