Beim 52. Eurovision Songcontest am Samstag in Helsinki steigerten sich die Finnen in ein wahres Grand Prix-Fieber, gegen das sich unsere WM-Stimmung wie ein Kaffeekränzchen ausnahm.

Helsinki (dani) - Marija Šerifovic ließ das Schlimmste befürchten. Als die 22-jährige Brillenträgerin mit der Startnummer 17 direkt nach dem deutschen Beitrag in derangiertem Anzug auf die Bühne latschte, lag das "Hässliches Entlein entpuppt sich als strahlender Schwan"-Szenario bereits in der Luft. Auch weil die Serbin ihre schlipstragenden Typberaterinnen im Schlepptau hatte, drohte sich unter der betont maskulinen Aufmachung irgendein wahlweise glitzerndes oder feuerrotes sexy Outfit zu verstecken, das nur darauf wartet, im Laufe der Performance freigelegt zu werden. So kann man sich täuschen.

Anstatt eines derartigen Grand Prix-erprobten Umkleidespiels zelebrierte die Serbin, die ihre erstmals eigenständig teilnehmende Heimat auf Anhieb auf den ersten Platz sang, eine fast schwermütige, inbrünstig vorgetragene Ballade, die europaweit Beifall fand. Ihr mit starker Stimme vorgetragenes "Gebet", so die Übersetzung ihres Siegertitels "Molitva", stieß auf offene Ohren. Die Ukraine landete mit dem durchgeknallten Beitrag Verka Serduchkas, einer immerhin amüsanten Kreuzung aus Dirk Bach, einer Diskokugel und dem verloren gegangenen fünften Teletubby, auf dem zweiten Platz. Was sagen wir dazu? "Sieben, sieben, ailulu, sieben, sieben, eins, zwo - Tanzen!"

Lordi sei Dank: Der 52. Eurovision Songcontest stieg am Samstag Abend in Helsinki. Die Finnen steigerten sich in ein wahres Grand Prix-Fieber, gegen das sich WM-Stimmung wie ein Kaffeekränzchen ausnahm und stellten eine Veranstaltung der Superlative auf die Beine. Vertreter von 24 Nationen schafften den Sprung ins Finale. Insgesamt waren mit 42 Ländern mehr als je zuvor an der Abstimmung beteiligt.

Deutschland entsandte mit Roger Cicero einen Vertreter, für dessen Darbietung man sich ausnahmsweise nicht in Grund und Boden schämen musste. Im Gegenteil: Qualitativ hochwertig swingte er sich durch "Frauen Regier'n Die Welt" und setzte damit neben dem erstklassigen "Unsubstantial Blues" Magdi Rúzsas aus Ungarn das musikalische Highlight des Abends. Zugegeben: Zwischen gewollt rotzigen Pop-Mäuschen aus Russland, den üblichen mit Folklore-Elementen gewürzten Dance-Nummern aus der Türkei oder Griechenland oder italienisch schmetternden Tenören aus Lettland gestaltete sich das nicht weiter schwer. Am Ende half Klasse gegen die übliche Nachbarschaftshilfe der osteuropäischen Teilnehmer untereinander aber nichts: Ungarn erzielte immerhin noch einen respektablen 9. Rang, während sich Deutschland mit Platz Nr. 19 begnügen musste.

"Ich bin natürlich etwas enttäuscht, das ist doch klar", kommentierte ein dennoch relativ gut gelaunt wirkender Roger Cicero nach der Show. Deutlich patziger äußerte sich Deutschrocker Heinz Rudolf Kunze, der im Vorentscheid gegen den swingenden Mann mit Hut den Kürzeren gezogen hatte: "Es gab keinen Beitrag, der musikalisch an Roger auch nur heran gekommen wäre", so Kunze. "Es ist sehr schade, dass man das in anderen Ländern nicht verstanden hat." Die Schimpftirade auf Ostblock-Seilschaften ("Man kennt das ja!") und der Ruf nach Regeländerungen folgten auf dem Fuße.

Am enttäuschtesten dürften die Iren, die erfolgreichste Grand Prix-Nation, aus dem Abend gegangen sein. Nichts gegen traditionelle irische Folklore. Dervishs "You Can't Stop The Spring" entlockte erstmals in der Geschichte des Wettbewerbs den Nachbarn aus Großbritannien nicht einen einzigen Punkt. Insgesamt wurden es fünf - und damit der letzte Platz für Irland. Die Briten machten es nur unwesentlich besser: Scootchs billige Kirmestechno-Nummer "Flying The Flag" und eine Bühnenshow, die verzweifelt nach dem Farbsättigungsregler suchen ließ, wurden völlig zu Recht mit Rang 23 abgewatscht.

Bei aller musikalischer Vorhersehbarkeit - immerhin gewannen zuletzt meist Länder, die keiner so richtig auf der Rechnung hatte. "Wir werden nächstes Jahr Europa in Belgrad willkommen heißen", verkündete eine strahlende Marija Šerifovic nach der Show. Darauf freuen wir uns schon.

Fotos

Lordi und Roger Cicero

Lordi und Roger Cicero,  | © laut.de (Fotograf: Désirée Pezzetta) Lordi und Roger Cicero,  | © laut.de (Fotograf: Désirée Pezzetta) Lordi und Roger Cicero,  | © laut.de (Fotograf: Désirée Pezzetta) Lordi und Roger Cicero,  | © laut.de (Fotograf: Désirée Pezzetta) Lordi und Roger Cicero,  | © laut.de (Fotograf: Désirée Pezzetta) Lordi und Roger Cicero,  | © laut.de (Fotograf: Désirée Pezzetta) Lordi und Roger Cicero,  | © laut.de (Fotograf: Désirée Pezzetta) Lordi und Roger Cicero,  | © laut.de (Fotograf: Désirée Pezzetta) Lordi und Roger Cicero,  | © laut.de (Fotograf: Désirée Pezzetta) Lordi und Roger Cicero,  | © laut.de (Fotograf: Désirée Pezzetta) Lordi und Roger Cicero,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Lordi und Roger Cicero,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Lordi und Roger Cicero,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Lordi und Roger Cicero,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Lordi und Roger Cicero,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Lordi und Roger Cicero,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Lordi und Roger Cicero,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Lordi und Roger Cicero,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Lordi und Roger Cicero,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Lordi und Roger Cicero,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Lordi und Roger Cicero,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Lordi und Roger Cicero,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Lordi und Roger Cicero,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Lordi und Roger Cicero,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig)

Weiterlesen

Grand Prix Ostblock schießt DJ Bobo ab

Im Halbfinale des Eurovision Songcontest siegen die ehemaligen Sowjetrepubliken auf ganzer Linie. DJ Bobo zeigte sich enttäuscht: "Mein persönliches Ego ist schwerst angeschlagen".

laut.de-Porträt Roger Cicero

Die Liebe zu Jazz und Swing ist ihm in die Wiege gelegt: 1970 wird Roger Cicero als Sohn des bekannten Jazz-Pianisten Eugen Cicero und seiner Frau Lili …

laut.de-Porträt Lordi

Wer nicht glauben wollte, dass Finnen einen an der Waffel haben, den sollten spätestens Lordi vom Gegenteil überzeugen. Lordi heißt nämlich nicht …

78 Kommentare

  • Vor 16 Jahren

    wie homoerotisch war das eigentlich,
    als sich beim Auftritt von Apocalyptica in der Pause
    so ein Performance-Künstler einen langen, fetten, leuchtenden "Phallus" in den Mund und tief in den Rachen schob?

  • Vor 16 Jahren

    Ungarn war top, Ukraine hatte Unterhaltunswert, Russland hatte einen netten Pop-Track... Rest war öde.

  • Vor 16 Jahren

    Für mich wieder einmal mehr die Bekräftigung das Europa genauso viel von Musik versteht wie ein verschlossenes Gurkenglas, Ungarn und Deutschland waren Musikalisch gesehen natürlich unangefochten, aber wer will schon Musik, wenn man doch Comedy, Volklore-Vergewaltigung und Plattitüden Balladen serviert bekommt…
    Wieder einmal ein Grund mehr sich im nächsten Jahr lieber einen Porno anzusehen als diese Musikalische Schändung zu ertragen, von dem übertriebenen Zusammenhalt des Ostens mal abgesehen… einfach nur SCHEIßE!