laut.de-Kritik
Wer ein völlig unpeinliches Saxophonsolo in der Single platziert, kann nur gewinnen!
Review von Sebastian FuchsAm Anfang steht die schöne Geschichte des Titelsongs: Peter von Poehl, Sohn eines Schweden und einer Deutschen, kommt 1998 nach Frankreich, um dort Musik zu machen. Nach Arrangements, die ihn unter anderem mit Michel Houellebecq in einem Studio zusammen brachte, wandte sich von Poehl irgendwann alleine der ruhigeren Seite der Musik zu und nahm eigene Stücke auf.
"Going To Where The Tea Trees Are" wurde auf Radio Nova Paris gespielt und ließ eine begeisterte, entrückte Hörerschaft zurück, die den Sender mit Anrufen bombardierte, um mehr über den Menschen hinter dem Lied zu erfahren. Sein Debütalbum trägt den Namen der Single, die ihn bekannt gemacht hat.
Es ist ein traumwandlerischer, simpler Song, mit einem trockenen, langsamen Elektrobeat, wie man ihn manchmal bei Air hören kann, dazu Klavier, kleine Synthieflächen und von Poehls einprägsame Stimme, die um das gleiche musikalische Thema kreist. Dass hier sogar ein ganz und gar hervorragendes Saxophonsolo geht, was nun wirklich sehr parisienne klingt und dem Hypnotischen eine verruchte Note verpasst, kein Wunder, dass die französische Adoleszenz aus dem Häusschen war!
Verträumt geht es weiter. Ob, wie bei "Tooth Fairy" sich zwei akustische Gitarren sanft umschmeicheln und kleine "uhuhu" Chöre, ja fast schon Choräle, die Stimmung erheben, oder sich in "Travellers" leise Geigen einschleichen, von Poehl ins Falsett fällt: nie wird es zu großspurig, immer bleibt es bescheidener, intimer Folk, der jedoch nie ins Seichte abdriftet.
Markantes Merkmal sind die Bläser, die das Album abheben, es veredeln, es saftig und ein bisschen geheimnisvoll und nach Märchenwald klingen lassen. Und von Poehl fährt Einiges auf: Flöte, Klarinette und Tuba heben Dich hoch und spielen mit Dir. Gospelchöre verkünden die Liebe ("Virgin Mountains").
Es pluckert, klimpert und shuffelt in "Broken Skeleton Key", einem charmanter Midtempo-Träumer, wird psychedelisch bei "Global Conspiracy", die Tuba dröhnt, die Bläser saugen sich fest und die Gitarre wird zerhackstückelt, der Bass pumpt, Trommelwirbel künden von Veränderung. Hier passiert so Einiges in einem Song und doch trägt die zarte Stimme eine nicht verwechselbare Note bei, die alles sehr sachte beieinander hält.
"Scorpion Grass" ist so voll gesogen von dieser saftigen, süffigen Blasmusik, dass man die Arme am liebsten ganz weit ausstrecken würde, um alles von ihr aufzunehmen. "If you won the lottery, what would you expect? What if you had all you ever wanted?", fragt von Poehl in "the lottery" beunruhigt und lässt dazu Trommeln und Gitarre sprechen, und Ryan Adams kommt einem in den Sinn.
"Little Creatures", der Soundtrack zum Artenschutz führt einen wieder zurück in den entrückten, saftigen Märchenwald, wo die Jagdhörner sprechen und die Stimme sich im Orbit zu verlieren scheint. Trommelwirbel kündigen in "The bell tolls five" den opulenten Schlussakt an, im Kopf sieht man mächtige Landschaften vorüberziehen, eine kleine Symphonie staut sich hier an und lässt mit aller Kraft und Erhabenheit die Glocken klingen.
Peter von Poehl ist, teilweise in Home Recording in Berlin, ein außergewöhnliches Debütalbum gelungen, das mehr an die Weite und unberührte Natur seines Heimatlandes Schweden erinnert, als an urbane Gefilde. So wie beeindruckende Bilder der Natur oft sind, sind auch die Lieder dieser Platte: Sie stimmen weder fröhlich, noch traurig. Sondern sie sind einfach erhaben.
Noch keine Kommentare