laut.de-Kritik
So hitverdächtig wie großmäulig.
Review von Martina KellnerDer Blood Arm-Sänger Nathaniel Fregoso stapelt nicht gerade tief. Nicht nur, dass er jedem konsequent unter die Nase reibt, The Blood Arm seien das nächste große Ding. Er scheut sich auch nicht, lang und breit darzulegen, was für ein cooler Mucker er doch ist: Das Debüt strotzt nur so vor Selbstverliebtheit! Dabei erfindet das Quartett um Egozentriker Fregoso die Musik sicher nicht neu, amüsant ist die Gitarren-Schlagzeug-Piano-Mischung aber allemal. Derart viel Großspurigkeit ist zwar nicht unbedingt charmant, zieht aber trotzdem und ist dazu überaus unterhaltsam!
Dementsprechend protzig startet Frontmann Fregoso in die Platte. "Yo, I lay down some fucking hits!", so seine Ansage zu Beginn. Klare Worte! Dahinter verbirgt sich aber zum Glück keine heiße Luft. "Lie Lover Lie" wartet mit einer gehörigen Portion hitverdächtiger Tracks auf. Vor allem "Stay Put!", "Suspicious Character" oder "Do I Have Your Attention?" besitzen Tanzbodenfeger-Potential erster Güte. Maßgeblichen Anteil daran trägt Keyboarderin Dyan Valdés, deren Piano-Hooks für gehörig Schwung und Groove sorgen.
Fregoso lernte die klassisch ausgebildete Pianistin zu Schulzeiten kennen. Angeblich stand sie dem Bandbeitritt aufgrund der angesprochenen Eindringlichkeit des Sängers zunächst skeptisch gegenüber, stieg dann aber doch ein. Ob es nun an seiner Überzeugungskraft oder an seiner Großspurigkeit liegt, Anklang findet Fregoso. So auch bei Franz Ferdinand-Sänger Alex Kapranos, der den Vierer in höchsten Tönen lobt – vielleicht auch, weil es zwischen The Blood Arm und den Schotten soundtechnisch deutliche Parallelen gibt. Auch The Strokes oder Louis XIV klingen hier und da an.
Textzeilen wie "Do I have your attention?" oder "I like all the girls and all the girls like me" untermauern, dass Fregoso ein ausgeprägtes Geltungsbedürfnis hat. Ebenso schmissig wie seine großmäulige Art kommen auch die Songs rüber. Besonders der Opener heizt gehörig ein – ohne Bass, dafür mit ambitionierter Gitarre und munter-hektischem Keyboarder schmettern The Blood Arm dem Hörer einen Indierock-Kracher nach dem anderen entgegen. In "Accidental Soul" stehen schrammelige Gitarren im Vordergrund, gepaart mit fegenden Drums. "Suspicious Character" fokussiert ganz auf die Künste von Frau Valdés. Da sich ein Fregoso natürlich nicht mit der Position "zweite Geige" zufrieden gibt, läuft er zu gesanglicher Höchstleistung auf.
"Angela" erinnert an den verqueren, zynischen Wortwitz eines Adam Green: "I miss you like a nuclear bomb", lautet hier das zweifelhafte Geständnis an die Liebste. Der Track beginnt mit ruhigen Pianoklängen, mit dem Refrain werden ordentlich Gitarre und Drums aufgefahren. "The Chasers" besticht durch catchy Backgroundgesang und polternde Klaviersounds. So auch "Mass Murder", ein Track, der vor hektischer Energie sprüht. "Visionaries" und "P.S. I Love You But I Don't Miss You" richten das Augenmerk auf rotzig-spröde Rock'n'Roll-Gitarren, im Stil der Subways oder Vines.
"Lie Lover Lie" liefert elf tighte, abwechslungsreiche und unterhaltsame Tracks. Alles hübsch verpackt und mit fantastischem Cover-Artwork versehen. Dass sich Sänger und Band auf dem Debüt ergiebigst selbst beweihräuchern, macht den kruden Mix aus Indie und Garage-Punk, der mit lautstarken Drums, holprigen Gitarren und groovigen Keyboards daher kommt, nur noch amüsanter.
11 Kommentare
Mal wieder ne richtig gute Pop-Performance oder Rock? Weiss gar nicht so genau. Hat aber auf Anhieb Spass gemacht. Gibt nicht wirklich einen Track zum Herausheben. Läuft flüssig durch und hat was Eigenständiges. Vielleicht ein bisschen Clash!? Macht Freude. jemand anderer oder gleicher Meinung?
Mhh Clash hör ich da nicht raus aber sonst ganz schickes Teil! Herrausheben würde ich aber Suspicious Character, das macht echt Spaß! "I Like All The Girls And All The Girls Like Me!" Kann man sich anhören...
War nur so, dass mir beim Reinhören ein, zweimal "Sandinista" in den Sinn kam. Irgendwie hat das schon seine Bewandtnis...
nach den ersten 5 tracks dachte ich schon an die jahrescharts - eigentlich waren die nächsten songs auch nicht viel schlechter - nur hat das album einen haken: es geht einem nach geraumer zeit ziemlich auf'n sack, insbesondere die sängerstimme ist längerfristig unerträglich - aber einzeln gesehen sind die songs schon recht stark, insbesondere der opener stay put!
4/5
The Blood Arm sind eine lusitige Band. Sie erinnern mich etwas an Franz Ferdinand und die White Stripes. Lie Lover Lie ist ein erfrischendes Art-Rock-Alben mit viel Abwechslung.
@snubby (« The Blood Arm sind eine lusitige Band. Sie erinnern mich etwas an Franz Ferdinand und die White Stripes. Lie Lover Lie ist ein erfrischendes Art-Rock-Alben mit viel Abwechslung. »):
ganz genau, dem ist nichts hinzuzufügen