laut.de-Kritik
Parforce-Ritt durch Western, Disco, Balladen und Blues.
Review von Philipp KauseRod Stewart war nie der Typ, der vor lauter Eigenkompositionen überschäumend auf den nächsten Releases hinfiebert, um sich mitzuteilen. Ein neues Album im Vorweihnachtsgeschäft birgt daher das Risiko der Langeweile. Die Texte und Stimmungen seines Spätwerks "Blood Red Roses" lesen sich jedoch wie Lebensrückblicke oder als Danksagung an das Erlebte. Sie setzen etliche Impulse und geben nur anfangs zum Gähnen Anlass. Der Spaß springt spät über, tut es aber.
Mit der Stimme als seiner wichtigsten Zutat strahlt Rod Fitness aus. In manchen Songs erscheint mir der Gesang zu weit in den Hintergrund gemischt. Gut in Form, arbeitet sich der Britrocker der ersten Stunde durch Blues, Country, Balladen, dies und das. Überwiegend legt der Sänger eigene Co-Kompositionen vor.
Beim ersten Durchlauf begeistern mich insbesondere die drei Bonustracks. Ohne sie würde ich mir das Album gar nicht kaufen. Mit ihnen handelt es sich jedoch um ein interessantes und schönes, abgerundetes Produkt. Zunächst legt "Blood Red Roses" aber einen Fehlstart hin. "Look In Her Eyes" klingt zwar in den ersten Takten frisch, biedert sich aber mit einer Dance-Aufmachung unnützer Weise an heutige Hörgewohnheiten an - obwohl es auch vorgibt ein Rocksong zu sein. Solche unentschlossenen Rock-Pop-Brei-Geschichten folgen (leider) Schlag auf Schlag. Auf "Hole In My Heart" herrschen 70er-Jahre-Classic-Rock-Gitarrenläufe vor, ein Glampop-Southern Rock-Stampfer aus dem Gefilde zwischen Suzi Quatros frühen Songs, T. Rex, John Fogerty und Status Quo. Ein Okay-Track, aber ich vermisse noch die augenzwinkernden Zwischentöne, für die dieser Mann doch bekannt ist.
"Farewell" (ein neues, nicht das "Farewell" aus dem 1974er-Longplayer "Smiler") passt für eine Landstraßenfahrt. Auch ein Okay-Track, man hört ihn am besten nebenbei. Rod trauert um einen verstorbenen Freund, lese ich in der Presseinfo. Doch die Botschaft erreicht mich leider nicht.
In "Didn't I" gleicht die schöne Stimme von Gastsängerin Bridget Cady das grauenerregend dumpfe Schlagzeug oder Drum Programming aus. Die junge Dame taucht noch zwei Mal auf und erweist sich als Rods Glücksgriff. Der Titelsong "Blood Red Roses" mit Western-Fiddle und Banjo schreitet als erster Tune aus dem Einerlei heraus. Um die Romantik roter Rosen gehts in dieser Story nicht, sondern um eine riesige Frau, die der Held der Geschichte als "Killer of a vamp" bezeichnet.
Das dramaturgisch danach völlig verlorene "Grace" klingt tatsächlich nach roten Rosen. Ich hätte diesen Song rausgeschmissen, weil ich ihn zu dick aufgetragen und sirupartig finde. Freilich handelt es sich um schöne Gebrochene-Herzen-Musik ("Oh Grace, just hold me in your arms and let this moment linger (...) I placed this wedding ring upon your finger").
In "Rest Of My Life" fängt Rod dann alles, was Motown Soul ausmacht, vorbildlich ein. Der Schönheitsfehler: Ein fetterer Bass und eine bessere Abmischung täten dem Track wirklich gut. Der Sir blickt hier erstmals auf sein Leben zurück. Ich finde, das ist stimmig und glaubwürdig.
Ein Höhepunkt des Album ist der "Vegas Shuffle" als Hillbilly-beeinflusster crazy überdrehter Classic Rock Tune mit gepitchten Background Vocals. Oh yeah! Solche Musik mit rhythmischer Lockerheit und Raumklang-Tiefe wünsche ich mir von manchen Starkstrom-Gruppen unserer Tage wie Kissin' Dynamite sehnlichst. Somit zeigt der 73-jährige Rod, dass es ihn und die alte Rocker-Garde unbedingt noch braucht: Leicht aufgespielter "Hard Rock Café"-Sound mit bluesigem Einschlag und dem befreiten Groove der 70er lautet hier sein Rezept. "Honey Gold" und "Cold Old London" überzeugen als runde Songs, die zu Stewart und seiner Duettpartnerin absolut gut passen.
"Who Designed The Snowflake (Bonus Track)", wäre mir persönlich egal, denn wann schneit es in Mitteleuropa schon im 21. Jahrhundert? Jetzt ist der Song aber so wahnsinnig gut gespielt, dass ich wieder und wieder auf "Zurück" drücke und ihn ein ums andere Mal hören will. Da baut sich ein langes Intro auf, sphärische Synthie-Flächen setzen ein, ab und zu ein Gitarrenakkord, und nach über einer Minute fügt sich unauffällig ein Klavier hinzu. Der nur einmal gesungene Chorus zieht mich mit seiner Akkordfolge sehr in Bann, auch wenn er zwischen Kitsch und Vocal Jazz changiert.
1962 - als er 17 war - sei für junge Damen ein gutes Jahr zum Flirten in den Grünanlagen von Kleinstädten gewesen, erzählt Rod Stewart in "It Was A Very Good Year (Bonus Track)", das im Original vom Trompeter Bobby Bryant und der Sängerin Della Reese stammt. Es geht schnell weiter in seinem Leben mit adligen jungen Damen in Limousinen, und die hatten demnach ein gutes Jahr, als er 35 war (1980). Doch mit 53, meint er, habe er die Dame für immer gefunden. Geigen und Cello untermalen quiekend und brummend mit putzigen Tremolos diese Lebensphase. Nun, im "Herbst seines Lebens" ("autumn of my life") angekommen, sei ebenfalls ein gutes Jahr. Angejazzter Filmmusik-Style setzt dieser Ballade den Hut der Eleganz auf. Rod Stewart blickt entspannt auf ein glückliches Leben zurück.
Klar, dass dieser größtenteils in der Soft Rock-Ästhetik des Rod-Klassikers "A Spanner In The Works" von 1995 verharrende Stil heute niemanden mehr umhauen wird. Insbesondere hatte Rod Stewart sich traditionell an ein weibliches Publikum adressiert – aber orientieren sich die Frauen, die heute Teenager oder 20, 25 Jahre jung sind, nicht eher an Influencerinnen und weiblichen Musikerinnen als an einem romantischen Crooner?
Zum Schluss überrascht Rod the Mod noch mit einem lustigen Calypso-Reggae-Titel: "I Don't Want To Get Married (Bonus Track)". Da sehen wir den verschmitzten Rod Stewart wieder, der eben immer der kleine, freche Junge bleibt. Einen netten, niemals erwachsenen, immer staunenden und für alles offenen, doch bindungsunwilligen Typen, den jeder gern hat und der doch mit einer nur fürs Showbiz tauglichen Frisur herumläuft. Den Typen Rod und seine Stimme und Ausstrahlung kauft man mit der Musik natürlich mit, wenn man zu "Blood Red Roses" greift.
1 Kommentar
Rod Stewart macht super int.... intere......interessante....