laut.de-Kritik

Rückblick in neuem Klanggewand.

Review von

Die zierliche Isländerin mit italienischem Vater hat sich eine beneidenswerte Position im Musikbusiness erschaffen. Unbeeindruckt von allgemeiner Hektik und gut gemeinten Vorschlägen erschafft sie Klangwelten, die sich ohne kommerzielle Absichten doch Gehör verschaffen. So wie "Gollum's Song", der Titeltrack für den zweiten Teil der Herr der Ringe-Trilogie, oder ihr 2009er Ohrwurm "Jungle Drum".

Das habe in den letzten Jahren zu einem "merkwürdigen musikalischen Abenteuer" geführt, schreibt sie auf der Rückseite des vorliegenden Albums. Erst sollte sie in Berlin ihre Songs mit einem Streicherquintett aufführen, aus dem aber eine Jazz-Band wurde. Dann spielte sie in Kanada mit einem Gitarristen Wohnzimmer-Konzerte. Anschließend ging sie nach Spanien, um mit Sinti und Roma aufzutreten.

Schließlich kontaktierten sie noch zwei Belgier, die mit ihrem 2013 gegründeten, achtköpfigem Orchester Torrinis Repertoire umarrangieren wollten. Die Sängerin zeigte sich interessiert und ließ auch sie gewähren.

"Songs werden reorchestriert und neu zusammengesetzt. Die Konturen dieser Songs sind neu gefärbt, genauso wie von einem Koloristen in einem Film oder Comic. Obwohl die Arrangements der Songs völlig neu sind, könnte man sie auch akustischen Live-Remixe oder invertiertes Karaoke nennen", erklären Kobe Proesmans (Perkussionen, Calabash) und Aarich Jespers (Perkussionen, Flapamba) auf der offiziellen Webseite.

Noch nie was von diesen Instrumenten gehört? Kein Beinbruch, schließlich verwenden sie neben klassischen Instrumenten auch selbst konstruierte, nach einem ihrer Vorbilder, dem US-amerikanischen Komponisten Harry Partch. Bei ihm bediente sich auch Paul Simon auf seinem Album "Stranger To Stranger" (2016).

Nachdem sich Torrini und The Colorist auf elektronischem Wege ausgetauscht hatten, reiste die Isländerin 2015 schließlich nach Belgien, um fünf gemeinsame Auftritte zu absolvieren. Sie hatte sich nicht groß mit dem Projekt beschäftigt, wie sie selbst zugibt, war jedoch überwältigt. "Es gelang ihnen, dass ich wieder stolz auf meine Songs war", schreibt sie. Sie beschlossen, einen Livemitschnitt zu veröffentlichen und schrieben dazu noch mit "When We Dance" ein neues Stück.

So ist "The Colorist & Emiliana Torrini" zwar das erste Live-Album der Isländerin, dafür eines der besonderen Art. Dass zunächst die (unbekannte) Begleitband und dann der (bekannte) Einzelkünstler im Titel steht hat durchaus seine Berechtigung, gelingt es dem originellen Orchester doch, Torrinis warme Stimme in ein Klanggewand zu kleiden, das ihre Qualitäten unterstreicht, ohne ihren Charakter zu verfälschen.

Die Rhythmen sind meist trip-hoppig, doch klimpert, streicht, wummert, wabert, plätschert, brummt und plinkert es vor sich hin, dass es eine Freude ist. Welches Stück nun an der Reihe ist, spielt eine untergeordnete Rolle, denn es zählt das stimmige Gesamtergebnis. Dazu passt, das es sich um keine Best Of im eigentlichen Sinne handelt, denn Torrinis wohl bekanntestes Album, ihr Debüt "Love in the Time of Science" (1999), ist gar nicht vertreten. Mit "Nightfall" kommt ein zweites Nicht-Album-Stück hinzu (es war 2014 im Soundtrack zum Kinofilm "Zeitgeist" zu hören), "Jungle Drum" fällt rhythmisch, aber eher kurz aus.

Torrini war von dem Ergebnis so begeistert, dass sie im Februar 2017 mit The Colorist noch einmal auf Tour geht, mit mehrere Auftritten im deutschsprachigen Raum. Danach dürfte sie sich erst mal wieder rar machen, denn sie erwarte ein Kind, wie sie auf ihrer Webseite verrät.

Trackliste

  1. 1. Caterpillar
  2. 2. Blood Red
  3. 3. Serenade
  4. 4. When We Dance
  5. 5. Speed Of Dark
  6. 6. Nightfall
  7. 7. Today Has Been OK
  8. 8. Jungle Drum
  9. 9. Thinking Out Loud
  10. 10. Gun
  11. 11. Bleeder

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