Witch House
Was ist das? Witch House ist eine diese Genre-Bezeichnungen, über die man schon einmal gestolpert ist. Und nach dem Un-Punk-igen Dreampunk ist es auf dieser Liste der zweitgrößte Etikettenschwindel, denn ganz technisch gesehen müsste man Witch House als ein Hip Hop-Subgenre bezeichnen. Der Sound endstand in den späten 2000ern von weniger nüchternen Midwest-Gruppen und Künstlern, die überzeugt waren, Houston-Rap und DJ Screw müssten auf Shoegaze treffen. Was darauf folgte, war eine Meisterklasse des Internet-Bullshits: Blogs und Musikmedien fanden die Idee des Genres so geil, dass sie mehr darüber berichteten, als es es gab. Sogar der Name "Witch House" war eigentlich nur ein Insider-Witz, den Pitchfork falsch verstanden hat. Aber der finstere, synthetische und etwas aberwitzige Sound, diese Brutmutter aller Edginess hat sich dadurch verbreitet: Crystal Castles, oOoOO, Clams Casino, Sematary oder Ic3Peak bedienen sich der Elemente des Genres bis heute.
Wie war das Album? Es ist schwer, den "reinen Witch House" zu isolieren, weil die Anwendung des Genres so fluide und abwechslungsreich ist. Salem wird oft der Pionier-Zustand zugesprochen und ihr Debütalbum "King Night" ist ein etwas anstrengendes, aber klanglich hochinteressantes Experiment, das ihre noch wilderen Mixtapes zu einem kohärenten Sound gebracht hat. Die nicht sehr nüchternen, heruntergepitchten Whiteboy-Raps, die marodierenden Synthesizer über Houston-Bässe; es ist eine interessante Zeitkapsel, die definitiv in der Emo Trap-Soundcloud-Ära widerhallt, es klingt ein bisschen wie der archäologische Vorfahre der $uicideboy$. Wer sich aber abseits historischer Relevanz für das musikalische Potential des Witch House interessiert, dem sei "Held" von Holy Other empfohlen, das in seinem psychedelischen Horror-Vibe fast schon ein bisschen in Richtung TripHop ausschlägt.
Genre-Rating: So bekannt und einflussreich die Witch House-Bewegung auch war, rückblickend fühlt es sich eher wie einer hochgeschriebener ästhetischer Moment als wie ein kohärentes Genre an. Nach nur zwei Jahren und ein paar Tapes ist es in so viele Richtungen und Genres ausgefranst, dass eine sinnvolle Kanonisierung quasi unmöglich ist. Interessant ist es aber allemal, denn Witch House war definitiv ein notwendiger Wegbereiter der Soundcloud-Ära.
2 Kommentare
Lustig, "Trapdoor" kannte ich sogar. Kommt der nicht in irgendnem Film vor? Place Beyond The Pines? Finde ich jedenfalls sehr legga.
Kenn mich da nicht aus, aber Beaches von Blvck Ceiling ist auch wunderbar. Anbei 1998 zum reinhören.
https://www.youtube.com/watch?v=HqvD2jf18g0