laut.de-Kritik
Abwechslungsreicher Crossover wider den Maschendrahtzaunismus
Review von Rainer HenzeCrossover mag ich ja eigentlich gar nicht mehr. Diese Musik war irgendwann in den 90ern mal nötig, um die konservative Indie-Rock-Fraktion zu Beats zu bekehren, damals war sie wild und aufregend - aber heute...? Heute gibt's in dieser Richtung nur noch müde Kopien, Pseudo-Wildness mit ewigselben Riffs und lahmem Gegröle. Eigentlich dürfte ich diese Platte also nicht mögen.
Ich mag diese Platte. Und das nicht nur wegen des Sympathie-Vorschusses, den diese zornigen jungen Männer aus diesem ostniedersächsischen Städtchen bei mir ohnehin genießen. Nein, auch wenn viele Songs der Genre-Logik von getragener Strophe und brachialem Refrain gehorchen, ist Such A Surge hier insgesamt ein angenehm abwechslungsreiches Album gelungen.
Dass "Tropfen" mit Mut zur Melodie unter Verzicht auf besagten Brachial-Refrain ein klasse Song ist, weiss man ja schon länger. Und mit "Wenn Du Fällst" haben SAS sogar einen waschechten und gar nicht peinlichen Popsong am Start. "Black Flat Pill" wird dann wieder eher die Fans der alten Schule begeistern, aber im Kontext der Gesamtplatte sind fast alle Stücke gut. Nur Track 9 fällt etwas ab und auch die zweite Single-Auskopplung "Chaos" gehört nicht unbedingt zum stärksten, featured dafür aber Ferris MC und das ist Grund genug.
Reimetechnisch müssen sich die alten Haudegen natürlich heutzutage mit den Erzeugnissen der deutschen Hip Hop-Klasse von '99 messen lassen. Und da wirken sie an mancher Ecke doch holprig - was man auch mit Authentizität übersetzen kann. Denn SAS haben schon immer recht geradeaus getextet, was sie angreifbar macht, aber eben auch sympathisch. Denn angesichts der ganzen Trash-Begeisterung in diesen Zeiten des totalen Maschendrahtzaunismus tut es gut zu hören, dass es immer noch Menschen gibt, die sich angemessen auskotzen können über Nachmittagstalkshows und rappende Soap-Deppen.
"Der Surge Effekt" wird die Fangemeinde mit Sicherheit auf hohem Niveau halten - in jedem Sinne. Vielleicht können SAS sogar vom derzeitigen Deutsch-Hip-Hop-Boom profitieren. Gerade weil sie darauf nicht spekuliert haben, wäre es ihnen zu gönnen. Aber wahrscheinlich fehlt dafür die zugkräftige Single, denn auch wenn die Platte gut durchhörbar ist - ein Smash-Hit a la "Jetzt Ist Gut" fehlt diesmal leider.
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