laut.de-Kritik
Nicht mehr ganz so nah am Wasser gebaut.
Review von Matthias von ViereckArmes zweites Album. Nein, du hast es nicht leicht als Nachfolger eines starken Debüts. Die Rede ist von Port O' Brien, einer Band, die uns im letzten Jahr so viel Freude bereitete wie kaum sonst ein Act in 2008. Was haben wir mitgesungen, mitgelitten: "You are a fisherman's son. And that is what you'll become …". In unseren trockenen Ohren klang das wie eine Verheißung.
Und jedes Mal, wenn wieder eine dieser tollen Alaska-Dokumentationen auf dem Männerkanal lief, dachten wir: Vielleicht taucht ja diesmal Frontmann Van Pierszalowski auf? Zu "I Woke Up Today" sind wir immer wieder beschwingt aus den Federn gehüpft. Überhaupt hatten Port O' Brien ja mit so vielem Recht: "All We Could Do Was Sing". Selbst den Hinweis "Friends Don't Let Friends Eat Farmed Salmon" im CD-Booklet haben wir sofort verinnerlicht (und beim nächsten Gang in den Bio-Supermarkt berücksichtigt).
Nun also der zweite Langspieler der Band aus Cambria an der kalifornischen Pazifikküste. Ja, doch, zunächst ist man erst mal ein klein wenig enttäuscht. Mit der Zeit aber passiert das Unerhoffte: Die CD wächst mit jedem Durchlauf, wächst immer mehr, so dass man schon bald gar nicht mehr ans tolle Debüt denken muss. Und das, obwohl die neue Platte nicht mehr so herrlich nach Salzwasser und der blauen Weite des Ozeans schmeckt. Kein "Fisherman's Son", kein "Stuck On A Boat".
Gerade hatte man mit der Arbeit an dieser Platte begonnen, da geschah das Unbegreifliche: Der Unfalltod von Cambria Goodwins (der weiblichen Stimme von Port O' Brien) jüngerem Bruder. Kein Wunder also, dass Port O' Brien bei allem Schwung auch sehr nachdenkliche Töne anschlagen. Pierszalowski dazu: "One portion of the record deals with tragedy, remorse and bitterness head on, while the other half focuses on a new sense of identity, purpose, revelry and ambition." Und das Erstaunliche ist: Obwohl die Songs offensichtlich von zwei doch sehr unterschiedlichen Stimmungen beseelt sind, wirkt das Album harmonischer als der Erstling, noch mehr wie aus einem Guss.
Dass die Platte teils in einem kleinen Studio in San Francisco, teils in einem großen Studio in L.A. aufgenommen wurde, macht sich ebenfalls positiv bemerkbar. Während einem Stück wie "Threadbare" die Intimität des Homestudios gut zu Gesicht steht, hatten die großartigen "My Will Is Good" und "Oslo Campfire" in der Stadt der Engel offensichtlich viel Raum zum Atmen.
Vor allem letzteres entwickelt einen unwiderstehlichen Sog. Überhaupt muss man nach den beiden Platten der Kalifornier konstatieren: Es sind letztlich doch eher die Mid- und Uptempo-Stücke, in denen Port O'Brien ihre volle Pracht entfalten. Die langsameren unter den neuen Stücken, etwa "In The Meantime", können da nicht ganz mithalten.
Und doch lebt "Threadbare" auch von der Dichotomie aus hellen und dunklen Momenten. Und profitiert zudem von einer äußerst stabilen Architektur: Eingerahmt und gehalten wird das Ganze von zwei Variationen ein und desselben Songs: Los geht's mit "High Without The Hope 3", ganz am Schluss dann: "High Without The Hope 72". Die restlichen Songs kreisen um ein mächtiges Zentrum wie Planeten um ihr Zentralgestirn: "Calm Me Down", ganz große Kunst, die freilich ein wenig nach Neil Young klingt, selbst was die Instrumentierung anbelangt. Alles in allem: ein würdiger und vor allem immer wieder höchst anrührender Nachfolger, der Port O' Brien als gereifte Band zeigt.
Wunderschön übrigens auch das Platten-Cover, dessen Farbpalette mit dem Design des Debüts korrespondiert: Das Grün einer blühenden Wiese vor blauem Wasser (dem Ozean?) vermag auch diesmal eine seltsam unbestimmte Sehnsucht zu evozieren. Ganz ohne das blaue Nass können sie eben doch nicht, die wunderbaren Port O'Brien.
1 Kommentar
Wo stecken denn Leute wie Para und das ganze Folk meets Pop Gesindel?
Ganz feines Album.
Überraschend schwermütiger, sparsamer und zurückhaltender im Gegensatz zum Vorgänger.