22. Dezember 2014

"Ich stand kurz vor dem Medizinstudium"

Interview geführt von

Die fünf Musiker des YouTube-Phänomens plauderten in Berlin entspannt über hunderte von Millionen Klicks auf Youtube und den Umgang mit dem Erfolg, der eigentlich über Nacht kam.

Blitzbesuch in Deutschland. Im Berliner Künstlerdomizil Soho Hotel nahe des Alexanderplatzes treffe ich aufs junge A-cappella- und Video-Phänomen. Der Presse gegenüber zeigen sich Pentatonix gleichermaßen höflich und freundlich, wie smart und professionell. Die fünf Musiker haben dicht gedrängte Tagesprogramme hinter sich, doch von Ermüdung oder Überdruss ob all der Interviewtermine ist nichts zu spüren. Ganz im Gegenteil. Relaxt und entspannt sitzen Mitch Grassi, Scott Hoying, Avriel Kaplan, Kevin James Olusela und Kirstie Maldonado in einer Sofaecke.

Ihr habt viele Deutschland-Termine auf dem Zettel. Wie gehts euch inmitten des ganzenTrubels?

Mitch: Grundsätzlich gut, es passieren ja nur positive Dinge. Morgen geht es wieder zurück nach New York, darüber freuen wir uns aber auch. Nach so vielen vollgepackten Tagen freut man sich halt wieder auf Zuhause. (lacht)

Eure Karriere begann mit dem Gewinn eines Talentwettbewerbs. Doch wie seid ihr überhaupt zusammengekommen, bevor ihr euch als Band dort vorgestellt habt? Kanntet ihr euch schon vorher?

Scott: Zum Teil, unter anderem haben wir uns auch über YouTube kennengelernt.

Kirstie: Scott kenne ich beispielsweise schon mein ganzes Leben lang. Dann gabs natürlich gemeinsame College-Verbindungen, die das Ganze letztendlich sehr einfach machten.

Warum habt ihr Euch fürs gemeinsame Musikmachen ausgerechnet fürs A-capella-Genre entschieden?

Mitch: Uns war früh klar, dass wir zusammen Musik machen wollten, nur in welche Richtung genau, da waren wir uns ganz am Anfang noch nicht so sicher. Zwar hatten wir bereits unterschiedliche, ganz persönliche Erfahrungen im A-cappella-Bereich, der gefiel uns sowieso, ebenso wie Chormusik. Und so war es am Ende eigentlich keine so schwere Entscheidung.

Kevin: A-cappella ist für mich zunächst ein ganz besonderer, organischer Sound. Vor allem: Man kommt völlig ohne Hilfmittel aus! Alles, was du brauchst, findest du in der deiner Stimme. Und im gemeinsamen Arbeiten, dem Feilen am gemeinsamen Sound.

Das Besondere bei Euch ist ja der weibliche Gesangspart - eben weil sich die meisten Bands des Genres ausschließlich aus Männern zusammensetzen.

Avriel: Ja. Kirstie ist vielleicht wirklich der entscheidende Punkt für uns! Sie bringt durch ihre Parts immer eine besondere Note mit ein, die Songstruktur wirkt dadurch viel aufregender und spannender, als würden ausschließlich wir Jungs da herangehen. Gleichzeitig eröffnet uns das die Möglichkeit hin zu mehr Vielfalt, mehr Abwechslung innerhalb der Arrangements. Mit einer weiblichen Stimme klingt alles eben viel runder und auch gehaltvoller. Ebenso profitiert Kirstie dann natürlich auch von uns.

"Die Wise Guys machen das auch richtig gut"

Überwiegend handelt es sich bei euren Songs ja um Coverversionen. Wie schauts mit eigenen Tracks aus?

Mitch: Daran arbeiten wir! Nächstes Jahr soll ein neues Studioalbum mit in erster Linie eigenne Tracks kommen.

Euer Erfolg quasi aus dem Stand heraus erscheint fast unglaublich. Ihr habt über 800 Millionen Visits bei den Videos. Wie fühlt sich das an, so erfolgreich zu sein?

Scott: Man fühlt sich natürlich großartig, wenn man sieht, was sich da für ein Erfolg einstellt. Gerade, weil man mit solchen Größenordnungen wirklich nie gerechnet hat. Es war schon so unfassbarschwindelerregend, als 100 Millionen Klicks erreicht waren. Aber wir arbeiten auch dafür, und wir arbeiten wirklich hart. Die ganzen letzten Jahre, nachdem das alles so positiv losging, haben wir uns eigentlich ausschließlich nur auf unsere Musik konzentriert. Grundsätzlich lautet die schlichte Antwort auf diese Frage: Wir sind einfach nur glücklich. Wahnsinnig glücklich darüber, was wir da für einen Zuspruch erfahren! Und: Es fühlt sich gut an!

Gibt es Musiker, deren Musik euch besonders beinflusst hat, und vielleicht sogar Vorbilder sind?

Kevin: Also, schon immer lasse ich mich viel von Musik im Allgemeinen inspirieren. Doch ich hätte nun wirklich nie gedacht, dass ich einmal als Musiker arbeite. Meine beruflichen Pläne waren eigentlich ganz andere. Bevor das richtig mit uns losging, stand ich kurz vor einem Medizinstudium.

Kirstie: Ich liebe Künstler wie Yo-Yo Ma. Oder Jacqueline Mary du Pré, sie spielt ein wunderbares Cello, und wie sie es spielt, ist einfach nur Emotionalität pur. Und natürlich Stevie Wonder. Er ist ein großartiger, purer Musiker. Ich liebe ihn.

Mitch: Ich bin ein großer Fan von Beyoncé. Und Imogen Heap.

Kennt ihr irgendwelche aktuellen deutschen Musiker und Bands? Zum Beispiel haben wir, was das Genre angeht, die Wise Guys zu bieten ...

Avriel: ... ja, stimmt! Die haben wir sogar auch mal kennengelernt. Die machen das richtig gut!

"Wir gehen demokratisch miteinander um"

Ihr seid das erste Mal in Deutschland?

Mitch: Wir hatten vorab schon mal eine kleine, allgemeine Europa-Promotion-Tour. Wir werden hier grundsätzlich positiv aufgenommen, und natürlich gibts Unterschiede unter den jeweiligen Ländern, in denen wir uns vorstellen. In Deutschland scheint mir das Publikum sehr aufmerksam, und diese Aufmerksamkeit gilt in erster Linie der Musik. Wir als Band stehen da nicht so explizit im Vordergrund.

Es gibt ja immer so etwas wie persönliche Karrierewünsche. Stand da, spätestens nach dem Sieg bei 'The Sing-Off', die Unterzeichnung eines großen Plattenvertrags ganz oben?

Scott: Natürlich erhofft man sich so etwas immer, aber zunächst war für uns Anderes wichtiger. Wir wollten eine Basis, wir wollten keine Eintagsfliege sein, zuerst einmal wollten wir uns selbst beweisen. Wir waren uns nicht sicher, ob wir tatsächlich genügend Potential besitzen, um Leute überhaupt zu begeistern, und vor allem, dann über einen langen Zeitraum.

Kirstie: Genau! Und ich mag noch immer unsere ersten EPs, bei denen wir noch an unserem eigentlichen Sound feilten. Auf die bin ich noch immer sehr stolz. Und freue mich natürlich, nun bei RCA zu sein. Es gibt einen guten Plan für die Zusammenarbeit, es ist natürlich komfortabel, doch wir achten immer darauf, das Entscheidende selbst zu verantworten.

Wenn man euren Liedern zuhört, scheint es oft genug fast unglaublich, dass all diese Sounds lediglich mit Stimmen gemacht werden. Ist das wirklich alles 'echt', und es werden in der Nachbearbeitung keinerlei Instrumente hinzugemischt?

(unisono) Das sind nur unsere Stimmen! Keine Instrumente!

Ihr arbeitet zu fünft. Gibt es bei euch so etwas wie einen Boss, was z. B. Songauswahl und Arrangements angeht, oder entscheidet ihr demokratisch?

Kirstie: Demokratisch ist das richtige Wort! Auch, wenn es manchmal nicht immer leicht ist: Wir versuchen immer, gemeinsam zu entscheiden. Jeder ist gleichberechtigt, jeder bringt seine Ansichten und Ideen mit ein.

Weihnachten steht bevor. Ihr steht beruflich so eng beieinander - feiert ihr womöglich auch zusammen?

Mitch: Nein!

Scott: Da haben wir dann auch mal Urlaub voneinander!

Kirstie: Das Ganze machen wir sehr altmodisch, ganz konventionell. Jeder von uns verbringt die Festtage im Kreis seiner eigenen Familie.

Zum Schluss habe ich eine Bitte. Ich habe noch nie so richtig, in echt und live, A cappella-Gesang gehört. Mögt ihr für mich eine kleine Kostprobe geben?

Sofortige Zustimmung bei der Band - die fünf gehen in Position. Mitch startet mit einem Intro, in das nach und nach alle einstimmen. Nach rund einer Minute weiß ich: Pentatonix könnens. Und wie!

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