16. März 2005

"Letztendlich ist Blind Guardian ein bezahlter Job"

Interview geführt von

Und tatsächlich: Sieges Even haben sich wieder mit Original-Gitarrist Markus Steffen zusammen getan und auch einen neuen Sänger am Start. Auf dem vorerst einzigen Gig in Deutschland Ende 2004 fühlte laut.de-Redakteur Edele Basser Olli und Neuzugang Arno Menses auf den Zahn. Für das bereits eingespielte, neue Album "The Art Of Navigation By The Stars", das im Frühjahr erscheinen soll, ist noch kein Veröffentlichungstermin bekannt.

Arno, du bist der neue Mann bei Sieges Even. Wie kam es dazu?

Arno: Ganz simpel über die Homepage der Jungs. Ich las da eines Tages, dass sie einen neuen Sänger suchen und hab mich spontan für den Job beworben. Ich hatte sie schon mal in Rotterdam getroffen und die Werbung auf der Seite lautete: "Wenn du die Stimme hast, melde dich!" Das habe ich getan und siehe da, sie haben sich danach bei mir gemeldet. Ein paar Wochen später haben wir uns dann getroffen, um ein paar Songs zusammen aufzunehmen, und es hat einfach fantastisch funktioniert.

Dabei war es ja eigentlich nicht geplant, Sieges Even zu reformieren, oder?

Olli: Nein, als wir die Band damals aufgelöst hatten, schien das echt das Ende zu sein. Selbst als wir Markus kontaktierten, um mit ihm wieder Musik zu machen, war das nicht unter dem Banner Sieges Even geplant. Das war auch 'ne sehr spontane Sache. Mein Bruder (Alex, Drummer) hat ihn eines Nachts nach ein paar Bier angerufen und gefragt, ob er nicht Bock hätte, mit uns zusammen musikalisch was auf die Beine zu stellen. Das hatte er und nachdem ein paar Songs fertig waren, fragte Alex schließlich bei André Matos an (u.a. Ex-Angra, Seven Witches), ob er nicht dazu singen will. Das tat er dann und wir nannten das Project schließlich Looking Glass Self. Als sich aber kein Labelinteresse abzeichnete, hat sich André wieder um seine eigenen Sachen gekümmert und wir stellten eben die besagte Sängeranzeige ins Netz.

Wie seid ihr denn auf André Matos gekommen? Hat der zu der Zeit in Deutschland gelebt?

Olli: Ja, zum Teil. Seine damalige Freundin wohnte in Nürnberg und er war somit immer wieder in der Gegend. Das war also nicht wirklich das Problem. Außerdem waren wir als Band immer noch ein wenig am herum experimentieren, ob wir eben als Looking Glass Self weitermachen oder doch als Sieges Even. Machen wir was Neues, oder eher back to the roots, wohin soll die Reise gehen, was auch immer. Das hat aber irgendwie zu nichts geführt, weshalb wir uns schließlich sagten: "Jetzt lassen wir's einfach laufen und sehen, was dabei raus kommt." Letztendlich kam dabei jede Menge Sieges Even raus, weswegen wir uns auch wieder so nennen.

Welche Gründe waren eigentlich ausschlaggebend für den Split damals?

Olli: Oh Mann, wirklich der ganze Scheiß, den du sonst immer in Interviews liest. Wir waren ausgebrannt, der Erfolg hielt sich in engen Grenzen und keiner konnte den anderen mehr so richtig riechen. Es machte einfach keinen Spaß mehr. Wir hatten das Gefühl, uns zu wiederholen und der einzige Grund, warum wir noch neue CDs aufnahmen, war der Vertrag. Das Feuer war einfach aus. Markus hatte diese Konsequenz ja schon früher gezogen und bei uns stellte sich das nach und nach auch ein.

In der Zeit danach waren Alex und du ja bei einer ganzen Reihe anderen Bands beschäftigt. (Olli spielte bei Blind Guardian und Paradox, Alex trommelte für Rhapsody).

Olli: Naja, so viele waren das jetzt auch nicht. Die Kontakte ergeben sich einfach, wenn man schon einige Zeit im Musicbiz unterwegs ist. Wenn es darum geht, irgendwo als Studiomusiker was zu machen, kommt irgendwann durch Zufall dein Name ins Gespräch und es folgt eine Anfrage, auf die du entweder eingehst oder sie ablehnst. Bei Blind Guardian war es so, dass Charlie Bauerfeind meinen Namen ins Spiel brachte und so ergab das eine das andere. Bei Alex war das mit Rhapsody ähnlich, da Sascha Paeth in die Aufnahmen von "Sophisticated" involviert war. Als bei Rhapsody der Drummer fehlte, war Alex die erste Wahl. Es war aber zu keiner Zeit so, dass wir uns nach den Jobs ungeschaut oder gesucht hätten. Sie wurden an uns heran getragen und waren allesamt sehr interessante und auch wichtige Erfahrungen.

Waren das alles nur Jobs? Bei Blind Guardian bist du live jetzt schon einige Zeit mit dabei. Fühlst du dich da auch involviert oder einfach nur als bezahlter Bassist?

Olli: Also prinzipiell handelt es sich dabei um einen bezahlten Job, aber bei Blind Guardian fühle ich mich emotional doch schon involviert. Die Jungs sind einfach alle sehr sympathisch und auch Tour fühle ich mich als Bandmitglied. Auf's Songwriting habe ich aber definitiv keinen Einfluss. Die Arbeit mit den Jungs macht mir jede Menge Spaß und ich bin jederzeit wieder mit dabei, aber letztendlich ist es ein bezahlter Job. Emotional ein wenig mehr, aber eben doch ein Job, haha.

Siehst du da in Zukunft Probleme auf dich zukommen, wenn es darum geht, eher mit Blind Guardian oder Sieges Even auf Tour zu gehen?

Olli: Nicht wirklich, denn das ist immer eine Frage der Organisation. Man muss das ja auch mit seiner Familie unter einen Hut bekommen und es sollte wirklich kein Problem darstellen, zwei Tourneen so zu organisieren, dass sie sich nicht überschneiden. Ich meine, hey, was erwartest du von einer Sieges Even-Tour? Um die Welt wird's dabei nicht gehen. Wenn wir zwei Wochen am Stück unterwegs sind, ist das schon ein Riesenerfolg, haha.

Arno, ist das dein erster Auftritt mit Sieges Even in Deutschland?

Arno: Nein, nicht wirklich, wir hatten schon einen in München. Der ging zwar nur einen Song lang, aber da hatte ich die Hosen auch schon ganz schön voll. Von daher hast du schon recht, das hier ist der erste richtige Gig in Deutschland. Für Frankfurt haben wir uns entschieden, weil wir primär ein paar Labels von uns überzeugen wollen, die extra dafür hergekarrt werden. Frankfurt liegt ja relativ zentral in Deutschland, deswegen spielen wir hier und nicht in München. Das ist sowas wie eine Do-Or-Die Sache. Wenn wir ein Label live auf der Bühne überzeugen können, dann schaffen wir das auch im Studio.

Erzähle doch mal etwas über deinen Background.

Arno: Ich komme aus Rotterdam und habe bisher in Bands Schlagzeug gespielt und die Backing Vocals übernommen, die so in die Richtung Symphony X und andere klassisch orientierte Sachen gingen. Das ist also meine erste Band als Sänger, zumindest als einziger Sänger.

Aha, also die Genesis-Sache.

Arno: Ja, sozusagen, hahaha.

Bist du inzwischen nach Deutschland umgezogen, oder wie läuft das bei euch?

Arno: Nein, ich lebe immer noch in Rotterdam und gehe da meinem ganz normalen Job nach, damit ich meine Miete und mein Auto bezahlen kann. Ich bin aber ein absoluter Die Hard-Sieges Even-Fan und wollte um's Verrecken irgendwie Teil der Band sein. Gegen Alex konnte ich aber im Leben nicht anstinken und sie suchten eben nur einen Sänger. Was blieb mir also anderes übrig? Mann, bin ich froh, dass ihnen meine Stimme letztendlich gefallen hat, haha.

Das neue Album soll auf den Namen "The Art Of Navigation By The Stars" hören. Den Gerüchten nach besteht es aus nur einem Song.

Arno: Korrekt. Auch wenn die CD letztendlich in fünf oder sechs anwählbare Songs unterteilt sein wird, handelt es sich eigentlich um ein Gesamtwerk. Vor allem, was die Lyrics angeht, handelt es sich um eine zusammenhängende Geschichte.

Olli: Musikalisch werden auch immer wieder vorangegangene Themen neu aufgegriffen und leicht variiert, wie man das aus der Klassik kennt. Es ist sozusagen ein großes Bild, welches aus kleineren, interessanten Motiven aufgebaut ist. Man betrachtet zunächst vielleicht nur jedes einzeln für sich, aber je weiter man zurückgeht und sich dem ganzen Werk widmet, desto mehr fügen sich die Teile zusammen.

Was haben wir textlich von dem Album zu erwarten?

Arno: Wow, da fragst du fast den Falschen. Die Texte stammen komplett von Markus, aber soweit ich das beurteilen kann und soweit ich mir meine Gedanken dazu gemacht habe, handeln sie von einem Menschen, der sein bisheriges Leben Revue passieren lässt und sein Resumé zieht.

Ist das Album eigentlich schon fertig aufgenommen? Sprich, müsst ihr nur noch einen Abnehmer für das fertige Produkt finden?

Arno: Wir sind so gut wie fertig. Ein paar Kleinigkeiten müssen noch erledigt werden, die Tüpfelchen auf dem "i" sozusagen. Es ist doch inzwischen beinahe unmöglich, an einen Deal heranzukommen, wenn man nicht schon das fertige Produkt anbieten kann und nur noch einen Vertrieb benötigt. Erst wenn sich das Album verkauft, kann man über anderen Sachen reden.

Dann hoffe ich mal, dass demnächst "The Art Of Navigating By The Stars" in meinen Briefkasten flattert.

Das Interview führte Michael Edele.

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Sieges Even

Lange bevor München hauptsächlich dank paarungswütiger Fußballer bzw. Vereinspräsidenten und Möchtegern-Bundeskanzler bemitleidenswerte Aufmerksamkeit …

Noch keine Kommentare