laut.de-Kritik

Chuck D und Flavor Flav geben derbe auf die Zwölf.

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"Ist das eine Best Of?" Manchmal bringt Kollege Dobler (oft ohne es zu merken) fertig, einen ganzen tragischen Sachverhalt in einen einzigen, winzigen Satz zu packen. Nein, eigentlich handelt es sich bei "New Whirl Odor" NICHT um eine Hit-Compilation. Wir haben schon wirklich und wahrhaftig ein brandneues Public Enemy-Album vorliegen. Allerdings hört man das nicht ohne Weiteres: Chuck D und Konsorten bewegen sich auf klassischen Pfaden, bei nahezu jedem anderen Act hätte ich die Vokabel "ausgetreten" gewählt.

Public Enemy sorgten - vor mittlerweile fast zwei Jahrzehnten - für ein musikalisches Erdbeben, das nicht nur die Hip Hop-Welt erschütterte. Diese Herren müssen nichts mehr beweisen. Sie hatten ihre Revolution bereits, während die meisten ihrer Kollegen nicht mal einen Zwergenaufstand loszutreten vermögen. Ganz recht: "Rap is the CNN of the black community, and no one broadcasted louder than Public Enemy."

So tönt es also recht vertraut von "New Whirl Odor". Die Beats klingen nicht nur so, sie stammen zum Teil tatsächlich von Anno Tobak: Wie Chuck D in den Linernotes ausbreitet, wurden für zwei Tracks frühe Produktionen von Abnormal Dubose verwendet. Interessant, kein Wunder hört sich das (vollkommen zu Recht als Single ausgekoppelte) "Bring That Beat Back" mit seinem mächtigen Hintergrund wie ein Public Enemy-Kracher der alten Schule an. "Make You Blind" liefert ebenfalls dicke Bässe und bleibt mit einer gesungenen Hookline gut im Ohr hängen. Allerdings spiegelt der kratzige, rohe Sound nicht gerade das aktuelle technische Niveau, auf dem Hip Hop dieser Tage stattfindet.

Sei's drum, musikalische Filigranität war schließlich nie das herausragende Erkennungszeichen Public Enemys - und derbe auf die Zwölf zu schlagen, das beherrschen sie nach wie vor. Man betrachte nur das von harten Gitarrenriffs eröffnete "What A Fool Believes". Ständige Geschwindigkeits- und Stilwechsel machen die Nummer zwar weder (auch nur ansatzweise) clubgeeignet noch leicht verdaulich. Das ändert aber nicht im Mindesten etwas daran, dass es sich hierbei um ohrenbetäubend krachenden Oldschool-Lärm dreht, der getrost in einer mit Crossover etikettierten Schublade zu verstauen ist. Wer an derlei Klängen kein Vergnügen findet, der ist bei Public Enemy ohnehin an der falschen Adresse.

"MKLVFKWR" darf einem zur Abwechslung einmal berechtigterweise bekannt vorkommen. Diese Nummer entstand im vergangenen Jahr in Kollaboration mit Moby. Konzipiert für die Olympischen Spiele in Athen, nahm sie außerdem auf dem Soundtrack zu "xXx 2" einen Platz ein. Der bewährten Message "Power to the people 'cause the people want peace!" wird durch einen geradlinigen, eisern duchgehaltenen Rhythmus Nachdruck verliehen.

Ich sagte es an anderer Stelle bereits: sehr gut hörbar. Ebenso schnörkellos präsentiert sich "Preachin' To The Quiet", auch wenn hier etliche Funkelemente eingestreut werden. Der Titeltrack "New Whirl Odor" gerät zwar nicht ganz so krachig, dafür aber kein Stück weniger finster, als man es von Public Enemy kennt (und irgendwo ja auch erwartet). Eine Gitarrenmelodie dominiert ein tempomäßig relativ zurück genommenes Instrumental. Ob der dumpfe Klang allerdings bewusst gewähltes Stilmittel oder aber schlicht das Resultat suboptimaler Abmischung ist ... Wer weiß das schon?

Die Stichworte "Message" und "Preachin'" führen unmittelbar zu den Inhalten: Public Enemy sind der Inbegriff des politisch motivierten Raps. Insofern versteht sich von selbst, dass Party, Chicks und Bling-Bling für Chuck D und Flavor Flav möglicherweise abend- aber keineswegs zeilenfüllende Themen darstellen. Die Texte befassen sich - auch hier wie eh und je - mit Rassismus, Ungleichbehandlung und umfassen Kritik an Medien und Regierung. Wenngleich ich mich des Eindrucks nicht erwehren kann, Chuck D habe in der Vergangenheit auch schon deutlicher Position bezogen. Zuweilen wird doch ein wenig unspezifisch in die Runde gekotzt.

Bässe, Cuts und Scratches, das beständige Einweben von Sprachfetzen und anderen Geräuschen prägen weitgehend die Klangkulissen; "Y'all Don't Know" liefert ein gutes Beispiel hierfür. Satter als in "Revolution" (wer könnte zu diesem Thema eine qualifiziertere Vorlesung abhalten?) können Bässe kaum anrollen.

Zum eindeutigen Gewinner des Albums erkläre ich allerdings den Schlusstrack "Superman's Black In The Building": Bei zwölf Minuten Spieldauer bleibt reichlich Zeit für Chuck Ds Predigten, die Nummer gleitet schließlich in ausgiebige Instrumentalpassagen mit stellenweise jaulenden E-Gitarren und Drums hinüber. Wenngleich in gewöhnungsbedürftigem Überlängeformat (und damit bedauerlicherweise wohl eher nicht laut.fm-tauglich): das absolut stärkste Stück.

Da bekanntlich das Auge mithört, peppt eine DVD-Beilage "New Whirl Odor" optisch auf. Zusätzlich zu etlichen Videos und dem zugehörigen Making-Of gibt es Informationen über Label und Mitwirkende sowie eine Photogalerie.

Trackliste

  1. 1. ...And No One Broadcasted Louder Than... (Intro)
  2. 2. New Whirl Odor
  3. 3. Bring That Beat Back
  4. 4. 6 Strikes Again
  5. 5. MKLVFKWR
  6. 6. What A Fool Believes
  7. 7. Makes You Blind
  8. 8. Preachin' To The Quiet
  9. 9. Either We Together Or We Ain't (S1W Stepstumental)
  10. 10. Revolution
  11. 11. Check What You're Listening To
  12. 12. As Long As The People Got Something To Say
  13. 13. Y'all Don't Know
  14. 14. Either You Get It By Now Or Your Don't
  15. 15. Superman's Black In The Building

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