laut.de-Kritik
Die Samt-Stimme bekennt sich zum melodiösen Soul-Pop der Neuzeit.
Review von Mira Betkas"Seal IV" nennt sich schlicht das neue Album des Herrn mit der sanften Stimme, die sich so samtig in die Gehörgänge williger Popmusikfans schmeichelt. Wer sich 1990 noch über Adamskis gelungene Gesangsparts in "Killer" gewundert hatte, weiß spätestens seit "Kiss from a Rose" aus Seals zweiter CD (besser bekannt aus dem "Batman forever"-Soundtrack), wem das bemerkenswerte Organ nun wirklich gehört.
In seiner nunmehr vierten Veröffentlichung bekennt sich Seal zum ruhigen, melodiösen Soul-Pop der Neuzeit, in dem sich die meisten Songs bewegen. Mal fröhlich-flott, mal schwermütig-sehnsüchtig versucht er, dem geneigten Zuhörer seine Botschaften von Menschlichkeit und Verständnis für unsere Mitmenschen näher zu bringen. Dabei heraus kommt allerdings oft nur Hintergrundmusik für eine entspannte Stunde am Bügelbrett.
Richtig bar-tauglich startet die erste Nummer mit schummrigen Pianoklängen und verspricht Interessantes, bevor "Get it Together" in streicheruntermalten und bläserakzentuierten, insgesamt etwas leichtlebigen Soul umschlägt. Haben wir uns erst einmal an den neuen Beat gewöhnt, nimmt uns "Love's Divine" gleich wieder den Wind aus den Segeln. "I need Love"" klagt Seal zu regnerisch-trüben Klavierklängen und hofft auf bessere Zeiten. Grrrroovig reißt uns "Waiting for You" wieder aus der Schlechtwetterstimmung, und hier passt der glamouröse Chorus zum ersten Mal wirklich zum rauen Vers-Teil. Plötzlich ertappt sich der bügeleisenschwingende Zuhörer tatsächlich beim Mitwippen ... Sphärenklänge? Nein, dynamisch trägt uns "My Vision" in Seals flotte Zukunftsvisionen, treibt den Bügler zur Akkordarbeit. Wo soll das alles nur hinführen?
Nun, zunächst zurück zur Bar. Bluesig holt uns die Samtstimme zurück an den cocktailbekleckerten Tresen im jetzigen, schwermütigen Dasein. But not for long. Seal holt aus zum letzten knackigen Groove: "Let Me Roll" drängt auch den trägsten Hemdenplätter zum Tanz um das Brett, hat er denn ein bisschen Rhythmus im Blut. Leider, leider driftet die Platte jetzt in die zuckersüßen Gefilde des altbackenen schnulzig-seichten Soul-Pop ab. Da kann auch der etwas starr geratene Reggae "Where there's Gold" nicht mehr viel retten, zu dem Seal eine gewagte Mischung aus spätem Bob Marley und einer Prise Eek a Mouse mit einem Pop-Refrain zusammen mischt. Spätestens bei "Tinsel Town" sinkt der Kopf auf das Bügelbrett. Erst der blanke Discobeat des Bonus Tracks lässt ihn wieder aufschrecken - und hastig zur Stoptaste greifen?
Mich hat "Seal IV" schlichtweg enttäuscht, weil ich sowohl gesanglich als auch musikalisch höhere Erwartungen in diesen Musiker gesetzt hatte. Die Platte reicht weder an die Komposition und stimmliche Virtuosität der Single "Kiss from a Rose" heran, noch erreicht sie die Eingängigkeit von "Fly like an Eagle". Die Songs beginnen fast alle mit schrägen, rauen Klängen oder Gesangsparts, um nach zwei oder drei Takten doch wieder auf der Standardpop-Schiene zu enden. Lichtblicke im seichten Dunkel sind einzig die dynamischen "Waiting for You" und "Let me Roll". Schade.
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