Mit jungen Rappern zur Image-Verjüngung: Hat denn niemand mehr Schamgefühl?

Berlin (ynk) - Na, meine lieben Mitjugendlichen? Ich bin es, der junggebliebene Mark Forster! Gestern habe ich meinen super-spontanen Künstler-Tag wie immer damit verbracht, einen Vape zu rauchen und Fortnight zu zocken. Total Gommemode! Da sind meine total normalen, echten Homies Skrt Cobain und Ski Aggu vorbeigeschneit, auf eine von unseren total spontanen Artist-Chill-Sessions, und wir haben ein bisschen probiert. Und da ist dieser sponti no-big-deal mal eben entstandene Drill-Trap-Song bei rausgekommen. Was? Hattest du etwa diese dämliche Meinung, ich wäre ein steifer, sterbenslangweiliger Deutschpop-Industrie-Soldat?! Iwo! Ich bin super hip mit den Youngins und höre auch die ganze Zeit Chief Keef und Drizzy Drake und so, hier, ihr wisst schon. Also: Falls ihr immer noch denkt, ich wäre lame, denkt besser nochmal! ;)

Herrgott, uns bleibt auch nichts erspart. Über die Nachricht hinaus, dass Mark Forster jetzt auch Rapper sein will, waberten heute ja sogar vorsichtige Stimmen durch die Szene, das Ergebnis sei gar nicht so scheiße. Das ist, ziemlich klar, eine Sache der Perspektive: Wer einen waschechten Jake Paul-Moment erwartet hat, bekommt den Instant-Cringe nicht. Mark Forster hat sich mit zwei kompetenten Artists umgeben, versteht seine Fähigkeiten und Limitationen gut genug, und ich glaube ihm ja auch, dass er zu Hause Besseres als seine eigene Musik hört. "Schwarzer Toyota" ist also nicht scheiße. Schlimmer: Es ist so komplett nondeskript mittelmäßig, wie ein Song nur sein kann.

Gentrifizierungs-Todesreiter eines ganzen Subgenres

Das macht Forster zum Gentrifizierungs-Todesreiter eines ganzen Subgenres. Erinnert ihr euch, dass Soundcloud-Rap einmal zumindest irgendwie edgy war? Erinnert ihr euch an Chief Keef, dessen "Love Sosa" sie hier samplen? Das war einst gefährlich, eine ziemlich brutale Offenlegung von amerikanischen Realitäten, gleichzeitig aber trotzdem morbid lustig und überzeugend anti-alles. "Schwarzer Toyota" dagegen ist eine musikalische Pflichtarbeit für eine neue Forster-Image-Kampagne, die die Welt dezidiert nicht braucht.

Forsters Part ist kurz und sinnlos. Er flext damit, im "ZDF Morgenmagazin" stattzufinden, geiert auf meine Schwester und droppt mittenrein völlig wahllos den Aussagesatz "Wir wohnen in Europa, wir ernten im Oktober". Seine Versuche von Selbstironie geraten dabei so blass, dass niemand, er selbst inklusive, zu wissen scheint, ob sein Auftreten hier lustig oder ernst sein soll. Cobain liefert eine generische Hook, der man immerhin in ihrer komplett hingeschissenen Wahllosigkeit anhört, dass er nur für den Bag da ist.

Peinlich, Ski Aggu!

Peinlicher läuft es für Ski Aggu: Der zitiert auf seiner Einstiegsline "Danke, Skrt Cobain, dass du auch Newcomer supportest" den YouTube-Top-Kommentar von jedem Skrt Cobain-Video der letzten zwei Jahre und wird dann auch nicht viel besser als ein Megamix aus gereimten Copypaste-Instagram-Kommentar-Witzen. Dann schleimt er sich einen bei Mark Forster ab ("Skrt und ich sind Spieler, Sosa Forster unser Trainer"), weil Hip Hop und Deutschpop inzwischen wohl offensichtlich einfach eine Industrie sind und alle Rapper*innen nur noch nach Gelegenheiten gieren, festes Geld per Pop-Barden-Songwriter-Job zu machen. Das macht wirklich inzwischen jeder Vogel, EstA schreibt neuerdings auch für Beatrice Egli.

Alle rennen nur noch durch die Gegend und verkaufen jedes bisschen Hip Hop-Cred, das man noch auftun kann, schamlos an jede Firma und jeden Hanswurst, der ihnen Geld dafür gibt. Muss man Backpacker sein, um das hart zum Kotzen zu finden? Ich weiß, Hip Hop ist kaum noch Ideologie, und außer ein paar alten Seelen betrachtet das Genre niemand mehr als Konterkultur. Aber müssen wir das so laut ausgesprochen bekommen? Müssen zwei der größten Newcomer der Gegenwart beim langweiligsten Atzen der Popwelt lutschen, weil ihnen die Connection hilft? Hat denn niemand mehr irgendein Schamgefühl?

Vergessen wir nicht, am Ende des Tages helfen Skrt und Aggu gerade diesem Typen dabei ...

... sich ein bisschen im Glanze dieses Typs zu sonnen:

In was für einer Welt leben wir eigentlich?

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14 Kommentare mit 8 Antworten

  • Vor 2 Monaten

    Unglaublich wohin sich "Rap" vor allem in Deutschland entwickelt hat.Kannste als Erwachsener doch echt nicht mehr hören

  • Vor 2 Monaten

    Es wär ja irgendwo zumindest noch harmlos, wenn Mark Forster sich nicht parallel so deutlich bei den gleichen Leuten inspirieren lassen würde (vgl. Cola in den Petrus von Mark F. vs. Uber X von Levin Liam), an deren Fans er sich anzubiedern versucht. In dem Kontext hört sich die „Du fährst im Uber X, ich zur Arena in Hannover“ Line ja auch fast wie der kläglich gescheiterte Versuch eines Disses an haha

  • Vor 2 Monaten

    "Mark Forster hat sich mit zwei kompetenten Artists umgeben"

    Die beiden Clowns nennt man mittlerweile kompetent? Deutschrap lösch dich endlich. :)

  • Vor 2 Monaten

    Yannik... ich werde mir jedes von dir empfohlene K-Pop-Album in die Gehörgänge prügeln wenn du solche Sachen wie den ersten Absatz bitte nicht mehr machst. Das war schon... wild.

  • Vor 2 Monaten

    Ich hab kurz in diesen Kernschrott reingeskipped und das ist ja tatsächlich von Keef geripped.
    Und dann schau ich mir aus Nostalgie mal wieder das "Love Sosa" Video an und es gibt einfach drunter einfach diesen Kommentar:
    "@Friedhelm344
    vor 3 Tagen (bearbeitet)
    Achtung
    Diese Kommentarsektion ist Eigentum von Mark Forster"

    :ill:

  • Vor 2 Monaten

    "Mark Forster hat sich mit zwei kompetenten Artists umgeben" :lol:

    Das sind so ziemlich die beiden einzigen Artists, die man überhaupt finden konnte, die noch uncooler sind als Forster :D

    Bei jedem anderen Autor wäre klar, dass das nicht ernst gemeint ist aber ich habe selbst nach längerem Überlegen absolut keinen Plan, ob Yannik das so meint oder nicht.
    Unter anderem deswegen kann man imo nur Bewunderung für ihn übrig haben. Yannik, du bist echt gut in dem was du machst!