laut.de-Biographie
Justice
"Because we are your friends / You'll never be alone again". Wer solche Freunde hat, fragt besser nicht nach Sonnenschein. Denn Justice sind so etwas wie die moderne Version der großen Nachtmusik.
Es ist 2003, als Gaspard Augé (Jahrgang 1979) und Xavier de Rosnay (1982) ihr erstes Kapitel Clubhistorie schreiben. Wobei, schreiben scheint hier wohl das falsche Wort. Für einen Remix-Wettbewerb eines Radiosenders schnappt sich das Pariser Duo ganz nonchalant das Original-Sample der Indierocker Simian und bürstet den Track auf maximalen Disco-Eklektizismus.
Fetteste Four to the Floor-Killerbeats, sehnsüchtig-fordernde Hookline, maximale Schubkraft Richtung Dancefloor – Pedro Winter, Daft Punk-Manager und Boss vom Elektro-House-Label Ed Banger, ist angefixt und bringt die Quintessenz eines Durchbruch-Überhits auf einer B-Side eines DJ Mehdi-Remixes unter. Das wahre Suchtpotenzial des Stücks erkennt kurz darauf Gigolo Records, releast den ursprünglichen Bonustrack gesondert auf Vinyl in einem Mix von DJ Hell persönlich.
Von da an nimmt der Wahnsinn seinen Lauf und mündet in 50.000 verkauften Kopien. Die Elektro-Priester (deren Debüt einzig ein Kreuz als Titel trägt und deren Songnamen mit biblischer Metaphorik kokettieren) steigen zu Vorreitern der zweiten French-Touch-Welle nach Daft Punk auf.
Im Keller basteln sie an einem Bühnenoutfit ohne gleichen. Mit einem Monster von einer PA-Wand, geschätzte zwölf Meter high and rising, zieht das Duo fortan durch zunächst französische, dann britische, dann paneuropäische Lande. Oberhalb dieser komplett durchgepimpten Installation, die von einem grell leuchtenden Jesuskreuz geschmückt wird, thronen stets die zwei grinsebackige Franzosen. Schrauben, drehen, schieben Regler, bis die Anlage zum simianschen Zündholz mittlere Orkanböen ejakuliert. Und die Meute schwanger geht mit der neuen Elektro-Weltreligion called Justice. D.A.N.C.E.!
So hedonistisch ging es lange nicht mehr zu in den Clubs – weshalb auch kein Text, der sich mit dem House-Bombast made by Ed Banger beschäftigt, zuletzt um jene Vokabel herumkam. Justice machen generell niemals Gefangene und geben sich zugleich absolut durchschaubar. Keine Geheimnisse, keine Spickzettel unterm Schreibtisch ... nur die Idee, Musik zu machen, die sich ganz und gar Roughness, Kraft und Partykompatibilität verschreibt. Weltweite DJ-Engagements von Amerika bis nach Australien sind der Lohn. Hochkarätige Remix-Aufträge von Franz Ferdinand, Britney Spears, Soulwax und N.E.R.D. folgen.
Bei den MTV Music Awards 2006 schnappt die Neuauflage von "We Are Your Friends" Kanye West die Ehrenmedaille des besten Videos vor der Nase weg, der daraufhin erzürnt die Bühne stürmt und sich lauthals beschwert. Eine spektakuläre Randnotiz von vielen. Wie etwa auch die Tatsache, dass die Initialzünder Simian infolge des Megaerfolgs ihres Songs einen Elektro-Ableger namens Simian Mobile Disco gründen.
Den Erfolg des famosen Erstlings übertreffen Justice beinahe mit ihrer Live-CD "A Cross The Universe" 2008. Dort zelebrieren sie ihren Sound in unnachahmlicher Weise: Die Mixes begeistern mit enormer Verspieltheit und die Songs wirken noch bombastischer.
Drei Jahre später geben sich die beiden Franzosen deutlich gemächlicher und reduzierter auf ihrem zweiten Studioalbum "Audio, Video, Disco". Der bratzende und flirrende Sound weicht durchdachten Arrangements und die Massentauglichkeit erhält Einzug. So ähnlich gestaltet sich auch die nächste Live-CD "Access All Arenas" im Jahr 2013. Schöne Sets reihen sich mit peniblen Mixes aneinander, doch den monumentalen Sound der Vergangenheit verspürt man nicht mehr so stark.
Lässt man die Live-CD außen vor, wartet die tanzwütige Meute ganze fünf Jahre auf neues Material. "Safe And Sound" kommt mit Chor, einem unverschämt sexy Funkbass und lässigem Groove der 70er daher. Das catchy-dreckige "Randy" und das spacig-treibende "Alakazam!" schüren die Vorfreude auf das dritte Album "Woman" gewaltig und die Fans werden nicht enttäuscht: Ein abwechslungsreiches und mutiges Machwerk, das neue Stile und Klänge ins Justice-Universum einbringt.
Weil es die Tradition so vorgibt erscheint zwei Jahre danach das Remix-Mashup-Album "Woman Worldwide", bei dem sie aus ihrem bisherigen Schaffen alle Hits miteinander verschmelzen, jedoch ohne den lebendigen Live-Mitschnitt einzubinden. Justices Funk-infizierter Sound rockt den Schweiß aus den Poren, wo andere auf ausgedehnte Breaks setzen. Er gibt sich zweckdienlich, wenn die Konkurrenz mit Experimenten hervorzuragen versucht. Pop oder Underground? They don't give a fuck. Den Unterschied macht die Vehemenz, mit der das Super-Duo aus der Ed-Banger-Posse zu Werke geht. Euphorie produzieren, dabei selbst immer Spaß haben – und zwar um jeden Preis. The way you move is a mystery ... And Justice For All.
Eine Pandemie kommt und geht, da erwachen auch die Franzosen aus ihrem Schönheitsschlaf. "Hyperdrama" heißt der Nachfolger von "Woman" im April 2024. Für den Vorabsong "One Night/All Night" holten sie sich Kevin Parker von Tame Impala ins Studio.
1 Kommentar mit 2 Antworten
Neues von Justice!
www.justice.church
Jo, gestern auch gesehen. Mir gefällts, durch den typischen Trademarksound man fühlt sich direkt wieder zuhause. Würde mir aber wünschen, dass es auf dem Album bisschen härter zur Sache geht (wobei ich die Sachen auf 'Audio Video Disco' aber auch mochte).
GEMA: "Nein!Nein!Nein! Das dürft ihr in Deutschland nicht auf YouTube strömen!"
Schade, muss ich mir eben beim Link nebenan die kostenlose, hochqualitative WAV-Datei runterladen.
Gefällt übrigens. :^)