laut.de-Kritik

Teils Ragga, teils Hip Hop, und mindestens so englisch wie After Eight.

Review von

Ich hätte es vor Jahren schon wissen können. Als Ty sein auch nach Jahren permanenten Rauf- und Runterspielens noch immer großartiges "Awkward" auf den Markt brachte, damals hätte ich es ahnen müssen: Big Dada hat das Zeug zum Lieblingslabel. Häufig als Ninja Tunes' Hip Hop-Ableger abgetan, bieten Big Dada-Releases viel mehr als "nur" Kopfnickermusik - oft sogar weit mehr, als der eingefleischte Head verkraftet.

Selbiges gilt im Fall Part 2 wieder einmal. Wer sich hierauf einlässt, der bringe bitte neben der Liebe zu den Reimen und den Beats Toleranz, wenn nicht gar Begeisterung, für Dub und Dancehall, Drum'n'Bass und elektronische Spielereien mit zur Hörprobe, dann steht ausgiebigem Vergnügen nichts im Wege. All das steckt drin, in "Live From The Breadline". Das Resultat tönt unüberhörbar ... britisch!

Wir haben es mit dem Album eines Produzenten zu tun, dessen Dienste bereits von Saul Williams, Roots Manuva, Serge Gainsbourg, Killah Priest und dem nicht oft genug gelobten Ty in Anspruch genommen wurden; es verwundert also nicht weiter, dass die Beats die besondere Atmosphäre von "Live From The Breadline" ausmachen. Teils Ragga, teils Hip Hop, gelegentlich näher an Drum'n'Bass denn an allem anderen, verbindet sie ihre Machart: Die Produktion bleibt schlank bis minimalistisch und hinterlässt einen überaus aufgeräumten Eindruck.

Part 2 schmückt relativ simple Rhythmen mit elektronischem Beiwerk, verzichtet dabei aber konsequent auf Schnörkel und Schnickschnack. Nörgler mögen ihm ankreiden, dies ginge zu Lasten der Wuchtigkeit seiner Tracks - und sie haben recht damit. "Live From The Breadline" muss den Hörer nicht plätten: Der findet zwischen Bass, Effekten und Stimme immer noch reichlich Platz für sich.

Womit wir bei den Vocals angelangt wären, einem Feld, das kaum Ansatzpunkte für Meckereien bietet. Meist unter Mithilfe von Wayne "Lotek" Bennett abgemischt, behaupten sich die Stimmen problemlos gegenüber den Instrumentals; an keiner Stelle entsteht der Eindruck, ein Sänger oder MC müsse gegen die Musik anschreien, um Gehör zu finden. Sandra Melody, die nahezu in jedem zweiten Track zum Zuge kommt, darf bedenkenlos zwischen Tanya Stephens und Cécile in die erste Liga der Dancehall-Vokalistinnen einsortiert werden. Vom eröffnenden "Will It Ever" bis zum Bonus-Bonbon "Inna Crisis" zeigt sie eine durchgehend starke Leistung und beeindruckt mit leicht näselndem Gesang, den sie solo oder gemeinsam mit verschiedenen Partnern serviert.

Besonders gut zur Geltung kommt sie als Gegenpart zu Loteks Rap in "Mad Fazes", das abgesehen von dem durchaus reizvollen Kontrast der beiden Stimmen allerdings ausgesprochen schwer in die Gänge kommt, oder in "Sow Seeds" im Zusammenspiel mit Toastie Taylor, der stimmlich doch tatsächlich an Gentleman erinnert. Mit "Rose Tinted Glasses" erhalten wir auch noch gleich ein astreines Dubreggae-Stück, wunderbar. Wenig überzeugend in meinen Ohren (neben dem bereits erwähnten recht schwerfälligen "Mad Fazes") einzig LSK, und der auch nur in "Hard Times", das insgesamt etwas schwachbrüstig anmutet.

Fallacy verlangt (man möchte ihm uneingeschränkt zustimmen) nach "One Of Dem Days", an denen zur Abwechslung mal alles ok ist. Wer britischem Hip Hop ausreichend viel abgewinnen kann (die Herkunft von den Inseln schallt aus jeder Zeile) und beispielsweise einem Dizzee Rascal gerne zugehört hat, sollte hier keine Probleme haben. Begleitet von vollen Bässen, einem hektischen Beat und im insgesamt doch eher jungle-lastigen Rahmen von "Get Square" macht Fallacy ebenfalls eine gute Figur. Er reimt zwar nicht annähernd so vertrackt wie der Junge in der Ecke, die beiden lassen allerdings durchaus Parallelen im Style erkennen. Die Raps von Juice Aleem wirken ebenfalls mindestens so englisch wie After Eight. Wessen Tasse Tee das nicht ist, fühle sich hiermit gewarnt, alle anderen zumindest zum Reinhorchen aufgefordert. Ich bereue es nicht. Wie gesagt: Lieblingslabel Big Dada.

Trackliste

  1. 1. Will It Ever
  2. 2. One Of Dem Days
  3. 3. Stay Real
  4. 4. Rose Tinted Glasses
  5. 5. Chasin'
  6. 6. Hard Times
  7. 7. Sow Seeds
  8. 8. Lift Off
  9. 9. How It Feels
  10. 10. Get Square
  11. 11. Give Them A Piece
  12. 12. Kids
  13. 13. Take Ur Time
  14. 14. Mad Fazes
  15. 15. Inna Crisis

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