laut.de-Biographie
Purkwa
Es sind nicht unbedingt Rap-Phantasien, die der Gedanke an Bayreuth in Verbindung mit Musik wach ruft. Möglicherweise handelt es sich bei Purkwa um den richtigen Mann, um diesen Misstand ein wenig zu lindern.
Geboren 1982 entdeckt Tobias Hauffe 14 Jahre später den Hip Hop für sich. Einmal angefixt, ist der Knabe nicht zu halten: Rap, DJing, Graffiti - alles interessiert. Inspiration steckt Mitte der 90er selbst in Oberfranken, wohin man schaut, prangt an den Wänden, tönt aus den Beats und den Reimen von Blackstar, Masta Ace, Common oder, auf deutsch, aus den Zeilen des Freundeskreises, Main Concepts oder Blumentopfs.
Derartig angefixt, dauert der Weg vom Hören zum Selbermachen nicht allzu lange. Erste holprige Flows im heimischen Kinderzimmer wachsen zu Freestyles. Es folgen die ersten Texte, der erste Beitrag auf einem Mixtape, die erste Crew, die ersten Auftritte: Eine nahezu klassische MC-Karriere nimmt ihren Anfang.
2001 markiert den Eintritt ins nächste Level: Tobias "Tobee" Hauffe schließt sich mit ein paar Gleichgesinnten zu soweitsogut (klein geschrieben) zusammen. Noch Jahre, unzählige Freestyle-Sessions und Live-Shows später gibt sich die Truppe bescheiden: "Wir gehen davon aus, dass sowieso fast niemand einen längeren zusammenhängenden Text einer unbedeutsamen Gruppe liest", vermeldet die bandeigene Webseite. Die Intention dagegen wirkt alles andere als schmächtig: Man wolle das Seine dazu tun, dass Bayreuth nicht nur einmal im Jahr auf der musikalischen Deutschlandkarte erscheint.
Die erste EP können sich Fans der Crew 2005 wahlweise ins CD- oder ins Plattenregal stellen. soweitsogut leisten ganze Arbeit auf den Bühnen in der Umgebung. Unter anderem treten sie als Support-Act von Nico Suave, D-Flame und DJ Stylewarz, Fiva und Redrum oder Pyranja an. Tobee schafft es so bis ins Halbfinale der Jamsession.
Ein Album soll folgen, die Fertigstellung verzögert sich jedoch aufgrund interner Differenzen. Die geplante LP wird zu einer weiteren EP zusammengekürzt ins Netz gestellt. Erst nach Beilegung der Unstimmigkeiten steht "Zugabe" im Januar 2007 in voller Länge zum Download bereit. Kostenlos, versteht sich. Wer sich das Vergnügen trotzdem etwas kosten lassen möchte, dem wird zugesichert: "Alle eingegangenen Spenden kommen vollständig unserer Musik zugute und werden nicht in Branntwein, Tabak oder Drogen investiert." Das ist doch mal was!
Tobee behält daneben seinen eigenen Kopf. Nach seinem Schulabschluss entdeckt er die Soziologie und die Philosophie für sich. "Ich hab' ein schlechtes Abitur und ein sehr gutes Vordiplom", rappt er, über die Doppelbelastung Bühne/Studium sinnierend, in "Auf Halbem Weg": Ein recht deutliches Zeichen dafür, dass der eingeschlagene Weg nicht ganz falsch gewesen sein kann. An seinen Solo-Projekten bastelt Tobee unter dem Alias Purkwa.
"Jeder MC, der ernsthaft beansprucht, Philosoph zu sein, leidet entweder unter maßloser Selbstüberschätzung, hat noch nie ein philosophisches Werk gelesen oder liefert einfach eine eigene Definition für Philosophie", macht Purkwa auf seiner Homepage deutlich. "Es gibt nun mal einen Unterschied zwischen 16, 20 oder 32 Bars und Philosophie. Dies anzuerkennen ist wichtig, um den nächsten Schritt gehen zu können."
Dieser folgt dann auch auf dem Fuße: Ein Zusammentreffen mit dem aufstrebenden Mannheimer Produzenten Crada erweist sich als wahrer Glücksgriff. Crada verzeichnet auf der Liste seiner Kollaborationspartner bereits Rasul und Samy Deluxe, später soll unter anderem noch Chakuza dazu kommen. Purkwa am Mic, Crada am Mix - die Kombination bewährt sich.
Im März 2006 starten die beiden "Nerds auf der gleichen Frequenz" eine intensive Zusammenarbeit, die einige Monate später die ersten handfesten Früchte trägt: Ohne die Unterstützung eines Labels im Rücken erscheint im Februar 2007 Purkwas 14 Tracks starkes Solo-Debüt "Piratensender". Ruben Rodriguez und Sängerin Fatma steuern die eine oder andere Hook bei, ansonsten verlässt sich Purkwa ganz auf seine eigenen Fähigkeiten als Lyricist.
"Wenn ich frage, was mich mehr geprägt hat, Musikalben oder Bücher, seien es belletristische, philosophische oder soziologische Werke, so kann ich dies nicht eindeutig beantworten", meint Purkwa. "'Piratensender' ist einerseits sicherlich geprägt von den Skillz eines Masta Ace, von Kweli-Tracks oder von Main Concept- und Blumentopf-Alben. Andererseits aber eben auch von Camus, Jaspers, Houellebecq, Marx, u.a. Eines wohnt allen inne: Der Ansatz, Bestehendes zu kritisieren."
Kritik übt Purkwa mit seinem "Piratensender" tatsächlich: Unverblümt prangert er die im Rap-Geschäft herrschende Doppelmoral an, die das Geschäft über die Liebe zur Sache stellt, wirft aber auch selbst einen skeptischen Blick in den Spiegel, den er anderen vorhält. "Die Entwicklung stinkt zum Himmel", befindet er in "Austauschbar" und ruft in kämpferischen Zeilen dazu auf, sich dem Trend zu widersetzen.
Obwohl sich Purkwa weder als neues Raptechnik-Wunderkind noch als König der Geschichtenerzähler etabliert, legt er doch ein beachtliches Debüt auf den Tisch. Die Fusion glaubwürdiger, persönlicher Texte mit ruhiger Gelassenheit zeigt: Hier rappt "ein MC, der Entwicklung garantiert wie Blütenstaub".
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