laut.de-Kritik

Der originale Soul der besseren Amy Winehouse.

Review von

Wenn es wirklich noch eines Beweises bedürfte, dass Major-Labels blind und taub, aber leider ganz und gar nicht stumm sind, Sharon Jones wäre das laufende Exempel. Zu klein, zu fett, zu alt, zu hässlich und sogar zu schwarz sei sie und wurde reihenweise aus den Büros der einschlägigen A&Rs geworfen. Letztlich setzte man zumindest bei Universal lieber auf ein weißes, jüngeres und größeres Mädchen aus London Camden.

Dass Frau Winehouse trotz eines Altersunterschieds von fast drei Jahrzehnten nicht im Ansatz eine solche Live-Bestie wie Sharon Jones ist, durfte man im Rahmen der "100 Days, 100 Nights"-Tour von 2007 hautnah erleben. Falls jemals die Frage im Raum steht, wie James Brown mit einem zweiten X-Chromosom seine Konzerte gefeiert hätte: Sharon ist die Antwort.

Es ist zwar einerseits ein Jammer, dass sie diese Energie wie schon beim Vorgänger abermals nicht auf Platte gepresst bekommt. Andererseits zeigt sich dadurch die ungemeine Höhe, in der "I Learned The Hard Way" über allem anderen schwebt, was der Vintage Soul-Ecke zugerechnet wird. Denn was will man der mittlerweile vierten Platte außer diesem konstruierten Kritikpunkt bitte vorwerfen?

Zumal der vermeintliche Tadel einigermaßen konzeptgeschuldet ist. "I Learned The Hard Way" bewegt sich ein Stück weit weg vom dreckigen Deep Funk-Spektakel der "100 Days, 100 Nights", wird souliger und fordert damit vergleichsweise eher die Sängerin als das Reibeisen Sharon Jones - selbstverständlich ohne Letzteres völlig abzulegen.

Denn sie schmachtet freilich nicht in emotionalen Tiefen und gibt das verletzte Weibchen wie Wendy Renee oder Ann Peebles, sondern bleibt den einschlägigen Texten über Liebe, Kummer und ehemalige Männer zum Trotz die zumindest teilweise rotzige Powerfrau. "Better Things" passt da mit seinem eingängigen Trompetenthema und dem unerhört funky Gitarrenschlag wie die Faust aufs Auge: "I got better things to do than remember you."

Ohnehin ist es immer wieder die für die Dap Kings beinahe schon typische Gitarre, die die Songs durchdringt. So auch in "Mama Don't Like My Man", das in seiner bluesigen Couleur unmittelbar an Sam Cookes Schaffen erinnert, allerdings ohne dessen kitschig überhöhte Arrangements. Derlei gibt es Dank der obligatorischen Streicher in der Eifersuchts-Hymne "Window Shopping": Mann hat gefälligst nicht den anderen hinterherzustarren, sondern Sharon als Mittelpunkt zu erachten.

Das zu erreichen fällt ihr in den von Bläsern getragenen Opener "The Game Gets Old" und dem Titeltrack "I Learned The Hard Way" nicht schwer. Angeknockt und genervt vom ewigen Kampf mit der und um die Liebe, wirkt sie aber doch kräftig genug, den Zuhörer auf ihre Seite zu ziehen.

Rasanter nach vorne geht es in "She Ain't A Child No More", "I'll Still Be True" und besonders "Money": "Money, where have you gone to? Money, where are you hiding?" Welche Mittel ergriffen werden müssen, um mehr Geld in der Tasche zu haben? Vor ein paar Jahren hieß die Antwort noch: "What if we all stop paying taxes?"

So wenig Frau Jones als Finanzberaterin zu gebrauchen ist, so laut werden die Kassen bei ihren nächsten Konzerten wieder klingeln. Denn sie steckt das mittlerweile durch den Retro-Hype doch arg gebeutelte Genre mit links in die Tasche, weil sie einen Vorzug hat, der sie von fast allen anderen unterscheidet: Das ist kein Retro, das ist kein Vintage, das ist der original Soul der ewig jungen Queen of Funk. Und das schon seit dem Jahr 1956.

Trackliste

  1. 1. The Game Gets Old
  2. 2. I Learned The Hard Way
  3. 3. Better Things
  4. 4. Give It Back
  5. 5. Money
  6. 6. The Reason
  7. 7. Window Shopping
  8. 8. She Ain't A Child No More
  9. 9. I'll Still Be True
  10. 10. Without A Heart
  11. 11. If You Call
  12. 12. Mama Don't Like My Man

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