laut.de-Kritik

Vernichtung des guten Geschmacks in der Carpe-Diem-Matrix.

Review von

Ein abermals zynisches Machwerk, das Robin Schulz hier auftischt. Das ist der DJ & Producer mit der turmhohen Gelfrisur und der runden Sonnenbrille, die Anfang der 2010er Hängengebliebene gerne ihren Katzen über die Augen fotomontieren.

Das ist der DJ & Producer, der mit jedem seiner Alben mehr eincasht, als es seine Fans mit V-Ausschnitt in der Dorfdisco wahrscheinlich in ihrem Leben tun. Und das ist der DJ & Producer, bei dem angenommene Review-Aufträge mit einer gehörigen Portion Scham einhergehen, weil die eigene WG mitbekommen könnte, was da aus den eigenen Boxen leiert.

Satte 17 Titel finden sich auf "IIII", der Großteil davon mit weiblichen, manche mit männlichen Radioformatstimmen garniert, manche instrumental. Manche schneller, manche etwas langsamer, ausnahmslos alle für den Fernsehgarten oder für eine Performance neben dem debil grinsenden Schweini im Sportstudio bei der heiß antizipierten EM2021 geeignet.

Alle höchstens um die dreieinhalb Minuten lang, soweit das ungeschulte EDM-Ohr erkennen kann größtenteils neue Produktionen, deren tatsächlicher Neuheitswert naturgemäß dennoch gen Null tendiert. Eine Leiche hat Schulz aber doch gefunden und besonders mies zugerichtet: Wes' "Alane", das im Original zur richtigen Zeit sympathisch-alberne Weltmusik darstellt und hier auf perfide Art noch stadiontauglicher gemacht wird.

Auch Sportskamerad Felix Jaehn hat mit Schulz an den Reglern geschraubt, und zwar für "One More Time" an neunter Stelle. Als Sängerin fungiert Alida, die sich mit ganzen zwei Auftritten an die Spitze des Feature-Feldes setzt und hier Lana del Rey kopiert. Große Carpe-Diem-Matrix: Obwohl es der letzte Kuss, der letzte Sonnenuntergang sein soll, wiederholen sie das Prozedere einfach.

Tiefsinniger wird's nicht mehr, kein Track des Albums hebt sich nennenswert vom anderen ab. Wieso sich also Mühe bei der Besprechung geben, wenn der Musiker das beim Album zu keiner Sekunde vorhatte? Der Rubel rollt auch so, auch wenn ein mögliches Zielpublikum noch immer schwer auszumachen ist. Abseits von Sportübertragungen und Radio natürlich.

Am ehesten pumpen sowas latent homophobe Bros, eventuell noch aus Kreisklassentruppen, die sich zum Saufurlaub in Lloret oder Malle zusammengerottet haben. Was ja irgendwie paradox ist, führt man sich vor Augen, wie, nach traditionellem Männlichkeitsideal, entmaskulinisiert dieser Sound klingt.

Wahrscheinlich geht's aber einfach um die Vernichtung des guten Geschmacks, um das rücksichtslose Degradieren von Musik zum affektiven Gleichmacher. Das ist das Elixier, das dich zum Arschloch macht. Und Schulz schenkt kräftig ein. Wohl bekomm's.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. In Your Eyes feat. Alida
  3. 3. Speechless feat. Erika Sirola
  4. 4. Live And Let Live feat. Sam Martin
  5. 5. All We Got feat. Kiddo
  6. 6. Alane w/ Wes
  7. 7. Better With You feat. Svrcina
  8. 8. All This Love feat. Harloe
  9. 9. One More Time w/ Felix Jaehn feat. Alida
  10. 10. Make Me Feel The Night
  11. 11. It's Only For You
  12. 12. Kill The Fire feat. The Leonard
  13. 13. Dream feat. Colour Your Mind
  14. 14. Rather Be Alone w/ Nick Martin, Sam Martin
  15. 15. Float
  16. 16. Feel Somethin feat. Saygrace
  17. 17. Outro

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