laut.de-Kritik
Mehr Mut zum Unkonventionellen, bitte!
Review von Toni HennigPhilipp Poisel besang vor vier Jahren auf "Mein Amerika" die amerikanische Freiheit. Nun besinnt sich der 38-Jährige wieder mehr auf die inneren Angelegenheiten.
Den Beginn macht eine Ode an die unschuldige Liebe: "Alles An Dir Glänzt". Lyrisch vermittelt der in Ludwigsburg geborene Sänger und Musiker dabei eine tendenziell unaufgeregte Leichtigkeit: "Durch Regen und Schnee / Und das finstere Tal / Will ich dich tragen / Ohne die Fragen des Lebens zu stellen". Musikalisch entführt die Nummer mit präzisen Drums, leicht postpunkiger Gitarre und neonfarbenen Keyboard-Tönen in weitläufige 80er-Sphären. Leider bleibt der Song auch der einzige Ausflug in die 80er.
Schon das folgende "Alt Und Grau" lebt von viel Klavier und Streichern, die Vocals bewegen sich hart an der Grenze zum Pathos. Inhaltlich zeigt sich Poisel aber genauso zurückhaltend, wenn er über eine späte Liebe sinniert, mit der er sich ein "ganz" normales "Leben" ausmalt. Die große Geste hat er bei dem Thema nicht nötig.
Über das, was kommen könnte, singt er auch in "Was Von Uns Bleibt". Nur schlägt der Ludwigsburger nun ungewohnt politische Töne an und wirft zu soulig entspannten Klängen mit ruhiger Stimme zentrale Fragen nach den Konsequenzen des Klimawandels auf, ohne mit dem erhobenen Zeigefinger zu wedeln: "Sag mir, was von uns bleibt, was von uns bleibt / Wenn kein Eis mehr auf den Meeren treibt".
Entspannt geht es in "Wunder" weiter. Jedoch wagt sich der Enddreißiger etwas mehr aus seiner musikalischen Komfortzone heraus:: Machinell anmutende Schlagzeugbeats ziehen sich im Krautrock-Stil durch den Song.
Danach denkt Poisel oft über das Vergangene nach und gibt sich dabei den zärtlichen Gefühlen genauso hin, wie er seiner Trauer freien Lauf lässt oder sich gar in "Das Glück Der Anderen Leute" im eigenen "Jammertal" suhlt. Jedenfalls übertreibt er es dann an einigen Stellen mit dem Herzschmerz, was angesichts der bescheidenen textlichen Ambitionen zu Beginn des Albums etwas schade ist. Doch das wäre nicht allzu tragisch, hätte zumindest die Musik etwas Spannendes zu bieten. Doch Abwechslung bleibt eher die Ausnahme denn die Regel.
Immerhin kehrt der Musiker in "Benzin" zur Weitläufigkeit von "Alles An Dir Glänzt" zurück, gibt sich aber gesanglich deutlich spröder und störrischer, wenn er sich zu rockig schweren Klängen toxischen Beziehungsverhältnissen zuwendet. Auch "Wie Viele Sommer" hebt sich noch positiv vom restlichen Material ab, die Nummer findet in einem stürmischen Ausbruch ihren Höhepunkt.
Ansonsten hinterlassen die harmlosen Gitarren- und Keyboardsounds, die gerne musikalische Tiefe vorgaukeln, wo keine ist, die öde Schlagzeugrhythmik, der immergleiche Piano- und Streicherschmonz in den Herzschmerz-Nummern sowie die nasal nuschelige Stimme Poisels einen zu langweiligen Eindruck. Auch das vergleichsweise geradlinige "Keiner Kann Sagen" zieht den Karren nicht mehr aus dem Dreck, gerät das Stück doch gesanglich etwas zu weinerlich und zu wehleidig.
Letzten Endes hätte es der Platte extrem gut getan, wenn Philipp Poisel musikalisch und textlich mehr Mut zum Unkonventionellen gewagt hätte. Doch so kommt er der Beliebigkeit von Deutschpop-Kollegen wie Tim Bendzko oder Andreas Bourani doch wieder zu nahe.
1 Kommentar mit 2 Antworten
Mucke für Craze, Sancho, den Weinbau-Wicht und weichen Hai.
So traurig, dass du es nichtmal schaffst, das Profilbild hinzubekommen.
Den wird man deshalb hoffentlich nicht so schnell mit mir verwechseln, wa?