Der Europäische Gerichtshof hat gestern ein Grundsatz-Urteil im Sampling-Streit zwischen Kraftwerk und Moses Pelham gefällt. Gewonnen hat: die Kunstfreiheit.
Luxemburg (jvö) - Im mittlerweile 15 Jahre andauernden Rechtsstreit zwischen Kraftwerk und Moses Pelham hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) gestern ein Grundsatz-Urteil gefällt. Demnach ist Sampling grundsätzlich nur mit Zustimmung des Urhebers erlaubt.
Allerdings gibt es zwei Ausnahmen, in denen der EuGH die Kunstfreiheit höher bewertet als den Schutz des Urheberrechts: Erlaubt ist ein Sample, wenn der Tonschnipsel nicht wiedererkennbar ist oder "wenn die Nutzung [des gesampelten Werks] zum Ziel hat, mit diesem Werk zu interagieren", so die Richter.
"Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand" sagt der Volksmund und meint damit, dass Gerechtigkeit oft ein Zufallsprodukt ist wie das Zusammenspiel von Wind und Wellen. Der Prozessverlauf im seit 2004 andauernden Streit zwischen Kraftwerk und Moses Pelham belegt das Sprichwort anschaulich: Bislang hat jedes Gericht das Urteil der Vorgänger-Instanz gekippt und in der Sache gegensätzliches entschieden.
In dem Streit geht es um eine rund zweisekündige Rhythmussequenz aus dem Track "Metall Auf Metall" von 1977, die Pelham für Sabrina Setlurs "Nur Mir" verwendet hat. Zuletzt hob das Bundesverfassungsgericht im Mai 2016 ein Verbot des Setlur-Songs auf, das der Bundesgerichtshof 2012 verhängt hatte.
Die Tracks im Vergleich
Es handele sich um eine sehr kurze Sequenz, aus der ein neues, eigenständiges Kunstwerk entstanden sei, das Kraftwerk keinerlei wirtschaftlichen Schaden zugefügt habe. Ein Verbot würde "die Schaffung von Musikstücken einer bestimmten Stilrichtung praktisch ausschließen", urteilten die Verfassungsrichter damals.
Mit seinem gestern gefällten Urteil fordert der EuGH auch den Gesetzgeber auf, die deutsche Rechtsvorschrift, nach denen die Nutzung von Samples zur Erzeugen eines selbstständigen Werks ohne Zustimmung legal ist, dem EU-Recht anzupassen. Der konkrete Fall geht nun zurück an den BGH, der unter Berücksichtigung der europäischen Einordnung eine Entscheidung fällen muss.
Wer hat jetzt gewonnen? Kommt drauf an
Wie das ausgeht ist nach wie vor völlig offen. Denn erkennen kann man das Sample in "Nur Mir" eigentlich nur dann, wenn man schon weiß, dass es darin vorkommt. Andererseits wird kaum jemand behaupten, dass in Pelhams/Setlurs Song eine produktive Auseinandersetzung (Interaktion) mit dem Schaffen Kraftwerks stattfindet.
Auch was das Urteil für die Sampling-Kultur v.a. im Hip Hop bedeutet, lässt sich noch schwer einschätzen. Dass die Luxemburger Richter ästhetische Kriterien höher gewichten als die rein rechtlichen, stärkt im Prinzip die Freiheit der Kunst. Profitieren werden davon allerdings wohl vor allem Anwälte und Gutachter.
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