laut.de-Kritik

Folk als soziokulturelles Experiment.

Review von

"Johannesburg" beginnt mit einem Ausrufezeichen: Zwar hören wir auf der Single "There Will Be Time" zunächst den afrikanischen Barden Baaba Maal, der sich über den dezenten Piano-Klangteppich bewegt und dabei mit unseren Folk-Hörgewohnheiten bricht. Dann aber antwortet Manfred Mumford in urtypischer Manier, und es entsteht ein prägnantes, weil in sich geschlossenes Zusammenspiel der Stimmen, das selbstredend noch um epochale Chorgesänge erweitert wird.

Das sich angenehm steigernde Soundbild erinnert an "Sigh No More" – die Parallelen von "There Will Be Time" zu Songs wie "I Gave You All" sind nicht zu überhören. Und als Mumford & Sons-Sympathisant reibt man sich glücklich die Hände und das Trommelfell in bester Filmbösewicht-Manier.

Die neue EP von Marcus Mumford und seinen Mannen entstand auf der Afrika-Tour der Band und in Zusammenarbeit mit dem senegalesischen Musiker Baaba Maal, der malawisch-schwedischen Kombo The Very Best und der südafrikanischen Band Beatenberg. "Johannesburg" kommt also als sozio- und interkulturelles Experiment daher. Zum Glück. Denn das dritte Studioalbum "Wilder Mind" hinterließ den faden Beigeschmack von Coldplay'schen Hymnen für Milliarden, so mausgrau und vorhersehbar, dass es schmerzte. So glatt geschmirgelt und aller Kanten beraubt, dass einem der präsentierte Folkpop zwischen den panisch nachgreifenden Fingern entglitt.

Nun wird der ein oder andere sagen, dass die Band noch nie besonders spannend oder schlicht besonders war. Hier würde ich mindestens ein Stück weit widersprechen: Alleine durch die Stimme ihres Frontmanns kombiniert mit dem dynamischen Banjospiel und einem gewissen Fingerspitzengefühl für außergewöhnlich emotionale Songmomente, vereinigte die Truppe ein virtuelles Dreieck der Alleinstellungsmerkmale. Wie eingangs erwähnt werden diese zum EP-Anfang wieder aufgewirbelt, verschwinden im weiteren Verlauf im Nebel eines harmlosen Kooperation-Werks.

Was auf dem Opener noch nahe an der Perfektion gelang, klappt auf "Wona" nicht mehr so richtig. Aus den hin und her gespielten Ping Pong-Bällen entsteht keine Spannung, kein wirkliches Match, sondern ein harmloser Ballwechsel, bei dem keiner der beteiligten Spieler versucht, seine Mitspieler in Schwierigkeiten zu bringen. Hier merkt man der EP durchaus an, dass sie innerhalb kürzester Zeit entstanden ist und deshalb kompositorische Tiefe vermissen lässt.

"Wona" torkelt ein wenig im Kreis und überrascht mit einigen Streichersequenzen, bleibt aber so ein Song, der es allen Recht machen will. "Fool Youve Landed" ist eindeutig die Komposition, die am wenigstens Mumford & Sons DNA in sich trägt. Der Song zuckelt tanzbar daher, vereinigt Reggae und Afrika-Vibes mit westlichen Folkspuren. So einen Sound hat man logischerweise selten gehört, und so lohnt sich die Entdeckungsreise nach "Johannesburg" auf jeden Fall. Allerdings fühlt man sich als Hörer ein wenig als Tourist, der zwar hier und da einen kleinen Schnappschuss zur Erinnerung knipst, dem aber der Blick in die Mentalität und hinter die Kulissen verwehrt bleibt.

Ein Pluspunkt ist allerdings die aufgezeigte Abwechslung, die beinahe an einen Sampler erinnert. "Ngamila" beginnt ein wenig düsterer, verliert sich dann aber abermals in typischer afrikanischer Lebensfreude, die von den nachdenklichen Europäern mit den Banjo sogleich wieder im Zweifel verordnet wird. Der Song erscheint als der emotionalste Baustein der EP und erklimmt auf dem werkeigenen Treppchen Rang zwei. Das liegt vor allem daran, weil es den beteiligten Künstlern auf "Ngamila" am besten gelingt, die afrikanischen Stimmen in den Mumfordschen Grundbau zu integrieren. Hier wirkt die Kooperation total und vor allem logisch verzahnt.

Das finale "Si Tu Veux" ist dann leider ein echter Rohrkrepierer, der die offensichtlichste Artverwandtschaft zu "Wilder Mind" aufweist und auch darüber hinaus so einen kitschigen König-der-Löwen-Musical-Flair nachzeichnet.

Insgesamt fühlt sich "Johannesburg" merkwürdig egal an und ist doch zigfach spannender als der Alben-Vorgänger. Das liegt in erster Linie an der gut gelungenen Single, die ihre Songmitstreiter meilenweit hinter sich lässt, aber selbstredend auch an den dezenten afrikanischen Einflüssen. Insgesamt klingt die Platte über weite Teile aber irgendwie doch nach angebratenen Friede-Freude-Eierkuchen, nach so einem halbgaren Mittelding zwischen Fisch und Fleisch und in ihren schwächsten Momenten nach allerübelster Live-Aid-Schmonzette, in der exotische und experimentelle Einflüsse leider nur mit stolzgeschwellter Brust angedeutet werden.

Trackliste

  1. 1. There Will Be Time
  2. 2. Wona
  3. 3. Fool Youve Landed
  4. 4. Ngamila
  5. 5. Si Tu Veux

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