laut.de-Kritik
"Eure Bierseligkeit kotzt mich an!"
Review von Oliver LambrechtZugegeben, die bisherigen Berührungspunkte des Rezensenten mit den Corrs waren weniger zahlreich. Irgendwo stellt sich zwar bei Namensnennung ein wohliges Gefühl ein, aber das lag eher daran, dass die musikalischen Eindrücke fernab von Schmerzen oder Trauer einsortiert wurden. Dann singt Bono von U2 mit Andrea "Don't Come Knocking", den Titelsong zum gleichnamigen Kinofilm von Wim Wenders, und "BAM!", plötzlich sind die Corrs auch fern des Mainstreams präsent.
Was sich anlässt wie eine reine Marketingaktion, führt zur freudigen Begeisterung. Die Corrs haben mit "Home" eine Kollektion von modernen und vor allem historischen irisch-keltischen Songs augenommen. Die Auswahl erfolgte sorgsam und ohne Ausrutscher, teilweise basierend auf einem Liederbuch der Eltern.
Eine unverschämt herzliche Masche, sich Songmaterial anzunehmen, dass teilweise 1.000 Jahre Zeit zum reifen hatte. Dessen Kanten von Generation zu Generation abgeschliffen und so poliert wurden, dass sie Schönheit verstrahlen. Der Vorwurf des Ausverkaufs geht allerdings ins leere, schließlich ist Weihnachten dann doch noch ein paar Tage entfernt.
Zum Selbstverständnis der Songauswahl gehört zudem, dass so etwas wie eine Hitsingle nicht vorliegt. Das soll es auch gar nicht. Niemand erwartet ja ernsthaft ein "Das Wandern Ist Des Müllers Lust" auf Platz 1 der Singlecharts. Offensichtlich handelt es sich hierbei um die praktische Reaktion der Band auf die oft gestellte Frage nach musikalischen Einflüssen. Dass diese mitunter sogar gälisch sind, lässt sich bei "Buachaill On Eirne" und "Brid Og Ni Mhaille" allein schon dem Titel entnehmen. Ersteres erhält übrigens ganz ohne Scham das Prädikat "Süß". Zusammen mit einem "Dankeschön", denn freundlicherweise liegen beide Texte im Booklet in englischer Übersetzung vor.
Der Rezensent plädiert dennoch auf Befangenheit. In der dreiviertelstündigen Musikgeschichtsstunde "Home" bleibt nicht viel Raum, um sich kritisch mit Volksweisen auseinander zusetzen. Es stellt sich ja auch keiner aufs Münchner Oktoberfest und schreit "Eure Bierseligkeit kotzt mich an!" Bleibt die Diskussion der musikalischen Umsetzung. Bekanntermaßen ist die Musik der Geschwister Corr aber dermaßen schön, dass sie es sogar mitten hinein in die Supermarktrotation geschafft haben. Frei nach dem Motto: "Wenn 'What Can I Do' läuft, kaufen die Menschen mehr Pralinen!"
Der Gesang von Andrea in "Peggy Gordon" erzeugt eine angenehme Gänsehaut. Gerade wenn ihre Schwester dazu stößt und das BBC Radio 2 Concert Orchestra einsetzt. Selbstredend setzt das Orchester auf nahezu allen Stücken des Albums ein - zwei Songs sind rein instrumental. "Old Hag" und "Haste To The Wedding" bieten statt Worte das Flötenspiel und den Takt zum Tanz, der fest mit Irland verknüpft ist. Selbst die Tragik des Songs "Old Town" von Thin Lizzys Phil Lynott, erstrahlt im Feel Good-Gewand der Corrs.
Für Fans der Band und Irlandreisende handelt es sich bei diesem Album um einen Pflichtkauf. Alle anderen, die bei "Home" zugreifen, werden es nicht bereuen.
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