laut.de-Kritik
Klassische Zupfballaden und mitreißende Indie-Hymnen.
Review von Simon LangemannDeutschsprachige Singer/Songwriter bescherten dem Genre zuletzt eine Handvoll Highlights und reichlich Durchschnittliches. Dementsprechend vorsichtig, durchaus aber mit gesteigerter Erwartungshaltung wagt man sich an Patrick Richardts Erstlingswerk "So, Wie Nach Kriegen". Dass das Grand Hotel van Cleef, seit mittlerweile zehn Jahren als Independent-Qualitätsinstanz bekannt, nun den Krefelder beherbergt, wird schließlich schon seine Gründe haben.
Tatsächlich hat der junge Mann, "der aussieht wie ein Mischung aus River Phoenix und einem isländischen Fischerkutter-Matrosen" (Thees Uhlmann im Pressetext), mit seinem Songmaterial eine überzeugende Antwort parat. Klassische Zupfballaden ("Eisblock") und mitreißende Indie-Hymnen ("Wir Segeln") geben sich die Klinke in die Hand. Immer wieder zaubert der Songwriter begeisternde Melodien aus dem Hut, etwa bei der erbauenden Single "Adé, Adé", die sich bereits im Vorfeld als Instant-Ohrwurm entpuppte.
Auf weder allzu kryptische noch pathetische, sondern angenehm zugängliche Art und Weise sinniert Patrick Richardt über Zwischenmenschlichkeiten, Alltägliches und den Lauf des Lebens. Den wohlklingenden Albumtitel erklärt er in der quasi gleichnamigen Akustiknummer: "Vieles wächst aus sich raus, wenn es am Boden war. So, wie nach Kriegen."
Stets im Mittelpunkt steht der seufzende Gesang des Rheinländers, der nach Angaben seines Labels "Knyphausen & Ton Steine Scherben & Bob Dylan & Bright Eyes in- und auswendig kennt", seine musikalischen Vorbilder aber glücklicherweise nicht zu reproduzieren versucht hat.
Zumindest Gisbert lässt sich als Haupteinfluss allerdings kaum leugnen. Allzu deutlich klingt Patrick Richardt etwa in "Morgenlicht" wie der unschuldige, unverbrauchte kleine Bruder des erfolgreichen Rheingauers. "Planet" erinnert hingegen nicht nur aufgrund seiner fast originalgetreu zitierten Refrainzeile ("Mein Herz ist schwer, wie ein Planet") an Tomte. Am positiven Höreindruck ändern gelegentliche Referenzen aber wenig.
Große Experimente sollte sich von "So, Wie Nach Kriegen" sowieso niemand versprechen. Das Hauptaugenmerk liegt viel mehr auf dem unmissverständlichen Transport des Liedguts: Vom ersten Atemzug bis zum finalen, jazzigen Septakkord ("(La-La-La) Land") versprüht das Debüt einen schlichten Demo-Charme.
"Das Grand Hotel hat hier vielleicht seinen größten Signing-Coup gelandet", lehnt sich die Intro aus dem Fenster. Das Potenzial, sich in langfristig in der Szene zu etablieren, kann man Patrick Richardt jedenfalls schwer absprechen.
3 Kommentare
Kurz ins erste Lied reingehört. Aber genau diese affektierte Art zu singen ist es auch, was mich vor Herrn Knyphausen zurückschrecken lässt.
Für meine Ohren leben Singer/Songwriter von ihrer Authentizität, und in genau diesem Aspekt scheitert Herr Richardt kläglich. Der Mann klingt einfach aufgesetzt. Dazu gesellt sich zwar handwerklich solides, aber recht belanglose-uninspiriertes 4-Akkorde-Geschrammel. Wie der Rezensent in der Einleitung schreibt: reichlich durchschnittlich...
Die stimmliche Reinkarnation des Rio Reiser! großartig.