Der Bass presst die Augen tief in die Höhlen: Liam Howlett, Maxim und Band feuern Banger um Banger ins ausverkaufte Velodrom.
Berlin (fma) - Ein Konzert von The Prodigy ist immer auch die Frage nach Keith Flint. Wer die Briten mit ihrem 2019 verstorbenen Frontmann schon mal live gesehen hat, fragt sich, wie es ohne ihn gehen kann. Denn natürlich ist und war Producer Liam Howlett zwar schlagendes Herz und Hirn der Truppe. Aber Flint und Maxim sind bzw. waren ihre Seele.
Und es spricht für Howlett und Keith Palmer aka Maxim, dass sie das musikalische Erbe von The Prodigy nicht einfach zu Grabe tragen wollen. Dabei werden sie, wie gewohnt, vom hochkompetenten Gitarristen Rob Holliday (Marilyn Manson, Holliday) sowie Drummer Leo Crabtree unterstützt.
Die bislang auf der noch nicht lange andauernden "Army Of The Ants"-Tour unveränderte Setlist beginnt mit "Breathe" und presst den Berliner:innen die Augen gleich mal tief in die Höhlen, so druckvoll kommt der Sound. Hollidays Gitarre sägt messerscharf in die Songs, während Crabtree dem Mix vor allem seinen Punch mitgibt. Howlett bleibt der ewige Schweiger hinter den Keyboards und Synthesizern.
The Prodigy - eine echte Band
Bemerkenswert ist, wie sehr Maxim, nun die alleinige Stimme The Prodigys, in seiner Sängerrolle aufgeht. Denn sowohl bei "Breathe" wie auch beim folgenden "O" treten The Prodigy wie - man kann es nicht anders sagen - eine echte Band auf. Seit Flints Tod fehlt zwar eine Dosis Bühnenshow, dafür stimmt das Gefüge des verbliebenen Vierers.
Die Stimmung erreicht bei einer ausgiebig zelebrierten, von Crabtree in Grund und Boden gehämmerten Version von "Voodoo People" einen ersten Höhepunkt. Die ausverkaufte 12.000-Seelen-Arena bebt nicht nur unter der Wucht des Basses - im Stehbereich wird bis in die 200. Reihe getanzt, dass es eine wahre Freude ist. Was natürlich nicht zuletzt an der Setlist liegt: An vierter Stelle kommt "Light Up The Sky" - schon der vierte atemlose Banger in Folge.
Laser-Spektakel mit Keith Flint
Maxim tanzt wie eh und je seinen speziellen Stil, setzt sich aber auch am Mic problemlos im an- und aufschwellendem Lärm durch. Bei "Climbatize" bekommt er eine Pause, dafür fährt das Laser-Effektfeuerwerk noch mehr auf. Die Lichtshow passt gut zur schrillen, plastischen Musik und gipfelt in einer sechs Meter hohen Figur in kurzen Hosen und T-Shirt, die in The Prodigy-Merch gekleidet aus ihren Augen Laserblitze schießt.
Aber nicht irgendwelche: Nach der in ihrer Brachialität kaum erkennbaren Version von "Everybody In The Place" wird Flint auf die Monitore projiziert - und zu regelrechten Jubelwellen beginnt "Firestarter", bei dem auch Keiths Stimme zu hören ist. Das Publikum ist schlicht verzückt, zumal die Lasershow nicht nur Flints Konterfei, sondern auch seine typischen Moves hervorragend transportiert.
Damit ist der Peak der Show aber definitiv erreicht: Bleibt die Stimmung bei "Roadblox" noch einigermaßen oben, hält "Their Law" die Spannung nicht mehr. Maxim pausiert außerdem erneut. Bei "No Good (Start The Dance)" und "Get Your Fight On" ist er zwar wieder am Start, doch für ein DJ-Set ist das Konzert viel zu schade. Howlett nimmt sich dafür zudem zu wenig Zei und verlässt sich auf Crabtree und Holliday, um den Songs live neue Aspekte abzuringen.
"Smack My Bitch Up" - ein Crowd Pleaser
"Poison" funktioniert wieder weit besser, "Need Some1" kann zwar nicht so viel, dafür bleibt "Smack My Bitch Up" natürlich ein Crowd Pleaser sondergleichen: Unterm Strich bleibt die Stimmung im Velodrom auch bei den Längen immer gut - nur sind einige doch etwas fassungslos, als danach und somit nach kaum einer Stunde Spielzeit schon Schluss sein soll.
Doch The Prodigy zieren sich nicht lange, selbst wenn Maxim bei "Take Me To The Hospital" nicht so recht seinen Platz findet und der in der Studioversion interessante und komplexe Song etwas zu brachial vorgetragen wird. "Invaders Must Die" lebt dagegen von seiner simplen Grandezza, der der zusätzliche Live-Wumms nur guttut. Das gilt auch für das um eine Klasse schlechtere "We Live Forever", während man bei "Diesel Power" lieber näher an der interessanten Originalversion geblieben wäre.
Als nach "Outer Space" endgültig die Lichter angehen, hört man vereinzelte Buhrufe, denn die 90 Minuten-Marke rissen die Briten nicht. Nichtsdestotrotz war diese relativ kurze Zeit eine schöne, auch, wenn Howlett kein Zacken aus der Krone gebrochen wäre, wäre 'mehr Wumms' nicht die einzige Antwort auf die Livedarbietung der Tracks gewesen. Und warum "Girls", einer ihrer besten Songs überhaupt, der nach einer Version mit Maxim förmlich schreit, in der Setlist ausgespart wird, bleibt das Geheimnis The Prodigys.
Von Franz Mauerer.
3 Kommentare
Der Link zu "Light up the sky" führt zum falschen Album. Ein Dauerbrenner in meiner Playlist.
Prodigy eindeutig noch auf meiner Löffelliste. Aber hunderte von Kilometern fahren fürs Konzert ist dann doch zu heftig.
Wow, das sind genau die Gedanken die mir nach dem Konzert durch den Kopf gegangen sind. Die Band ist Live echt ne Bank, trotzdem hat man das Gefühl das sie aus den alten Pfaden austreten müssten. Von anderen Bands die Jahrelang den selben Gaul reiten mag man das vielleicht nicht erwarten, bei der Art von Musik und Darbietungen sind die Möglichkeiten allerdings einfach zu groß um diese nicht weiter auszubauen.
Es fehlt einfach das Spontane und Organische, dafür ist Liam zu talentiert um nur seine Sounds zu reproduzieren.
Dennoch, ich glaube das er und der Rest der Band zur Zeit einfach nur glücklich sind wieder draußen zu sein und uns ihre Energie schenken zu können. Ich vermisse Keith ... freue mich das sein Erbe nicht ausgeschlachtet und dennoch zelebriert wird.
Zum Konzert, fast 90 Minuten sind Standard, ja kurz aber dennoch voll Dynamik und Power. Das hält niemand lange durch weder Fans noch Band auch wenn der Wunsch nach mehr immer da ist !
Der Anfang war definitiv stärker, hinten raus wurde immer wieder Geschwindigkeit rausgenommen und irgendwie nicht wieder richtig aufgenommen.
Die Setlist hatte ein paar richtig nette Nummern zu bieten, Everbody in the place, Their Law, No good, ok die älteren Sachen haben mich diesmal mehr abgeholt.
Ein, zwei Stücke wären ersetzbar gewesen, gerade von den neueren Alben hätte es ein paar Juwelen gegeben die das ganze nochmal gesteigert hätte. Das in der Diskografie noch einiges mehr steckt als das üblich bekannte ist klar doch gerade Songs wie Girls brauchen sich wirklich nicht zu verstecken.
Ich war 2004 bei der outnumbered Tour und weiß wie der Song Hämmern kann !
Die lange, lange Wartezeit plus überbrückungs DJ ist etwas was ich noch von anderen Auftritten der Band kenne. Nichts was man wirklich braucht oder vermisst hat ...
Trotzdem ein toller Abend voll genialer Momente und guter Musik.
Ich freu mich schon auf das nächste Mal und hoffe das vielleicht ein neues Album mit im Gepäck ist.
Gruß an alle die dabei waren und danke für den tollen Konzertbericht !!!
Security übergriffig, The Prodigy spitze
Wir haben lange auf dieses Konzert gewartet und uns auf einen geilen Abend gefreut. Wurden von hinten gegen die Absperrung gedrückt, man bekam keine Luft mehr, beim Versuch Luft und Platz zu schaffen, wollte der betreffende Zuschlagen, beim Selbstschutz sprangen 6 Mann von der Security vor der Bühne über die Absperrung und gingen brutal gegen meine Frau und mich vor, den Versuch alles zu erklären wollte keiner hören, aggressive Kinder mit Hausrecht die ein Paar über 50 wie Verbrecher raus geführt haben, sie hätten unsere Kinder sein können, ohne jeglichen Respekt. Zum Glück konnte ich die Polizei vor Ort um Hilfe bitten, ein großer Dank an die beiden Beamten der Polizei, die den Kontakt zum Veranstalter herstellten und Dank an die nette Frau vom Veranstalter, die uns den Rest des Konzertes ermöglichte. Leider haben wir dadurch das halbe Konzert verpasst. Absolut unfähige aggressive Security. The Prodigy absolut geil, aber zurück nach dem Vorfall war der Schock zu groß und die Stimmung weg.