laut.de-Kritik

Teen-Nostalgie mit Genre-Mix.

Review von

Bock, 2021 mit einem Knall starten zu lassen? Diese Frage scheint das kanadische Trio The Dirty Nil mit dem dritten Album "Fuck Art" zu stellen, das weiterhin ein bisschen unentschlossen zwischen College-Punk und dem Alternative Rock der Neunziger schwankt. Im einen Moment blitzt Sum 41 durch, im nächsten meint man Rivers Cuomo zu lauschen, allerdings zu Zeiten, als Weezers größter Hit noch "Buddy Holly" und nicht "Africa" von Toto hieß. Daneben ein Hauch von Kurt Cobains wütender Post-Teenage Angst und ausproduzierte Refrains wie bei The All-American Rejects. In Songs wie "The Guy Who Stole My Bike" schleicht sich auch noch ein bisschen Billy Talent-Einfluss ein. Musikalisch knallt das, wie die meisten Cocktails, erstaunlich gut.

Wermutstropfen gibt's mit Zeilen wie "Hello jealousy / my inner enemy", die man so auch bei hiesigen Schülerbandcontests um die Ohren gehauen bekommt. Ist aber okay, denn irgendwie gelingt es The Dirty Nil doch durchgehend, Sehnsucht nach dieser kurzen Lebensphase zu wecken, in der man die ursprüngliche American Pie-Trilogie für filmische Meisterwerke gehalten hat und daran verzweifelt ist, das versteckte Tape in den frühen Tony Hawk-Spielen zu finden (wenn man diese Lebensphase denn durchlebt hat). Sowohl musikalisch als auch lyrisch präsentiert sich das Album wie jene Bekannte von früher, die bei jedem späteren Treffen nur von den guten alten Zeiten schwärmen und nicht so richtig überwunden haben, dass die Jugend irgendwann endet. Was dann auch wieder die Schülerbandzeilen entschuldigt.

Im Opener "Doom Boy" sehnt sich die Band danach, unbeschwert auf der Rückbank seines Dodge Caravan zu liegen und Metal zu hören: "Do you delight in rule breaking?/ Dancing to thrash and hailing satan?" 'Puh, den Drang habe ich lange nicht verspürt, aber wenn Du so fragst ...', möchte man antworten. Der Erkenntnis "At 29, I've had some time to see / That no one at the after party / Seems to be happy" aus "Done With Drugs" stimmt man schulterzuckend zu: 'Jung sein ist nicht nur toll, erwachsen sein aber auch nicht.' Es gibt also den ein oder anderen Haken, an dem man seine Kritik aufhängen könnte, aber gleichzeitig kommt "Fuck Art" so authentisch daher und jedes Riff ist so sehr vom Elan eines Musikschülers gesegnet, der sich das erste Mal abseits der vom Gitarrenlehrer aufgetragenen Lehrstücke ausprobiert, dass das Ergebnis am Ende doch zu gut gefällt.

Immer wieder blitzen Akustik-Gitarren durch, die sehr saubere Produktion hält die verschiedenen Elemente aber wunderbar zusammen, selbst wenn das Pendel mal mehr in Richtung Punk- und Hardrock schlägt, wie in "Ride Or Die", das stellenweise an die Briten von The Subways erinnert. Ganz ähnlich ist es mit "Hang Yer Moon", das über einem grummelnden Basslauf immer wieder in dichte Riff-Feuerwerke kippt. Das gute Händchen für eingängige, wenn auch nie überraschende Hooks beweisen The Dirty Nil allenthalben, vor allem in "Blunt Force Concussion" oder "Damage Control". So bleibt schließlich der Eindruck eines spaßigen, leicht verdaulichen Teen-Nostalgia-Albums, das einen für kurze Zeit gut aus dem Pandemie-Trott entführen kann. Den Titel darf man dann wohl als Fingerzeig verstehen, dass hier auch niemand höhere Ambitionen hatte.

Trackliste

  1. 1. Doom Boy
  2. 2. Blunt Force Concussion
  3. 3. Elvis ’77
  4. 4. Done With Drugs
  5. 5. Ride Or Die
  6. 6. Hang Yer Moon
  7. 7. Damage Control
  8. 8. Hello Jealousy
  9. 9. Possession
  10. 10. To The Guy Who Stole My Bike
  11. 11. One More And The Bill

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