Die Umsätze mit digitalen Downloads erreichen neue Rekordhöhen, der weltweite Online-Musikmarkt wuchs im ersten Halbjahr 2006 um satte 106 Prozent. Doch die Musikindustrie wähnt sich weiterhin im Krieg mit ihren Kunden. Eine bewährte Waffe in der Propagandaschlacht ist dabei die Jagd auf Kinder!

Berlin (rai) - "Eltern haften für ihre Kinder", warnt sinngemäß eine neue Pressemitteilung aus dem Hause des Musikindustrieverbandes IFPI, einem Zusammenschluss aller großen Plattenfirmen, darunter SonyBMG, Universal, EMI und Warner Music.

"Eltern müssen sich stets darüber im Klaren sein, dass sie als Inhaber eines Internetanschlusses für Urheberrechtverletzungen ihrer Kinder haften. Und das könnte sehr teuer werden", doziert Michael Haentjes, Vorsitzender des Lobbyverbandes. Und führt sogleich genussvoll Beispiele abgeurteilter Eltern an. Sogar eine norddeutsche Grundschule geriet jüngst ins Visier der Kinderjäger.

Seit Beginn ihrer Großjagd im März dieses Jahres haben die Label-Anwälte nach eigenen Angaben 11.500 Fälle von Urheberrechtsverletzungen zur Anzeige gebracht. Hinzu kämen noch ca. 3.500 Fälle eines Verfahrens gegen eDonkey-User, das im Mai begann. 1.400 Verfahren wurden mittlerweile abgeschlossen. Die durchschnittliche Vergleichssumme beträgt 3.000 Euro, in Einzelfällen seien bis zu 15.000 Euro gezahlt worden. Grund genug, ein triumphales Siegesgeheul anzustimmen: "Niemand, der illegal anbietet, bleibt im Netz anonym, und die Rechteinhaber sind entschlossen, sich mit den verfügbaren rechtlichen Mitteln zu wehren."

Dabei boomt der legale Downloadmarkt gewaltig: 755 Millionen Euro machten die von der IFPI vertretenen Konzerne im ersten Halbjahr 2006 mit digitalen Downloads, satte 106 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Branchenexperten sehen die Ursache dieser Zuwächse allerdings weniger in der Verfolgung von Filesharern als in der zunehmenden Konkurrenzfähigkeit der legalen Angebote in punkto Auswahl und Bedienkomfort.

Doch die Vertreter der IFPI ficht das nicht an, im Gegenteil. Statt sich über die durchaus guten Nachrichten zu freuen, kündigen sie an, die Kriminalisierung ihrer Kunden weiter gnadenlos voranzutreiben. Dabei verfahren sei nach dem altbekannten Motto: "Die Kleinen fängt man, die Großen lässt man laufen". Denn während die Plattenfirmen den geringsten Rechtsverstoß des kleinen Mannes mit aller Härte verfolgen lassen, zeigen sie sich gegenüber wirklich kapitalen Urheberrechtsverletzern deutlich nachsichtiger. So baten sie etwa die erst kürzlich vom Suchmaschinen-Giganten Google übernommene Firma YouTube in aller Freundlichkeit an den Verhandlungstisch.

Die vermutlich übergroße Mehrheit der auf dem Videoportal angebotenen Musikclips steht dort ohne Einwilligung der Rechteinhaber, doch lange Zeit hielten die Major-Labels still - wohl um es sich nur nicht mit einem potentiell lukrativen Geschäftspartner zu verscherzen. Nun hat man sich angeblich geeinigt, die Details des Deals blieben jedoch geheim. Und die IFPI geht lieber wieder Kinder jagen.

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