laut.de-Biographie
Oscar Peterson
Jazzlegenden haben ihre ganz eigene Aura um sich. Wenn man dies historisch zurückverfolgen will, werden einem erst einmal ein paar Dutzend Damen und Herren unisono als Legenden vorgestellt. Die haben alle den Swing, den Soul und den Blues und werden sicher von irgendjemandem als der beste Spieler oder die beste Spielerin aller Zeiten betitelt. Da kann man schon einmal den Überblick verlieren. Also, deswegen mit Service-Leistung im Hinterkopf die Abkürzungs-Frage: Welche Art von Legende ist dieser Oscar Peterson, mit dem wir hier zu tun haben, denn genau?
Oscar Peterson kommt 1925 in Montreal Kanada zur Welt, gehört zur Hard Bop/Cool Jazz-Generation, spielt erst in Duos mit Leuten wie Count Basie oder Herbie Hancock, bevor er sich als Leader von Trios zu seinen größten Erfolgen aufschwingt, insbesondere als Oscar Peterson Trio, das in seiner bekanntesten Inkarnation entweder Ray Brown (Bass) und Herb Ellis (Drums) oder Ray Brown (immer noch Bass) und Ed Thighpen (Drums) einschließt. Er gehört zu den kommerziell erfolgreichsten Jazz-Artists aller Zeiten, hat acht Grammys und unzählige Musikförderungen gewonnen. Und, ach ja: Er spielt das Klavier.
Letzterer Satz ist aber wahrscheinlich die große Sache hier. Mit "er spielt das Klavier" ist "er spielt das Klavier" gemeint. Starke Betonung. Denn Peterson ist weniger einer der großen Visionäre oder Revoluzzer des Jazz', als dass er immer ein freundlicher, witzboldiger Onkel war. Dieser große, große Mann mit den großen, großen Händen, der die Keys zerlegen konnte wie kaum ein Zweiter. Schon in der Schulcafeteria, so besagt es die Legende, hat er nonstop auf dem Klavier gewütet, weil er wusste, dass er so die Mädchen beeindrucken kann. Sein Vater, ein Eisenbahnarbeiter mit Faible für Amateurmusik, sieht das Talent schon von einem Punkt, an dem er am Tisch mit dem Besteck groovt und packt ihn in eine Familienband, die lokale Kirchen abtourt. An einem Punkt flirtet er gar mit der Trompete, dies soll aber kein gutes Ende nehmen.
Eine Tuberkulose-Welle tötet seinen Bruder und macht, dass Ärzte ihm die Blasinstrumente verbieten. Deprimiert geht er zurück zur Schule. Dort hält er sein striktes Regiment von vier bis sechs Stunden Üben jeden Tag aufrecht, aber er wird nicht die Klassik-Offenbarung, für die sein erster Lehrer ihn hält. Stattdessen formiert er eine Jazz-Gruppe, spielt lokale Talentwettbewerbe und wird bereits mit siebzehn ein lokaler Star. Wegbereiter dieser Zeit sagen, er hätte damals schon seine legendäre Technik und den Anschlag gehabt, den er später verfeinert.
Um die Frage zu beantworten: Oscar Peterson ist von relativ wenig Mythos umweht. Seine ganze Geschichte beginnt und endet damit, dass er wirklich so gut ist. Über die kommenden Jahrzehnte geht er auf Tour, bildet sein Trio und spielt und recordet ohne Rücksicht auf Verluste. Musik ist - ohne das Klischee zu bedienen - sein Leben, wahrscheinlich sogar mehr als das. Es beginnt mit unzähligen Alben im Stil von anderen Leuten oder Cover-Sammlungen, die durch den Starkult um Petersons leichtes, graziles aber dennoch hochkomplexes Spiel entsteht. Irgendwann hört das ein gewisser Norman Granz im Radio und fragt danach, wer das ist. Er soll wird der Produzent für seine berühmtesten Aufnahmen.
Dazu zählen Projekte wie "Pastel Moods", "We Get Requests" und das unglaubliche "Night Train", oder seine Kollaborationen mit Ben Webster, Stan Getz und Ella Fitzgerald. Die Liste seiner Alben vollumfänglich aufzulisten oder zu sortieren wirkt dabei wie eine herkulische Aufgabe: Angeblich nähert sich die Gesamtzahl seiner Recordings und Live-Aufnahmen dem vierstelligen Bereich. Dabei gibt es einen Satz Kernaufnahmen, die er als Leader vollführt und einem sehr klar Peterson-esken Stil folgen und ein paar Kollaborationen, die sich experimenteller gestalten. Milt Jackson oder Ben Webster gehören dazu. Interessant ist auch eine seiner seltenen Solo-Aufnahmen "Exclusively For My Friends", wo er der Klavier-Konkurrenz Bill Evans und McCoy Tyner 'Antworten' auf ihre Musik schickt. Man könnte es mit einer Fantasie eine Jazz-Disstrack-Platte nennen.
Auch das ist Oscar Peterson: Ein sanfter, liebevoller Platzhirsch, ein friedlicher Riese am Klavier, der wusste, das er einer der Besten ist und immer so gespielt hat, als wäre er in diesem Wissen unerschütterlich. Wie auch nicht, wenn man so spielt? Er ist fest verwoben in die Tradition des Bops, man hört den Blues und Ragtime immer wieder deutlich heraus, eben, weil er kein Visionär ist, sondern die Speerspitze des Cool Jazz-Handwerks. 2007 stirbt er an Nierenversagen, nachdem seit den Achtzigern schon immer wieder Herzinfarkte und andere Gesundheitsleiden sein Leben beeinträchtigen. Aber wie er schon früher gesagt hat, als Familie und Freunde sich ein bisschen mehr Platz in seinem Leben erringen wollten: Die Musik werden sie dann für immer haben. Und mit der Größe seines Katalogs dürfte zumindest niemand das Gefühl haben, dass er in seinem Genie jemals beschnitten oder beengt worden wäre.
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