laut.de-Kritik
Irrwitzige Doubletime-Reime und wuchtige Bassschläge.
Review von Dani FrommIn aller Regel reagiere ich hochgradig skeptisch, wenn jedem einzelnen Track Anmerkungen des Verfassers beigefügt sind. Spätestens die Rechtfertigungen, die Mike Oldfield seiner auf "Light + Shade" veröffentlichten Grütze angehängt hat, trieb mir diese Art der Informationspolitik gründlich aus. Ein tauglicher Song funktioniert, ohne dass einem der Entstehungskontext unter die Nase gerieben werden muss.
"White Man's Burden" hält glücklicherweise auch ohne jegliche Hintergrundinformationen jeder noch so eingehenden Musterung stand. Promoe sei daher das Anekdötchen-Erzählen im Booklet gestattet. So erfahre ich von Hotelzimmern, Schneestürmen, verpassten Flügen und anderen organisatorischen Herausforderungen, ohne mich bei der Betrachtung der Songs in eine bestimmte Richtung gedrängt zu fühlen.
Mag sein, dass Promoes Manipulationsversuche im Vergleich zu denen Oldfields einfach nur um Welten subtiler gestrickt sind. Im Gegensatz zu Mr. Tubular Bells handelt es sich bei dem Herrn aus Vesterås schließlich ohne den geringsten Zweifel um einen Mann des Wortes, "spit ink like an octopus". Wie quälend sich für jemanden mit solcher Veranlagung das Ringen nach der richtigen Formulierung, die Suche nach dem passenden Ausdruck gestaltet, spiegelt "Postcards" wider: Wie sag ich's, ohne die tausendfach verwendeten, ausgelutschten und abgegriffenen Allerwelts-Floskeln zu verwenden? Selbst wenn der Chorus ein wenig mau ausfällt: Ich durfte lange keinen derart sehnsuchtsvollen und dabei so unpeinlichen Love-Song hören.
Ein wenig sentimental geht es auch im Eröffnungstrack zu. "Up!" baut auf eine luftige Flötenmelodie und weiche, runde Bässe. Auch wenn hier Large und nicht Embee, der Hausproduzent der schwedischen Crew, hinter dem Instrumental steckt: Die Ästhetik stammt doch unüberhörbar aus der Looptroop-Ecke. Promoe wird seinem Anspruch ("real life, real music for real people") durch Facettenreichtum und Differenziertheit gerecht. Neben dem sachten Opener steht, deutlich härter akzentuiert, "Time Travelling". Dancehall-taugliche Vocals von Assassin unterstreichen Promoes ohnehin immer etwas ragga-lastigen Rapstil.
Wenn Capleton mitmischt, ist die Marschrichtung klar. Embees Handclap-getriebene "Songs Of Joy" entführen ebenfalls auf eine jamaikanische Tanzveranstaltung: "Music is a mission / From Sweden to Kingston and all over the world / When they just can't stop the sound." Irrwitzige Doubletime-Reime und wuchtige Bassschläge lassen die Streicher in "In The Morning" noch einlullender und den Beat noch schleppender wirken. Davilles Gesang verpasst dem Chorus eine glatte R'n'B-Politur, während "Headache" bei der Verwendung eines Voice-Samples Perfektion erreicht: Eine einzige Idee liefert eine gelungene und hochmusikalische Grundlage für Promoes wasserfallartig fließende, hier schon beinahe in Gesang hinüber gleitende Zeilen.
Zu "Long Sleeves In The Summer" steuert Jimmy Ledrac an den Nervenenden zerrendes, hohes Pianogeklimper zu brodelnder Finsternis bei: Diese verstörende Kombination erwies sich bereits vor Jahren in John Carpenters "Halloween"-Thema als überaus geeignet, um wirkungsvoll Unbehagen zu schüren. "Generation after generation are being sacrificed / Slaughtered on the altar on a massive life." Ganz recht: "This ain't a song / It's a cry."
Nostalgie in allen Ehren, Promoe hat Grenzen: "I don't want back the old school / Since the old heroes sound like some bitter old fools." Wo liegt das Problem? Wie überall sonst auch: "Hip hop is run by businessmen and bureaucrats." In "Musick Bi$$ Apocalypse" präsentiert er einer Industrie, die ihrem eigentlichen Betreff mit Gleichgültigkeit begegnet, seine erboste Abrechnung, während er sich an anderer Stelle ("Identity Crises" mit Nosliw, "White Man's Burden") auf die Suche nach den Wurzeln und seinem Platz in der Welt begibt. "Trapped" bringt es auf den Punkt: "Weather rich man, poor man, beggar man, thief" - ein jeder ist gefangen in seinen eigenen Zwängen, die es mit Weitblick und Toleranz zu überwinden gilt. Klingt missionarisch - dumm ist es nicht.
Leeroy von der Saïan Supa Crew liefert in "Euro Trash" einen Gastauftritt, der einen wieder einmal ins Gedächtnis ruft, wie fantastisch doch französischer Rap sein kann. "Hip hop started in the bronx / Or was it in Africa? / I don't really know when / What a tragic ambassador I'd made / For the culture", heißt es da, kurz bevor der eigene Output als "Euro Trash" und "some backpacking pseudo rap" vertiefstapelt wird. Promoe mag aussehen, wie ein ZZ Top-Mitglied auf dem Rasta-Trip. Wen juckt's? Einen besseren Botschafter hätte sich Hip Hop, ganz egal, ob man bei dem Begriff nun die Kultur, die Bewegung oder die Industrie im Sinn hat, nicht wünschen können.
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