laut.de-Kritik

Francis nimmt sich und seine Musik offenbar todernst.

Review von

"There's a stranger in my bed, waiting to have fun, I'm at the window". Dies sind des Albums erste Worte, die gleich Kulisse und Rollenverteilung der Inszenierung, die hier aufgeführt wird, relativ klar abstecken. Meine Damen und Herren, es präsentiert sich Robert Francis in seiner Paraderolle als der Nachdenkliche, der Poet, der Romantiker. Einer, der Geschehnisse und Gefühle stets ein wenig außenstehend einordnet und in Gedichte packt. Diese Lyrik hat der Singer/Songwriter und Multi-Instrumentalist aus Kalifornien nun vertont.

Der seit seinem Debüt 2007 ausgewiesene Spezialist für balladigen Indie-Folk mit Formatradio-Tauglichkeit tut auch 2012 das, was er am besten kann: Kuschelig-ruhiger Gleichklang unterlegt das textliche Schwelgen in den eigenen jungen Emotionen.

Was auf dem Vorgänger andeutungsweise durchschimmerte, kommt hier zum vollen Einsatz: Violine, Piano, Mundharmonika und Banjo finden Platz in den Arrangements, die mal intim und zurückhaltend, mal dicht und aufwendig gestrickt sind. Auch das stimmliche Repertoire des jungen Musikers wirkt breiter: Mühelos scheint sein Wechsel zwischen Kopf- und Bruststimme, zwischen fast geflüsterten Sprechparts und intensiv lautem Gesang.

Aufwertung erfährt die Tirade der Empfindsamkeiten in Stücken wie "Dangerous Neighborhood" oder "Alibi". Letzteres fällt im Übrigen dank einer weiblichen Zweitstimme mit einer unverkennbaren Ähnlichkeit zu Cohen auf. Diese Doppelung steht den Songs gut zu Gesicht, nehmen sie ihnen doch stellenweise die Eintönigkeit, die das dritte Album bei allem Respekt für das lyrische Gespür und die technischen Fertigkeiten Francis' durchzieht.

Die beschauliche Monotonie geht dank des Einsatzes klassischer Americana-Instrumente mit einer Melancholie einher, die von weiten kalifornischen Landschaften zu erzählen scheint. Eine wie auf dem Cover, auf dem Francis einsam dasitzt. Der Sinnierende neben seiner Amerikanischen Bulldogge. Mensch und Tier, Kunst und Trieb in einem Bild. Das Pathos von stillem Nachdenkertum und roher Wildheit, vereint in einer Person. Fehlt noch der Grashalm im Mundwinkel und die Spore am Stiefel, um die Ausstattung für den verwegenen Modern-Cowboy-Look perfekt zu machen.

Als solcher scheint Francis sich gerne zu inszenieren: Irgendwo zwischen Philosoph und Rebell verortet er sein Image, vermutlich auch seine Selbstwahrnehmung. Ironisch oder augenzwinkernd ist hier jedenfalls nichts gemeint, man nimmt sich und seine Musik offenbar todernst.

Dezent in die Arrangements eingefügte Elemente, die zunächst kaum auffallen, verleihen der Platte dann doch noch versteckte Finesse. Die gedämpfte Trompete auf "It First Occurred To Me", das Violintremolo auf "I Sail Ships", das auf Slowmotion gedrosselte Tempo, die leicht verhallte Stimme und die rückgespulten Gitarrensamples auf "Wild Thing" sind kleine, aber wesentliche Komponenten, die die Geruhsamkeit angenehm durchbrechen.

Bei allen Stärken gerät die Midwestern-Nostalgie, der Francis ausgiebig frönt, auf Albumlänge etwas lahm. Einerseits möchte man der Platte eine beruhigende Wirkung attestieren: heimelig und behaglich vertraut; andererseits kann man die Langeweile, die sich irgendwann zwischen "Some Things Never Change" und "Eighteen" einstellt, auch nicht als Homogenität verkaufen.

Damit ist "Strangers In The First Place" das ideale Album für die aktuelle Jahreszeit: gemütliche Songs für den Sommer auf dem Balkon, wenn es dunkel wird und die Rotweinflasche sich leert, wenn die Gespräche wichtiger sind als die Musik. Dann lassen Mundharmonika und Chorgesänge, Banjoklänge und leise Akustikmelodien, die ab und an ins Bewusstsein vordringen, einen von Alltagsflucht schwärmen.

Trackliste

  1. 1. Tunnels
  2. 2. Some Things Never Change
  3. 3. Perfectly Yours
  4. 4. Alibi
  5. 5. Eighteen
  6. 6. Star Crossed Memories
  7. 7. It First Occurred To Me
  8. 8. Heroin Lovers
  9. 9. I Sail Ships
  10. 10. The Closest Exit
  11. 11. Wild Thing
  12. 12. Dangerous Neighborhood

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