Porträt

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Mumford & Sons

In England ist es ein sicheres Anzeichen für zukünftige Erfolge, wenn man zum so großen wie einflussreichen Glastonbury Festival im Süden der Insel eingeladen wird – wohlgemerkt ohne auch nur ein Album veröffentlicht zu haben. So ergeht es dem Londoner Quartett Mumford & Sons, die bei ihrem sonntäglichen Auftritt auf der Park Stage im Jahr 2008 die erste Vorahnung bekommen, wie es ist, vor großem Publikum zu spielen.

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Erst ein Jahr zuvor gründet sich die Band, die sich nach ihrem Sänger, Gitarristen und Tamburin-Spieler Marcus Mumford benennt. Schon in der Namensgebung mit der Anspielung auf eine musizierende Familienbande spiegelt sich eine uralte Folktradition. Mumford und seine Mitstreiter Winston Marshall am Banjo, Ben Lovett an den Tasteninstrumenten und Ted Dwayne am Kontrabass eint auch die Vorliebe für Country, Bluegrass und Folk. Eine relativ überschaubare Szene in London hält das Bewusstsein für diese althergebrachten Musikstile am Leben.

Unter ihnen die befreundete Songwriterin Laura Marling oder Noah And The Whale, die wie einige Mitglieder von Mumford & Sons renommierte Privatschulen in London besucht haben. Von dort könnte auch die musikalische Sozialisation mit amerikanischem Folk stammen, klingt doch schon bei den ersten EPs die Storytelling-Tradition von Woody Guthrie über Bob Dylan hin zu Will Oldham durch.

Doch Mumford & Sons mischen dieses Wissen um finstere Kapitel aus dem "Great American Songbook" mit ihrem britischen Ausdruck und dynamisch-majestätischen Arrangements, die auch von My Latest Novel oder Arcade Fire stammen könnten. Kein Wunder also, dass mit Markus Dravs ein Produzent für das erste Album "Sigh No More" engagiert wird, der auch für die so erhabenen, sakralen Anwandlungen auf "Neon Bible" verantwortlich ist.

Das Album steigt direkt auf Platz 11 der britischen Charts ein. Die BBC kürt die Band zu einer der größten Neuentdeckungen des Musikjahres 2009. Schon wird im Zusammenhang mit Mumford & Sons und Fleet Foxes wegen der mehrstimmigen, mal sanften, dann wieder kehligen Gesänge von einem 'Nu-Folk-Movement' gesprochen. Die britische Tageszeitung The Guardian hat in der Band sogar eine Hillbilly-Reinkarnation von Coldplay ausgemacht. Mit einem derartigen Qualitätsmerkmal – Chris Martin ist der lebendige Beweis – bringt man es auf dem Glastonbury Festival sogar bis zum Headliner.

Mumford & Sons - Delta
Mumford & Sons Delta
Hysterische Hipster-Hymnen mit heiserem Herrenchor.
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Nicht nur dort zeigen Mumford & Sons ihre Livequalitäten. Drei Jahre später ist es für das Quartett fast zur Normalität geworden, im Line-Up auf nahezu jedem Festival ganz oben zu stehen. Sogar US-Präsident Barack Obama lässt sich von der Energie Mumford & Sons anstecken und lädt die Truppe als Showact zum Staatsdinner.

Sprach man vor drei Jahren noch ganz vorsichtig und leise von einem Folk-Revival, so grölt die Menge nun voller Stolz zu den Banjoklängen "I will wait, I will wait for you" im Chor. Der Text stammt aus der ersten Singleauskopplung des Albums "Babel", das Mumford & Sons im Herbst 2012 veröffentlichen. Die Produzentenwahl ist die gleiche wie auch beim Debüt, auch musikalisch bleibt alles wie es war.

"Babel" wird ein Verkaufsschlager und heimst einen Grammy Award für das Album des Jahres ein. Auch bei den Brit Awards und beim Echo wird das Quartett ausgezeichnet. Doch nach fünf Jahren auf Tour merken die Jungs, dass es Zeit für eine Pause wird. Die legen sie 2013 ein und nutzen die Zeit, um endlich mal wieder im Studio zu arbeiten. Gegen Ende der ausschweifenden "Babel"-Tour verbringt die Band einige Zeit mit Aaron Dessner, seineszeichens Gitarrist und Bassist bei The National.

Für Mumford & Sons erscheint Dessner wie eine Art Messias, der ihnen wichtige Dinge in Sachen Zusammenarbeit und kreative Prozesse mit auf den Weg gibt. Die Worte fallen auf fruchtbaren Boden und zur Arbeit an "Wilder Mind", das im Mai 2015 erscheint, schließt sich die Band erstmals im Studio ein.

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Mumford & Sons "Verkack es nicht!"
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"Von allen dreien hat die Arbeit zu dem Album wahrscheinlich am meisten Spaß gemacht, so Sänger Marcus. "Es war einfach viel mehr ein demokratischer Prozess. Wir waren informierter über das, was die anderen da machten und konnten uns auf der Grundlage eine Meinung darüber bilden. Das hat uns verletzlicher gemacht, aber letztendlich dazu geführt, dass wir eher andere Meinungen akzeptierten. Wir saßen zusammen und haben gemeinsam Ideen ausgearbeitet."

2016 erscheint die EP "Johannesburg", die Mumford & Sons gemeinsam mit dem senegalesischen Sänger Baaba Maal, der Band The Very Best und dem südafrikanischen Sänger Beatenberg aufnehmen, als sie durchs Land touren. Der dazugehörige Konzertfilm "Live From South Africa: Dust And Thunder" erscheint Anfang 2017. Danach wird es erst einmal wieder ruhiger um die Band, bis im September 2018 das neue Album "Delta" seine Schatten vorauswirft.

Nebenbei veranstalten sie seit 2009 schon die "Gentlemen Of The Road"-Festivals, die in kleineren Städten stattfinden, um so die jeweiligen Regionen zu unterstützen. Dabei begleiten sie unter anderem befreundete Bands wie Edward Sharpe & The Magnetic Zeros, Gogol Bordello, The Vaccines oder Dropkick Murphys, den Foo Fighters, Flaming Lips oder The Maccabees. Ein Headliner darf dabei natürlich nicht fehlen: Mumford & Sons.

Mehr Aufsehen als ihre diversen Live-Mitschnitte wie "The Road To Red Rocks" gibt, erringen ein Foto und ein Tweet. Das Foto entsteht während der Aufnahmen zu "Delta" im Londoner Studio. Es zeigt drei Bandmitglieder, Ted, Ben und Winston, mit dem kanadischen Psychologieprofessor Jordan B. Peterson. Der setzt sich für Maskulinität, gegen die Gender-Kategorie "diverse" und für klassisch konservativ-reaktionäre Werte wie 'Stärke' und 'Disziplin' ein. Sein Essay "12 Rules For Life" wird 2018 ein Bestseller, verkauft sich binnen drei Jahren über fünf Millionen Mal und findet Anklang im Milieu strammer 'Aussortierer' die kulturellen Wandel bedrohlich finden und sich die Welt übersichtlicher wünschen - nicht gerade die beste Adresse für eine Band, die südafrikanische Elektronik und englische Akustik verwob und als Speerspitze der Folkpop-Erneuerung galt.

Keyboarder Ben Lovett betont, er wolle grundsätzlich gern mit möglichst vielen Leuten überhaupt im Dialog sein. Marcus Mumford positioniert seine Band in der Londoner Tageszeitung Guardian als liberal: "Wir mögen die Idee, dass Musik Leute vereinen kann, und wahrscheinlich kommen viele Leute zu unseren Konzerten, deren Ansichten wir nicht teilen. Aber sollen wir die Türen schließen? So vielen Leuten wie möglich zu zeigen, dass sie willkommen sind, das ist ein super-liberaler Standpunkt, wenn man es historisch sieht. Inklusivität, die jeden einbezieht."

Klar unterstützend tweetet sich Banjospieler Winston im März '21 um Kopf und Kragen und um seine Stellung in der Band und führt ihr Ende herbei. Er kommt nach Lektüre des Buchs "Unmasked: Inside Antifa's Radical Plan To Destroy Democracy" zu dem Schluss, dessen Autor Andy Ngo sei "ein tapferer Mann". Der amerikanische Journalist mit vietnamesischen Eltern, fiel mit einem Leitartikel über Londons "gescheiterten Multikulturalismus" mit einer seltsamen Argumentationstechnik auf, die in der New Yorker Zeitung The Wall Street Journal abgedruckt wurde und als islamfeindlich auf Kritik stieß, während er selbst sich als Vertreter der konservativen Mitte sieht. In dem von Winston Marshall gelobten Buch stellt Ngo ausgiebig Gewalt von Antifa-Gruppen dar, jedoch keine Taten aus dem rechtsextremen Spektrum. Obwohl Winston seinen Tweet pro Provokateur nach harscher Kritik löscht, steigt er schnell bei Mumford & Sons erst pausierend und dann endgültig aus. Er begründet dies damit, dass die Kritik nicht auf die Gruppe zurück fallen solle.

Nach so viel Politik im großen Maßstab macht die namensgebende Stimme der Sons alleine weiter. Marcus Mumford spielt ohnehin recht viele Instrumente. Dazu zählen neben der Akustikgitarre auch die Mandoline, Percussion und die Melodica - viele Instrumente, die den typischen Mumford & Sons-Sound ausmachen, oder vor "Wilder Mind" zumindest prägten. Das Akkordeon muss man auf Marcus' Solo-Nachfolger "(Self-Titled)" hingegen missen: Tastenspieler Ben Lovett ist mittlerweile wohlhabend mit einer Mode-Geschäftsfrau liiert und Papa.

Marcus versorgt sich unterdessen mit songwriterischem Input zahlreicher Leute von Alt' Rock über Mainstream- bis Bedroom-Pop. Auch Robin von den artverwandten Fleet Foxes mischt als Ko-Autor mit. Die Single "Cannibal" handelt vom Trauma nach dem sexuellen Missbrauch, den Marcus als Sechsjähriger erlebte.

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Mumford & Sons - Delta: Album-Cover
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2018 Delta

Kritik von Philipp Kause

Hysterische Hipster-Hymnen mit heiserem Herrenchor. (0 Kommentare)

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Mercedes-Benz-Arena, Berlin, 2019 Die Bilder vom exklusiven Berlin-Gig.

Die Bilder vom exklusiven Berlin-Gig., Mercedes-Benz-Arena, Berlin, 2019 | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Die Bilder vom exklusiven Berlin-Gig., Mercedes-Benz-Arena, Berlin, 2019 | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Die Bilder vom exklusiven Berlin-Gig., Mercedes-Benz-Arena, Berlin, 2019 | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Die Bilder vom exklusiven Berlin-Gig., Mercedes-Benz-Arena, Berlin, 2019 | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof)

Düsseldorf, 2013 Die London-Boys in der Mitsubishi Electric Halle.

Die London-Boys in der Mitsubishi Electric Halle., Düsseldorf, 2013 | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Die London-Boys in der Mitsubishi Electric Halle., Düsseldorf, 2013 | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Die London-Boys in der Mitsubishi Electric Halle., Düsseldorf, 2013 | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Die London-Boys in der Mitsubishi Electric Halle., Düsseldorf, 2013 | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Die London-Boys in der Mitsubishi Electric Halle., Düsseldorf, 2013 | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Die London-Boys in der Mitsubishi Electric Halle., Düsseldorf, 2013 | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Die London-Boys in der Mitsubishi Electric Halle., Düsseldorf, 2013 | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Die London-Boys in der Mitsubishi Electric Halle., Düsseldorf, 2013 | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Die London-Boys in der Mitsubishi Electric Halle., Düsseldorf, 2013 | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Die London-Boys in der Mitsubishi Electric Halle., Düsseldorf, 2013 | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Die London-Boys in der Mitsubishi Electric Halle., Düsseldorf, 2013 | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Die London-Boys in der Mitsubishi Electric Halle., Düsseldorf, 2013 | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Die London-Boys in der Mitsubishi Electric Halle., Düsseldorf, 2013 | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Die London-Boys in der Mitsubishi Electric Halle., Düsseldorf, 2013 | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig)

Live in Köln 2010 Mumford & Sons im Palladium.

Mumford & Sons im Palladium., Live in Köln 2010 | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Mumford & Sons im Palladium., Live in Köln 2010 | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Mumford & Sons im Palladium., Live in Köln 2010 | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Mumford & Sons im Palladium., Live in Köln 2010 | © laut.de (Fotograf: ) Mumford & Sons im Palladium., Live in Köln 2010 | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Mumford & Sons im Palladium., Live in Köln 2010 | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Mumford & Sons im Palladium., Live in Köln 2010 | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Mumford & Sons im Palladium., Live in Köln 2010 | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Mumford & Sons im Palladium., Live in Köln 2010 | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Mumford & Sons im Palladium., Live in Köln 2010 | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Mumford & Sons im Palladium., Live in Köln 2010 | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig)

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