laut.de-Kritik
Gitarren- und Indie-Rock mit ganz viel Seele.
Review von Mathias MöllerEine düstere Nachrichtensprecher-Collage kündigt die Rückkehr von Ted Leo & The Pharmacists mit "Living With The Living" an. Doch das kurze Intro mit dem Unheil verkündenden Titel "Fourth World War" trügt, denn "The Sons Of Cain" zeugt zumindest der Musik nach von einem ungetrübten Positivismus. Aber schon wieder: Trug! Es geht ums alleine sein und das Verlassenwerden. Und die Erkenntnis: "I've got to sing just to exist (and to resist)".
Ted Leo und seine Apotheker Dave Lerner und Chris Wilson sind nach ihrem großartigen "Shake The Sheets" von 2005 zurück mit einem Album, das sich gewaschen hat. Das Trio steckt den Rahmen diesmal viel weiter, um der Pflicht zu entgehen, den Vorgänger toppen zu müssen. Konnte man auf "Shake The Sheets" noch den Punk deutlich heraus hören, wird "Living With The Living" von ganz viel Seele getragen.
Spätestens mit "Army Bound" hat man das Album in sein Herz geschlossen. Die hintergründigen Lyrics tun ihr Übriges, Wortspiele wie "In every cradle there's a grave now, In every owner there's a slave now" lassen den Hörer schon etwas länger grübeln, um welche Ecke hier gedacht wird. Gesellschaftskritik? Konsumkritik? So einfach kriegt man sie nicht von Ted Leo.
Das butterweiche "Who Do You Love?" gehört sicher zu den ganz großen Songs des bisherigen Jahres, die Gitarrenriffs sind Indierock amerikanischer Prägung par excellence. "Colleen" plätschert etwas harmlos vor sich hin, doch schon "A Bottle Of Buckie" lässt die Sonne wieder aufgehen: "Me and you and a bottle of Buckie" am Ufer des River Clyde, so schön kann das Leben manchmal sein. Eine Liebeserklärung an Glasgow?
Das ungewöhnlich harte "Bomb.Repeat.Bomb" wirkt danach fast wie ein Fremdkörper auf dem Album. Doch schon "La Costa Brava" lässt den vorhergehenden Song wie einen kurzen Albtraum erscheinen. Der schneidende, schreiende Gesang weicht wieder der süßlich-weichen Stimme, die man gewöhnt ist. Ted Leo proklamiert: "Everyone needs a sunday some days, everyone needs to take some time away." Wie Recht er doch hat. Und wenn Sonnenschein in Gitarrensound erklingen könnte, so würde er sich anhören.
"The Unwanted Things" kommt im stilechten Reggae-Outfit, eine wahre Wonne. "The Lost Brigade" leidet ein klein wenig unter seiner Länge. In der Folge geht leider der Schwung ein wenig verloren, das schwerfällige "The Toro And The Toreador" mündet glücklicherweise in das flotte "C.I.A.", ein schöner Abschluss für ein großartiges Album, das erst gegen Ende Schwächen zeigt.