Die Post-Punk-Legenden spielen in der Hauptstadt ihr einziges Deutschlandkonzert. Band und Publikum wirken mitunter unterkühlt.
Berlin (rnk) - 2003 spielten die Yeah Yeah Yeahs ihre ersten Konzerte auf deutschem Boden, darunter auch im Berliner Knaack-Gebäude. Dort trafen sie auf ein euphorisiertes, hungriges Publikum - es war genau die Zeit, als sich in Berlin eine ähnliche Untergrund-Szene entwickelte wie in New York. Zwanzig Jahre später sieht die Lage anders aus. Es mag heute bestimmt noch gute Rockbands geben, aber keine von ihnen löst mehr einen weltweiten Flächenbrand aus.
Die weitsichtigen Yeah Yeah Yeahs erkannten schon früh das Ende der einstmals spannenden Idee. In der wirklich großartigen Doku "Meet Me In The Bathroom" sagt Karen O.: "Ich wollte das traurige Ende einer so großartigen Sache nicht mehr miterleben." Ihre Band öffnete sich folkigen Tönen und später zunehmend auch Dance-Elementen. Vielleicht ein Grund, warum sie das große Sterben der "The"-Bands überlebt haben. Der andere Grund dürfte sein, dass ihre Songs damals aus der Masse heraus stachen. Ihre Songs waren immer einen Ticken besser als das doch schnell repetitive Geschrammel, allen voran natürlich "Maps" vom Album "Fever To Tell". Karen O. führte mit diesem auch heute noch herzzerreißenden Song eine ganze Bewegung auf ein anderes Level, in der es bis dato vor allem um reine Jungs-Coolness ging. Und doch setzte sie sich in dieser stark männerdominierten Szene durch und drückte ihr ihren Stempel auf.
Wie sehr sie damit nachfolgende Generationen beeinflussten, sieht man bei der Show in Berlin an der Vorband Jealous. Die besteht aus zwei Frontfrauen mit auffallendem Karen O.-Look. Sie tragen selbstbewusstes Make-Up und verbitten sich getreu dem Punk-Ethos jegliche Grenzen. Es geht nicht darum, den Jungs zu gefallen, auch wenn das knappe Dress blöde Kommentare von Herren älteren Semesters einfährt. Jealous bekommen diese sexistischen Steinzeit-Bemerkungen zum Glück nicht mit und spielen ein lautes und auch herrlich imperfektes Set herunter. Der Sound hätte vielleicht noch eine bessere Abmischung benötigt, aber eigentlich passt genau dieser rohe Feedback-Sound äußerst gut zu dem kompromisslosen Garage-Rock. Die Sympathien fliegen ihnen jedenfalls zu, ebenso Plastikblumen und tatsächlich eine Sofortbildkamera. Wenn man bedenkt, was sonst noch so auf den Bühnen oder den Personen landet, eigentlich ganz nett.
Ähnlich wild und unkontrolliert ging es ja bei den Yeah Yeah Yeahs in ihrer Anfangszeit auch zu. Davon ist nach all den Jahren nicht mehr so viel zu sehen. Auf der Bühne stehen große Lichtshow-Balken, davor zwei große Konfettikanonen. Schwitzige Shows in kleinen Winz-Clubs, das war einmal. Wer in der Columbiahalle spielt, bringt für gewöhnlich auch das passende Equipment für diese Größenordnung mit. Oder die passende Garderobe. Unter lautem Jubel betritt Karen O. die Bühne und die Yeah Yeah Yeahs starten mit "Spitting Off The Edge Of The World" aus dem aktuellen Album "Cool It Down". Eine eher ruhige und erwachsene Nummer, die wie ein vorsichtiges Herantasten wirkt. Diese leichte Distanz zwischen Band und Publikum bleibt über den weiteren Abend bestehen. Als ob beide Seiten ihre Beziehung erst einmal wieder neu lernen müssen.
Das trifft zum Glück auf die Chemie zwischen den Yeah Yeah Yeahs nicht zu, man bemerkt eine große Herzlichkeit zwischen den drei Bandmitgliedern. Der nach wie vor introvertierte Gitarrist Nick Zinner sieht immer noch aus wie der Drittplatzierte eines Robert-Smith-Lookalike-Wettbewerbs, während der jungenhaft wirkende Drummer Brian Chase den Schlagzeug-Rockstar imitiert. Beim Publikum ist Luft nach oben, als Hexenkessel kann man die Columbiahalle nicht bezeichnen. Es ist auch schwierig, weil die Setlist zwischen gewolltem Überschwang und der betonten Coolness der neuen Sachen ziemlich abrupt wechselt. Da helfen auch keine Konfettikanonen - immerhin mit pinken Y-Zeichen bestückt - oder überlebensgroße Ballons im leicht gruseligen Pupillen-Look. Das muss wohl jeder individuell entscheiden, ob solche Coldplay-Gimmicks wirklich Not tun.
Es sind dann die alten, sofort erkennbaren Hits wie "Maps" oder "Date With The Night", die das etwas hüftsteife Berliner Publikum aus der Reserve locken. Schade, denn das selten gespielte "Sacrilege" vom leider etwas untergegangenen "Mosquito"-Album (2013) oder die Live-Rarität "Poor Song" hätten deutlich mehr Euphorie verdient. Immerhin entwickelt das sehr poppige "Wolf" langsam das Potential, ein weiterer Band-Klassiker zu werden. Ansonsten wirken die Amerikaner zwischen energetischer Vergangenheit und neuer moderner Kühle gefangen und das Publikum auch. Selbst die aufschäumende Emanzipationshymne "Y Control" löst die Bremsen nicht wirklich. Karen O. gibt sich mit ihrer angedeutenden Bühnenakrobatik sichtliche Mühe, aber beim Blick auf Konzertvideos sieht man auch hier einstudierte Gesten. Der erste Schritt, um diese innige Freundschaft zu reaktivieren, wurde trotzdem gemacht. Und ja, ich habe bei "Maps" geheult. Bei einer ausgedehnteren Deutschland-Tour wird es auch bestimmt wieder Liebe.
2 Kommentare
Jealous waren grauenhaft. Die Yeah Yeah Yeahs dann nah an der perfekten Las Vegas Revue. Habe für das Ticket nur 10€ gezahlt, andernfalls hätte ich mich wohl geärgert.
'Vielleicht ein Grund, warum sie das große Sterben der "The"-Bands überlebt haben.'
Könnte auch daran liegen, dass sie kein "The" im Namen tragen und somit von vornherein nicht zur Risikogruppe gehörten.