laut.de-Kritik

Tony Allen erteilt den Ritterschlag.

Review von

Nubiyan Twist fabrizieren edlen Jazz und beschränken sich bei weitem nicht aufs Instrumentale. Das könnten sie zwar, denn die rein instrumentalen Passagen auf "Jungle Run", etwa in "Addis To London feat. Mulatu Astatke", fahren bereits ausreichend Unterhaltung auf. Benannt hat sich die Band aber nach einer Sängerin: Nubiya Brandon.

Diese ist stets mit auf Tour, im Studio lose vernetzt und ihre markante, dunkle Stimme ist auf vier Tracks der Platte zu hören. Ihre Person ist somit konstituierend für die Band, wie sie auch den kompletten Bruch bedeutet: Songs mit Nubiya verkörpern die Sounds von heute. Songs ohne sie knüpfen nahtlos an den Afrosound der 70er an.

Das dröhnende "Permission feat. Nubiya Brandon" stößt Rap-Spezialisten erst mal auf die Frage: Ist da etwa Akua Naru am Werke? Nein, wobei es Parallelen gibt: Die Idee, Rap zum Jazz zurückzuführen und Egoismus zu brandmarken, stimmt mit Akua Narus Jazz-Poetry überein. Dennoch braust hier aggressiver Jazz/Funk entlang chromatischer Tonleitern auf- und ab.

Jazz und Funk symbolisierten einst Widerstand und Befreiung. Dass Jazz heute etwas fürs Bildungsbürgertum ist, und Funk oft nur als Versatzstück im Pop auftaucht, lässt diese Wurzeln verblassen. Nubiyan Twist rütteln aber wieder wach: In solcher Offbeat-Musik steckt verdammt viel Feuer, Sturm und Drang.

"Ghosts feat. Nick Richards" transportiert dieses Feeling mittels Afrostyle-Percussion und ein paar Scratchings in der letzten Minute des 7:20-Opus. Den Jazz überlässt das Kollektiv hier nicht nur dem klassischen Set-Up aus Bass, Schlagzeug, Piano und Saxophon. "They Talk feat. K. O. G." kreuzt Bläsersätze aus dem äthiopischen Jazz mit Rap-Einlagen und Klagegesängen lateinamerikanischer Musiktradition.

Ganz neu ist dieses Surrogat nicht, gab es doch Ende der 80er, Anfang der 90er eine Acid-Jazz-Szene in London und Bristol. Diese orientierte sich damals aber am aufkommenden Techno statt an Fela Kuti oder Mulatu Astatke.

Tatsächlich ist nicht nur der 75-jährige Star-Vibraphonist und -Klarinettist aus Äthiopien auf diesem Album zu Gast: Auch Tony Allen aus Nigeria, der Brian Eno zufolge "vielleicht größte Schlagzeuger" aller Zeiten wirkte mit. Er übernimmt in "Ghosts feat. Nick Richards" die treibenden Percussions - der Ritterschlag des 78-Jährigen für die relative Newcomer-Truppe.

Auf "Jungle Run" kommen das Tempo von Jungle Music und die Exotik des Bossa Nova (gar mit portugiesischen Vocals in "Borders feat. Pilo Adami") zusammen. In dieser Geschwindigkeit verfliegen die 55 Minuten des Albums ziemlich schnell. Die verklärte Atmosphäre prallt dabei in einigen Songs auf stark strukturierte Songmuster - obwohl die Musik ja eigentlich aus der Tradition der Improvisation stammt.

Wen bei Jazz das Ziellose schon immer störte und bei Afrobeat die überzogen stoische Haltung: Nubiyan Twist schaffen Ordnung im Ohr. Dabei wirkt die CD wirkt wie der Mitschnitt seiner Session und nicht wie ein steriler Tonträger. Ihr Gespür für Timing rammt die Truppe bei "Basa Basa feat. K. O. G." in die Erde: Traditionelle, afrikanische Musik wird immer noch von Hand gemacht, auch wenn sie von urbanen Digital Beats in der Wahrnehmung junger Afrikaner längst überlagert wird. Von diesem Album von dürfte in ein paar Jahren noch zu hören sein. Dann wird es heißen: Die Europäer Nubiyan Twist haben der west- und ostafrikanischen Musik neues Leben eingehaucht.

Trackliste

  1. 1. Tell It to Me Slowly feat. Nick Richards
  2. 2. Jungle Run feat. Nubiya Brandon
  3. 3. Basa Basa feat. K.O.G.
  4. 4. Brother feat. Nubiya Brandon
  5. 5. Addis To London feat. Mulatu Astatke
  6. 6. Borders feat. Pilo Adami
  7. 7. Permission feat. Nubiya Brandon
  8. 8. Ghosts feat. Nick Richards
  9. 9. They Talk feat. K.O.G.
  10. 10. Sugar Cane feat. Nubiya Brandon

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