Golden Globes für den besten Hauptdarsteller und den besten Song machen den Musikfilm "Crazy Heart" auch zum Oscar-Favoriten. Wir haben ihn schon gesehen.

Berlin/Los Angeles (laut) - Jeff Bridges kehrt in die Bowlinghallen und Kneipen zurück und brilliert erneut als Anti-Held! Aber nicht als Slacker wie im Coen-Klassiker "The Big Lebowski", sondern als ausgebrannter Country-Sänger, dessen komisch-tragische Lebensweise der des 'Dude' aber sehr nahe steht.

"Crazy Heart", das Regie-Debüt von Scott Cooper (Kinostart: 4. März), setzt sich mit der Kraft der Musik und der Liebe auseinander. Bridges erweist sich mit seiner liebenswerten Lässigkeit als Idealbesetzung und wurde dieser Tage für seine schauspielerische Leistung mit dem Golden Globe (Bester Schauspieler) ausgezeichnet. Dass er auch als Privatmensch musikalisch aktiv ist und bereits ein Album ("Be Here Soon", 2000) zwischen Country, Blues und Rock veröffentlicht hat, mag zu der absolut überzeugenden Darstellung beigetragen haben.

Gealterter Country-Sänger mit offenem Hosenschlitz

Bridges verkörpert den in die Jahre gekommenen, musikalisch fast gänzlich in Vergessenheit geratenen Bad Blake, der mit seinen einstigen Hits durch provinzielle Kaschemmen tingelt und denselben desillusionierten Eindruck macht wie sein gealtertes Publikum. Fernab von Erwartungen verharrt er in diesem Dasein aus permanentem Alkoholkonsum, unbedeutenden Liebschaften und leidenschaftslosen Auftritten. Bis mit der Journalistin und Mutter Jean Craddock (ganz entzückend: Maggie Gyllenhaal) eine Frau in sein Leben tritt, die seine Welt aus Verantwortungslosigkeiten und offenem Hosenschlitz ordentlich ins Wanken bringt.

Als Vertreter der jungen Generation der Country-Sänger steht ihm Tommy Sweet (Colin Farrell) gegenüber, der den aus dem Erfolg resultierenden Erwartungsdruck spürbar werden lässt. Aus dem Gegeneinander wird schließlich ein Miteinander, wenn Blake zum professionellen Songschreiber für den erfolgreichen Sweet avanciert.

Heißer Anwärter für den Oscar

Neben dem großartigen Ensemble, der narrativen Plausibilität und dem hohen Unterhaltungswert glänzt der Film vor allem mit der wunderbaren Mischung aus Originalsongs und älteren Liedern. Mit T Bone Burnett zeichnet dafür ein Mann verantwortlich, der bereits die famosen Soundtracks für die Filme "Walk The Line" (2005) und "O Brother Where Art Thou?" kompiliert und das Erfolgsalbum "Raising Sand" (2007) von Allison Krauss & Robert Plant produziert hat.

"Crazy Heart"-Trailer

Gemeinsam mit dem noch während der Dreharbeiten verstorbenen Songwriter Stephen Bruton hat das Duo Lieder geschrieben, die sowohl die die Entwicklung der Figur Bad Blake widerspiegeln und die facettenreiche Bandbreite des Genres Country offenbaren. Bridges alias Blake überzeugt mit seinen fünf intonierten Originalsongs mit Spielarten des Rock und des zeitgenössischen Countrypop ebenso wie mit atmosphärischem Folk. Mit "The Weary Kind" steuern Burnett und Ryan Bingham zudem den emotionalsten Track bei, der nach dem Gewinn des Golden Globe in der Kategorie "Bester Originalsong" als heißester Anwärter für den Oscar gilt.

Einfachheit und Schönheit des Country

Geschmackssicherheit beweist T Bone Burnett auch mit der Komplettierung des Soundtracks. Die Louvin Brothers ("My Baby's Gone") fügen sich ebenso kohärent ins musikalische Gesamtbild wie Townes Van Zandt ("If I Needed You"), Lightnin' Hopkins ("Once A Gambler"), Waylon Jennings ("Are You Sure Hank Done It This Way") oder Sam Phillips ("Reflecting Light").

Mit "Crazy Heart" ist Scott Cooper ein unaufgeregter, lebensnaher Film geglückt. Dabei offenbart sich die Einfachheit und Schönheit des Country als wunderbares, musikalisches Äquivalent der dargestellten Emotionalität. Der Aussage Harlan Howards ist nichts mehr hinzuzufügen: "Countrymusik besteht aus drei Akkorden und der Wahrheit".

Von Martin Leute

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