laut.de-Kritik

Keine Band. Ein Bienenschwarm.

Review von

Sieben! Ich habe es auf dem aktuellen Bandfoto extra nachgezählt: Sieben mehr oder weniger bärtige Menschen haben sich da aufgereiht, und mir ist auch nach dem jüngsten Release dieser Formation noch vollkommen schleierhaft, wie so viele Leute so dermaßen im Einklang miteinander agieren können. Als hätte man es mit einem einzigen Organismus zu tun.

Vielleicht ist die Budos Band gar keine Band. Vielleicht ist die Budos Band in Wirklichkeit ein Bienenschwarm. Noch dazu einer, der aus dem ursprünglichen Stock inzwischen ausgeflogen ist: Gitarrist Tom Brenneck und Saxophonist Jared Tankel haben, offenbar in besten Einvernehmen mit dem langjährigen Mutterlabel Daptone, jüngst ihre eigene Plattform Diamond West Records gegründet.

Der Aus- und Umzug dahin scheint explosiv neue kreative Energien freigesetzt zu haben: Gerade einmal zwei Tage habe man für sechs neue Songs gebraucht, so Drummer Brian Profilio. Wenn das so flugs ging, frag' ich mich doch: Warum zum Teufel haben sie nicht zwei weitere Tage drangehängt und gleich ein richtiges Album aufgenommen? Statt dessen debütiert Diamond West lediglich mit einer EP: "Frontier's Edge" umfasst genau besagte sechs Tracks, deren kürzester knapp über zwei, der längste knapp unter drei Minuten lang. Schade.

Die beschränkte Spielzeit bleibt aber der einzige Anlass zu Nörgelei, den diese Platte erlaubt. Die Qualität des Gebotenen dagegen lässt schon irgendwie nachvollziehen, dass dieses Zeug schnellstmöglich ans Licht der Öffentlichkeit wollte. Es musste wohl einfach raus. Die Wucht überrollt einen jedenfalls gleich mit den allerersten Tönen des eröffnenden Titeltracks.

Unmittelbar offenbart sich, was sie in den Reihen der Budos Band seit jeher perfekt beherrschen: die irrwitzige Dynamik zwischen Bläsersektion und Rythmusgruppe. Bass, Gitarre und gnadenlos voranprügelnde Drums schichten tonnenschwere Grooves auf. Auf diesem Fundament toben sich die Bläser aus. Ein weiteres ewiges Geheimnis dieser Combo: Wie kann etwas zugleich so exaltiert, verspielt, durchgeknallt, künstlerisch vollkommen frei, zugleich aber supertight wirken? Wie können Leute handwerklich dermaßen makellos und präzise spielen, ohne dass es steril klingt?

Ich versteh's nicht, ist aber auch egal: "Frontier's Edge" fährt, auch ohne dass man seinen Wirkmechanismus begreift, direkt ins Gebein. "Devil Doesn't Dance"? Um da kein entsprechendes Bedürfnis zu verspüren, muss man wirklich der Leibhaftige persönlich sein. Mit fanfarenartigen Klängen fordern die Bläser hier die gebührende Aufmerksamkeit ein, Percussion treibt den Track voran, ohne dabei hektisch zu wirken. Paradox? Ja. Wie so vieles.

Das angedeutete Fadeout in "KRITN" zum Beispiel: Noch während ich mir Schmähworte zurechtlege für diese unwürdigste aller Arten, einen Song zu beenden, geht mir auf, dass ich mich gediegen habe verladen lassen: Natürlich ziehen die Budos nicht einfach irgendeinen Regler auf Null. Der von Melodien durchflirrte Track kullert vielmehr seinem wahren Ende in einer elektronischen Echokammer entgegen.

Das Scheinwerferlicht fällt mal hierhin, mal dorthin, doch keinen Moment lang erwecken die Musiker den Eindruck, sie würden es sich gegenseitig streitig machen. Im Gegenteil: Die Bühne, auf der die Herren einzeln brillieren, zimmern sie alle gemeinsam. Ein Frontmann fehlt diesem Kollektiv so wenig wie Lyrics. Wozu auch, wenn schon die Instrumentalstücke vor dem inneren Auge endlose Landschaften ausrollen?

Die Atmosphäre insgesamt wirkt trockener, knackiger, nicht mehr so schwül wie einst auf "Burnt Offering", eher ähnlich wie zuletzt auf "V". Einzig beim Einsatz von Wah-Wah-Effekten im Titeltrack tönt es kurz etwas sumpfiger. Man bildet sich abwechselnd ein, sich in einen alten Western oder in einen Monumentalfilm verlaufen zu haben. "Passage To Ashinol" birgt Orient-Express-Vibes, das basslastige "Curled Steel" hätte auch in den Soundtrack zu einer 70er-Jahre-Krimiserie gepasst.

Nee. Wer gerade einmal eine gute Viertelstunde benötigt, um eine derartige Fülle von Assoziationen zu evozieren, braucht niemanden für die Vocals. Immer noch nicht. Diese Typen kommunizieren wahrscheinlich ohnehin per Schwänzeltanz. Ein Bienenschwarm, ich sags ja.

Trackliste

  1. 1. Frontier's Edge
  2. 2. Devil Doesn't Dance
  3. 3. KRITN
  4. 4. Crescent Blade
  5. 5. Passage To Ashinol
  6. 6. Curled Steel

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