laut.de-Biographie
Promoe
Meterlange Dreadlocks und ein ZZ Top-würdiger Bart: MC Promoe dürfte den wohl exotischsten Exportartikel der schwedischen Kleinstadt Västerås darstellen. Mit seiner Crew Looptroop scheint er beständig auf Achse rund um den Globus zu sein. Um so erstaunlicher, dass er Zeit für eine mittlerweile doch recht umfangreiche Solo-Karriere findet.
"Ich liebe Schach und gehe völlig darin auf, vegan zu kochen", gibt Promoe im Interview mit gorillamovement.com Aufschluss über seine Person. "Zugleich bin ich, seit wir unser eigenes Label David vs Goliath betreiben aber auch Workaholic, denk' ich mal. Das, die ganzen Tourneen und die Studioarbeit nehmen eine Menge meiner Zeit in Beschlag, so dass mein Sozialverhalten ein wenig seltsam ist. Wobei ... das war auch schon seltsam, bevor ich angefangen habe, Musik zu machen. Ich fürchte, das muss dann wohl an meiner Persönlichkeit liegen." Ein leicht merkwürdiges Arbeitstier, also? Das verspricht, interessant zu werden.
Um das Jahr 1986 erreicht die erste Welle der wenig später weltweit um sich greifenden Hip Hop-Sucht auch die schwedische Provinz. Mårten Edh, geboren am 28. April 1976 als Nils Mårten Ed in Badelunda, zählt zu den ersten Infizierten der Region. Alles, das irgendwie mit Hip Hop zusammenhängt, saugt er auf wie ein Schwamm. "Beat Street" und "Style Wars" gehören zum Pflichtprogramm, "Subway Art" avanciert zur Bibel.
Rap liefert den Soundtrack zum neuen, rebellischen Lifestyle: Zuerst Run DMC, LL Cool J und die Fat Boys, später N.W.A., KRS-Ones Boogiedown Productions, EPMD und Public Enemy. Jede Woche wird am Radio geklebt: In "Soul Corner" könnte ja mal ein Hip Hop-Track laufen. Doch wirklich viel wird in dieser Richtung nicht geboten: Wie so häufig im Ödland abseits der Metropolen liegt der einzige Ausweg im Selbermachen. Ein paar Ältere fangen damit an: Bald klaut auch Mårten Textmarker und zieht seine ersten Tags. In Västerås entsteht eine junge Writer-Szene mit Mårten mittendrin.
Bis Maler Mårten zum MC Promoe mutiert, sollen fünf Jahre vergehen: Erst 1991 greift er zum Mikrofon. Glaubt man der Überlieferung, so wählte Schulkollege EmBee Mårten gerade deswegen aus, weil er - langhaarig und in enge Jeans gezwängt - von allen Klassenkameraden am wenigsten danach aussah, als könne er rappen. Ein echter Glücksgriff! Die beiden nehmen erste gemeinsame Tracks auf. Etwas später stößt Mellow T aka CosM.I.C. dazu, noch etwa zwei Jahre später sind Looptroop mit Supreme komplett.
Warum der Wechsel der Disziplin? Rückblickend kann Promoe selbst nur vermuten: "Wahrscheinlich hatte ich auf diese Weise einfach bessere Ausdrucksmöglichkeiten. Ich war nie ein besonders guter Writer, gehörte aber bald zu den erstklassigen Rappern, erst in meiner Heimatstadt, dann landesweit." Trotzdem: Die aktivste Phase seiner Sprüher-Laufbahn erlebt Mårten zwischen 1995 und 1998.
MC Mårten? Eher uncool - ein Bühnenname muss her. Über seine ersten Pseudonyme, Whakko oder Skit, entfleucht Promoe Jahre später selbst ein Grinsen. Die Lösung findet sich im eigenen Vornamen: Mårten wird schwungvoll abgekürzt zu Moe, positiv möchte man sein: Pro-Moe. Promoe. Passt! "Der Name bedeutet mir inzwischen allerdings nicht mehr so viel. Wichtig ist viel mehr, was man mit meinem Namen verbindet. Und diese Assoziationen nehmen Gestalt an und verändern sich mit jedem meiner neuen Songs."
Später ändert sich das, doch in den ausgehenden 80er und frühen 90er Jahren rappt noch kein Mensch auf Schwedisch - zumal sämtliche Einflüsse aus den USA stammen. ("Bis auf Hi-Jack! Die waren aus England!") So schreiben auch Looptroop und Promoe Lyrics auf Englisch. "Wir haben auch immer mal wieder schwedische Tracks gemacht. Das waren dann aber eher Untergrund-Hits." Promoes Haupt-Anliegen, über seine Raps mit möglichst vielen Menschen zu kommunizieren, kommt das Englische ohnehin entgegen, zumal ihm nach einigen Jahren der Praxis das Texten so leichter fällt als in seiner Muttersprache.
Promoe und Konsorten setzen herzlich wenig Vertrauen in die Musikindustrie. Demos werden erst gar keine aufgenommen: Die Herren gründen besser gleich ihr eigenes Label. Auf David vs Goliath vertreten sie sich selbst und nehmen auch gleich Vertrieb und Promo-Arbeit in die eigenen Hände. Ein Deal mit dem Punk- und Hardcore-Label Burning Heart verhilft zu den nötigen Strukturen.
Nach dem ersten Looptroop-Album (DvsG 00) stellt Promoes Solo-Debüt "Government Music" 2001 die DvsG-Veröffentlichung mit der Nummer 1. Vorab sorgt bereits eine 12" für Aufsehen: "Off The Record" verhilft Promoe auch über die Grenzen Schwedens hinaus zu Beachtung. "Government Music" setzt noch eins drauf: Natürlich gehen auch die übrigen Looptrooper an den Start, selbstverständlich stammt der Löwenanteil der Produktionen von EmBee, dem Chefkoch der Crew. Aber eben nicht nur: Auch andere Produzenten kommen zum Zug. Passend zu Promoes ragga-lastigem Style verwundert der eine oder andere jamaikanisch anmutende Ton keineswegs.
"The Struggle Cotinues", Promoes Solo-Aktivitäten ebenfalls. Mit "The Long Distance Runner" begibt er sich 2004 auf seinen zweiten Alleingang. Der Titel trifft den Kern: Ob privat als Freizeitsportler, ob als beständig auf Achse befindliches Tour-Tier (man spricht von mehr als 500 Live-Shows seit dem Jahr 2000): Promoe erweist sich als raptechnisch austrainierter Langstreckenläufer.
Eigentlich erstaunlich, dass immer noch Zeit zum Verreisen bleibt. Promoe lebt abwechselnd im spanischen Granada und in Uppsala und unternimmt Trips durch Europa, nach Kuba, Marokko - und Jamaika. Der Aufenthalt dort hinterlässt seine Spuren: Vier Tracks entstehen direkt im Mutterland des Reggae. Insgesamt gerät "The Long Distance Runner" deutlich weniger Hip Hop-lastig als noch "Government Music". Politisches Zeitgeschehen wird ebenso thematisiert wie die alte Leidenschaft Graffiti, denn: "These Walls Don't Lie". Auf der illustren Gästeliste finden sich Ward 21, Bushman, Anthony B., Chords, Timbuktu und CosM.I.C..
Keine Atempause: 2005 veröffentlichen Looptroop das dritte gemeinsame Album "Fort Europa". Im Jahr darauf zieht Promoe mit "White Man's Burden" gleich. Das Erbe der eigenen Hautfarbe, einmal von einem Weißbrot aufgerollt? Gewohnt kritisch analysiert Promoe seine eigene Position in einer ungerechten, aber bunten Welt. Features von Capleton, Nosliw und Leeroy von der Saïan Supa Crew lassen erahnen: Hip Hop und Reggae geben sich die Hand.
In einem Rundumschlag pinkelt 2006 der deutsche Rapper Kool Savas auch Looptroop, insbesondere Promoe, ans Bein. Nicht die beste Idee: Der Schwede revanchiert sich mit "Sag Was", das er unübersehbar auf rap.de platziert. Die viereinhalb-minütige Spott- und Hohn-Dusche, nach der vorerst Ruhe im Karton herrscht, findet sich im Sommer 2007 auf "Standard Bearer".
Promoe schnürt hierfür ein dickes Paket aus dem Mitschnitt einer Live-Show in Kopenhagen, sieben Videos sowie einer Bonus-CD mit bisher unveröffentlichten oder selten gespielten Tracks. Hier kommt auch das dem Medien-Mogul Rupert Murdoch gewidmete, bisher lediglich zum Download angebotene "Murder Murdoch" zu Ehren. Zudem bietet "Standard Bearer" eine einstündige Dokumentation, in der Dancehall-Größen wie Lady Saw, Capleton, Da'Ville und andere zu Wort kommen.
Promoe tourt weiterhin ohne Unterlass, ob alleine oder mit seiner mittlerweile in Looptroop Rockers umgetauften Crew. Hier lässt man sich vom Ausstieg CosM.I.C.s nicht ausbremsen: Im April 2008 liegt ein frisches Album auf dem Tisch, dessen Titel für sich spricht: "Good Things".
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