laut.de-Kritik
Von russischen Ikonen inspirierter Ambient.
Review von Daniel StraubFünf Jahre ungefähr ist es her, da wurden Rechenzentrum als eine der wichtigsten Bands in der Intelligent Dance Music-Szene gefeiert. Früh schon war klar, dass sich Rechenzentrum nicht als reine Band definierten. Die Nähe zu Film und Videokunst zeigte sich erstmals in aller Deutlichkeit mit dem Release der CD/DVD "Director's Cut" 2003. Danach gönnten sich Rechenzentrum erst einmal eine Auszeit. Jetzt feiern sie mit einem neuen Release ihr Comeback. "Silence" ist wiederum ein Album mit den passenden Bildern dazu.
Die Darstellung einer orthodoxen Ikone auf dem Cover in Verbindung mit dem Titel "Silence" bilden den stimmigen Rahmen für eine CD/DVD, deren hauptsächlich Merkmale Ambient-Sounds und bildlich thematisiert Langsamkeit sind. Nicht umsonst verweisen die Linernotes auf den russischen Avantgarde-Regisseur Andrei Tarkowski, einem ausgesprochenem Meister der Verbildlichung von Zeit. Sein wohl bekanntester Film "Solaris", der die Vorlage für das Hollywood-Remake lieferte, ist nur eines von vielen Beispielen dafür.
Jener Tarkowski also hat auch einen Film über einen Ikonen-Maler namens Andrej Rjublev gemacht. Dessen Schaffen wiederum hat nun Rechenzentrum zu ihrem aktuellen CD/DVD-Projekt inspiriert. Die zum großen Teil schwarz-weiß und sehr kontemplativ gehaltenen Visuals kommen wie eh und je von Lillivän Pobjoy.
Musikalisch fällt auf, dass nun überwiegend Ambient und halb-akustische-Tracks à la Boards Of Canada dominieren. Das mag daran liegen, dass Marc Weiser nun musikalisch sämtliche Fäden in Händen hält. Christian Nikolaus Conrad hat die Band verlassen. Weisers langjährige Mitgliedschaft im Zeitkratzer Ensemble für zeitgenössische Musik kommt so stärker zum Tragen.
Im Line-Up von Rechenzentrum finden sich denn auch zahlreiche Zeitkratzer-Gäste, die den elektronischen Sounds einen akustischen Gegenpart zur Seite stelllen. Zudem überraschen drei der neuen Rechenzentrum-Tracks mit eigenen Vocals, weshalb sie eigentlich viel eher Songs als Tracks heißen müssten. Damit ist die Tür in Richtung Pop für Rechenzentrum mehr als nur einen Spalt weit aufgestoßen. Ob sich das Projekt in Zukunft in diese Richtung weiterentwickelt?
"Silence" jedenfalls braucht sich den Vorwurf der Massentauglichkeit nicht gefallen lassen. Rechenzentrum machen noch immer Musik, die ein hohes Maß an Aufmerksamkeit fordert, um sie genießen zu können. Schon alleine deshalb, verschließt sie sich dem Konsum von vielen. Das sollten Rechenzentrum freilich als Lob und keinesfalls als Tadel begreifen.
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