laut.de-Kritik

Gelungene Weirdness und einschläfernder Teestubenjazz.

Review von

Wenn der gemeine Jazzer aus seinem Umfeld ausbricht und sich anderer Musik hingibt, gar dem Pop frönt, scheint das Geschreie der Jazzgemeinde vorprogrammiert. Schließlich ist Jazz für den waren Musiker die einzig ernstzunehmende, raue und lebendige Alternative, alles andere Pillepalle. Noch verbissener als manch ein possierlicher Alternative-Hipster, der nach 2.000 verkauften Platten mit seiner einstigen Lieblingsband bricht, wittert der gemeine Jazzer den Ausverkauf. Schließlich gilt es, das wahre Schöne und Gute zu verteidigen und vor dem Eindringen unreiner Genres zu bewahren. Das wird man doch wohl noch sagen dürfen.

So erging es einst Herbie Hancock mit "Future Shock" oder Weather Report mit "Heavy Weather". Selbst Miles Davis war mit '"You're Under Arrest" nicht gegen diese Wut gefeit. Dem Robert Glasper-Experiment wird es nach dem heftigen Flirt mit Soul, R'n'B und Hip Hop auf "Black Radio" nicht anders ergehen. Zu weit ist das Ergebnis vom puristischen Sound der bisherigen Glasper-Aufnahmen entfernt.

Das Grundgerüst für die druckvollen Aufnahmen liefern Derrick Hodge am Bass, Chris Dave am Schlagzeug, Casey Benjamin an allen möglichen Spielzeugen und, natürlich, Robert Glasper. Dieser spielt, als wäre im die Musik um ihn herum egal. Abgelöst von der Wasseroberfläche einschränkender Songstrukturen, bildet er den Quell, aus dem das Wasser entspringt. Glasper lehnt sich zurück, lässt geschehen, führt die gradlinigen Kompositionen zu einem unverhofften Ausweg.

"Black Radio" beginnt nach einem kurzen Intro mit dem Latin-Jazz-Hit "Afro Blue" von Mongo Santamaria, anmutig vorgetragen von der göttlichen Erykah Badu, vom warm abgehangenen Groove von Chris Dave unterlegt.

Weitaus überzeugender als manche Cover-Version auf "Black Radio" gestalten sich die Eigenkompositionen. Als Begleitmusik zum Caramel Light Frappuccino ist "The Consequences Of Jealousy" mit Meshell Ndegeocello völlig ungeeignet. Mehr spannende Soundcollage als Song, verdient er den Namen Experiment noch am ehesten. Weitere Tracks dieser Art hätten dem Album gut gestanden.

Der Titeltrack "Black Radio" ist einfach ein derbes Stück Musik. Fast fiebrig treiben sich Yassin Bey und Robert Glasper gegenseitig voran. Das tief vertrackte "Always Shine" mit Rapper Lupe Fiasco und Bilal, der hier ulkigerweise an Boy George zu "Sold"-Zeiten erinnert, zeigt sich unverblümt und zerkratzt. In die gleiche Kerbe schlägt "Ah Yeah" mit Musiq Soulchild und Chrisette Michele.

"Cherish The Day", im Original von Sade, groovt sich nur langsam über dem Bass von Derrick Hodge und dem Schlagzeug von Chris Dave ein, ehe Lalah Hathaway einsetzt. Die Vocoder-Spielereien von Casey Benjamin erweisen sich hier, wie auch im weiteren Verlauf der Platte, als eher unpassend und nervig. "Gonna Be Alright" mit der strahlenden Ledisi und David Bowies "Letter To Hermine" mit Bilal präsentieren sich leider viel zu seicht.

Ein schmerzhaftes Vocoder-Ärgernis, einen Totalausfall dokumentiert der Nirvana-Klassiker "Smells Like Teen Spirit". Die interessanten Ansätze und Aspekte der Instrumentierung werden durch die unangenehm verzerrte Stimme im Keim erstickt. Vielleicht hätte sich Courtney Love ihre Wut und Energie für dieses Cover aufheben sollen, anstatt blind auf den schönen Barbershop-Gesang von Sam the Eagle, Rowlf, Link Hogthrob und Beaker im letztjährigen Muppet Film loszugehen.

Das Experiment mit der schwarzen Zugänglichkeit des Soul und R'n'B gelingt Robert Glasper nur teilweise. "Black Radio" teilt sich in zwei Sparten: Gelungene Weirdness und einschläfernder Teestubenjazz.

Trackliste

  1. 1. Lift Off (Feat. Shafiq Husayn / Mic Check)
  2. 2. Afro Blue (Feat. Erykah Badu)
  3. 3. Cherish The Day (Feat. Lalah Hathaway)
  4. 4. Always Shine (Feat. Lupe Fiasco And Bilal)
  5. 5. Gonna Be Alright (F.T.B.) (Feat. Ledisi)
  6. 6. Move Love (Feat. King)
  7. 7. Ah Yeah (Feat. Musiq Soulchild And Chrisette Michele)
  8. 8. The Consequences Of Jealousy (Feat. Meshell Ndegeocello)
  9. 9. Why Do We Try (Feat. Stokley)
  10. 10. Black Radio (Feat. Yasiin Bey)
  11. 11. Letter To Hermione (Feat. Bilal)
  12. 12. Smells Like Teen Spirit
  13. 13. Fever (Feat. Hindi Zahra)

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