Hip Hop in Absurdistan: Der weiße 2Pac heißt Justin Bieber, Fat Beats Records schließt die Pforten, Forbes nennt die Geldkühe im Biz beim Namen - und an Rick Ross perlt alles ab.

Berlin (eng) - Hip Hop ist ja bekanntlich immer für eine Zote gut. Dafür braucht es keinen FAZ-Feuilletonisten, der die Kunstform mal eben im Vorbeigehen in einer überraschenderweise wohlwollenden Rap-Album-Review als Musik für Demente denunziert.

Justin Bieber ist der weiße Tupac

Ein Hollywood-Star gewordener verkappter Ex-Mikrofonhalter reicht für die Hip Hop-inhärente Ad Absurdum-Führung bereits aus: The Artist Formerly Known As Marky Mark, Mark Wahlberg, bezeichnete jüngst das kanadische Pubertäts-Paradoxon Justin Bieber als the white Tupac. Die Gründe für diesen hanebüchenen Vergleich würden wohl für immer in den endlosen Tiefen von Biebers Schamhaarwurzeln verborgen bleiben - wären da nicht diese ganz grundsätzlich komischen Respektsbekundungen anderer Hip Hop-Vertreter für den jungen Mann aus Kanada.

Nicht nur ließ Landsmann und Rap-Superstar Drake Justin Bieber kürzlich bei seinem Konzert auf der Bühne tanzen, jetzt wollen auch Kanye West und Raekwon (!) mit dem Popsternchen auf einem gemeinsamen Song kollaborieren. Auf den jeweiligen Twitter-Seiten lässt sich der Weg dorthin wunderbar nachvollziehen. Nachricht von Bieber an Kanye: "me, u, and the chef 2gether on a song = EPIC." Antwort Raekwon: "We gon' make a good record." Könnte man vielleicht doch zumindest einen kleinen Erwartungshaltungsgenerationskonflikt hineininterpretieren.

Das Ende einer Ära

Die Bieber/Raekwon-Kollaboration ist nicht die einzige Neuigkeit, die Rap-Realkeeper derzeit zu beweinen haben. Der legendäre Plattenladen Fat Beats Records teilte am Mittwoch mit, dass er ab September diesen Jahres die Pforten seiner zwei verbliebenen Standorte in Los Angeles und New York für immer schließen wird. In den vergangenen 16 Jahren seines Bestehens erwarb sich der Laden nicht nur den Ruf als Mekka für Cratedigger und Vinyl-Liebhaber weltweit, sondern mauserte sich auch als Label zur Qualitätsinstanz für Underground-Rap der New Yorker Schule der Neunziger Jahre.

Einer der Architekten dieses Trademark-Sounds, DJ Premier, brachte die Trauer über das Ende von Fat Beats auf den Punkt: "The closing of Fat Beats is just like one of my friends passing away. They promoted vinyl at its highest degree for the culture of good music." Der Vertrieb über die Webseite soll weitergehen, dennoch schreibt die Schließung der Fat Beats Record Stores eine weitere kleine Episode in der Geschichte der Umwälzung der Musikindustrie, wie wir sie kennen.

Hip Hops Geldkühe

Über generelle Geldnöte kann das Genre jedoch (noch) nicht umfassend klagen. Gerade veröffentlichte das Magazin Forbes seine alljährliche Liste der bestverdienenden Hip Hop-Geldkühe. Hier liest man zur Abwechslung mal von Beträgen, wie man sie aus den zahlreichen Lyrics der Protagonisten kennt.

Ganz vorne dabei ist Jay-Z mit einem Jahreseinkommen von 63 Millionen US-Dollar. Dem amerikanischen Finanzamt schuldet er somit lumpige 22 Millionen US-Dollar in Steuern - mit Ausnahme von Diddy hat kein Rapper einen höheren Jahresverdienst als dieser Steuerbetrag. Auch nicht der - durch die Genrefarben-blinden Stereotypisierungen der US-Medien in die Liste gerutschte - R'n'B-Sänger Akon, der mit einem Verdienst von 21 Millionen US-Dollar knapp unter Jiggas Fiskus-Obolus bleibt.

Unterschiede und Möglichkeiten des Systems

Trotz beeindruckender Steuerbeträge auf den Jahresabschlüssen der Hip Hop-Vertreter scheint sich das Konzept der Steuererhebung und der damit einhergehenden gesetzestreuen Einhaltung dieses Systems noch nicht im ganzen Genre herumgesprochen haben. Davon legt die wunderbare Zusammenstellung des Complex Magazins über fette Rap-Steuersünder "Luxury Tax: 20 Rappers Who Owe The IRS" unterhaltsam Zeugnis ab. Genre-Primus Nas schuldet dem Fiskus etwa ganze 3.365.671,26 US-Dollar. Bad Boy und laut Forbes-Liste zweitbester Rap-Verdiener Diddy (Jahreseinkommen: 30 Millionen US-Dollar) bringt es dagegen nur auf 7.373 US-Dollar.

Die monetären Unterschiede sind groß, die Möglichkeiten, der Beträge Herr zu werden, auch. Im Fall von Wyclef Jean steht der vom amerikanischen Finanzamt geforderten Summe von 2,1 Millionen US-Dollar die mögliche Lösung der diplomatischen Immunität gegenüber. Seine Ambitionen auf das Präsidentenamt von Haiti sind ungebrochen, trotz des Gegenwinds, den er von verschiedenen Seiten spürt. Kürzlich setzte sich sein Cousin und Fugees-Kollege Pras für den offiziellen Gegenkandidaten Michel Martelly ein.

Außerdem ist denkbar, dass Wyclef gar nicht zur Wahl Ende November antreten darf: Laut Verfassung von Haiti darf nur kandidieren, wer die fünf Jahre vor der Wahl in Haiti gewohnt hat. Wyclef hat das nicht. Es bleiben zahlreiche Schwierigkeiten, die den ehemaligen Fugees-Kopf auf seinem langen Weg in die Politik angreifbar machen.

Abperl-Qualitäten des Rauschebarts

Apropos Angriffsfläche. Die bietet ein Spezi des US-Rapzirkus im großen Umfang: Rick Ross. Immer dann, wenn man glaubt, die Talsohle der Kredibilitäts-Toleranz sei erreicht, fällt das Schwergewicht erneut durch den Boden. Doch auch jede neue Offenbarung scheint Ross nichts anhaben zu können. Die Enthüllung, dass der sich selbst zum Über-Delinquenten stilisierende Rapper als Gefängniswärter tätig war, raubte ihm keine Fans. Auch die nicht lange zurückliegende Kampfansage mitsamt Schadensersatzklage des echten Rick "Freeway" Ross hinterließ nicht mehr als ein paar bös gemeinte Foreneinträge. Sogar aus dem vom Marketing beider Künstler mit Freude aufgenommenen Beef mit 50 Cent ging Ross ohne Kratzer heraus.

Aktuell haben die Ross-Fans lediglich ein Lächeln für die Sticheleien von Seiten Young Jeezys übrig. Dem als erklärtes Mitglied der Amerikaweit operierenden Drogenbande Black Mafia Family (BMF) stieß Ricks Namedropping des Gang-Chefs Big Meech sauer auf. Prompt schoss Jeezy auf "Death Before Dishonor", einem Mixtape-Freestyle auf Ross' originalem "BMF"-Beat, scharf gegen seinen ehemaligen Kumpel: "How you blowing money fast? You don't know the crew. Oh, you part of the fam? Shit, I never knew." Und Ross? Der zeigte ihm die kalte Schulter und kollaborierte lieber mit Erykah Badu.

Vorsichtshalber hatte er ja bereits sein aktuelles Album "Teflon Don" genannt, um seine Abperl-Qualitäten zu unterstreichen. Doof natürlich, dass Ross auch damit einem Grandseigneur der Kriminalitätsgeschichte auf den Schlips trat. Die Nachlassverwalter des originalen Teflon Dons, dem (fast) unverurteilbaren Mafia-Kingpin John Gotti, pikierten sich pünktlich zur Album-VÖ über die Titelwahl, weil Ross sich im Vorhinein nicht die Erlaubnis eingeholt hatte. Der Rapper kommentierte die Angriffe der Verbrecher-Familie mit verschmitzter Gleichgültigkeit durch den Rauschebart. Und auch hier bleibt die Beschichtung ohne Kratzer. WMF statt BMF, sozusagen.

Wie man sieht, geht Hip Hops Tour durch Absurdistan weiter. Dement sind dabei wenn überhaupt nur diejenigen, die sich den Spaß immer wieder zu Gemüte führen. Man sollte es einfach wie einer der Forumphilosophen da draußen handhaben: "Relax - it's just the internet."

Track der Woche:

Hinsichtlich der etlichen angesprochenen Wege des Karriere-Suizids verweise ich auf einen Song von einem der besten Hip Hop-Alben, die jemals die Dunkelheit der Welt erblickten: Gravediggaz' "6 Feet Deep", das vor ziemlich genau 16 Jahren erschien.

Yo Mama Fromm, Maximum Brandl und heute Gaststar Alex Engelen sammeln und kredenzen wöchentlich Diverses aus dem Kopfnicker-Universum. Anträge, Blumen oder Punchlines an dani@laut.de, max@laut.de oder engel@laut.de.

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Jay-Z, Kanye West und Co

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