Mit seinem Spielfilmdebüt "Control" schafft der Starfotograf und Videofilmer Anton Corbijn ein grau schillerndes Porträt des charismatischen Leadsängers der Band Joy Division.

Berlin (laut) - Für Anton Corbijn bedeutete es Ende der 70er Jahre den Beginn seiner Karriere, den Auftrag für eine Fotoreihe mit Postpunk-Band Joy Division erhalten zu haben. Es erscheint schlüssig, dass er sich in seinem Spielfilmdebüt nun mit dem kurzen Leben des legendären Sängers und Songschreibers der Band auseinandersetzt.

Dass Curtis' Witwe Deborah als Co-Produzentin mitgewirkt und Corbijn mit Curtis' Geliebter Gespräche geführt hat, spricht für seine feinfühlige und differenzierte Herangehensweise. Corbijn vermeidet die stilisierte Verklärung und schafft in nüchterner Schwarzweißästhetik und ruhigen Bildern ein Künstlerporträt, das sanft und distanziert die Widersprüche und die Risse in der Welt des Ian Curtis aufzeigt.

Der Spießbürgerlichkeit steht der Freiheitsdrang gegenüber, der Empathiefähigkeit des Arbeitsvermittlers Curtis die eigene Unzugänglichkeit, dem familiären Pflichtbewusstsein die neue Liebe. Dass Curtis Epileptiker war, versinnbildlicht dabei eindringlich den Kontrollverlust, der sich bis in sein Innerstes bohrt. Musikalisch wird der Film u. a. famos umrahmt mit Songs von Bowie, Velvet Underground und New Order.

Sam Riley verkörpert den introvertierten Ian Curtis grandios mit reduzierter, aber wirkungsvoller Mimik und glänzt vor allem mit der expressiven Art, wie er die Songs von Joy Division körperlich zuckend auf der Bühne vorträgt und dabei völlig unnahbar bei sich selbst ist. "Transmission", "Evidently Chicken Town" oder "She's Lost Control" stellen nicht nur für Joy Division-Fans filmische wie musikalische Höhepunkte dar.

Ebenso gekonnt eindringlich schlüpft Samantha Morton in die Rolle von Curtis' Frau Debbie und führt eindringlich ihren Kampf zwischen Enttäuschung und Hoffnung vor, während ihr Mann ihr langsam entgleitet. Und auch Alexandra Maria Lara funktioniert in der Rolle der Annik, die sie in wenigen Bildern als durchaus liebenswerte und zweifelnde, wenn auch manchmal etwas zu großäugige, Freundin Ians charakterisiert. Nicht zu vergessen, man erkennt ihn kaum, Herbert Grönemeyer in einer kleinen Rolle als Ians behandelnder Arzt.

"Control" ist ein Film über Ian Curtis, da ist es konsequent, dass die Charakterisierung der Bandmitglieder weniger ins Zentrum rückt. Schmunzeln lässt sich aber über deren süffisanten Aussagen über Bands wie The Fall und The Buzzcocks.

Es sind intime, berührende 120 Filmminuten, die das Leiden und die Zerrissenheit des Protagonisten spürbar machen. Einen Grund, warum sich der charismatische Sänger 1980 letztendlich das Leben nahm, verweigert Anton Corbijn uns. Zu urteilen ist seine Sache nicht.

Stattdessen gelingt ihm mit diesem unbedingt empfehlenswerten Film, uns einen Einblick in die Musikszene Manchesters zwischen Punk und Postpunk zu vermitteln und uns den genialischen, viel zu früh verstorbenen Leadsänger in Erinnerung zu rufen.

Dichotomien durchziehen das tragische Leben von Ian Curtis, was eine gewisse Ironie in sich birgt. The Wombats bringen es auf den Punkt, wenn sie singen "Let's dance to Joy Division and celebrate the irony"! Genau das sollten wir jetzt tun.

Von Martin Leute

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