laut.de-Kritik

Je älter, desto frischer ...

Review von

Ich höre nur die ersten Töne des Openers "Green Eyed Loco-Man", den unverkennbaren, nuschelnden Sprechgesang von Mr. Mark E. Smith, und meine zur Zeit doch eher düstere Stimmung verwandelt sich in ein glückliches Wohlbefinden. Klar, Mark E. könnte auch mein Papa sein, aber das ist es nicht, obwohl ich mit ihm gerne mal unterm Weihnachtsbaum sitzen möchte und "O Tannenbaum" The Fall-mäßig interpretieren würde. Aber das nur nebenbei.

"Country On The Click" heißt das neue Album der Manchester-Legende, und je älter der Mann wird, umso frischer werden seine Platten. Die mittlerweile 36. Veröffentlichung (bin mir bei der Zahl nicht wirklich sicher. Auf jeden Fall gibt es eine Menge Alben, abgesehen von Singles, EPs und Live-Aufnahmen) klingt sehr lebhaft und durchflutet sämtliche Genre der Musikwelt. Schon mit dem ersten Stück versprechen The Fall eine rockende, gut gelaunte und Hymnen-überflutete neue Platte, und dieses Gelöbnis wird bis zum Schluss eingehalten. Es war schon immer schwierig, diese in der Besetzung ständig wechselnde Band einzuordnen. Rock'n'Roll, Pop, Rockabilly, Punk, Dance und elektronische Sounds sind immer dabei. Bei der einzigen Coverversion "Loop41 'Houston" von Lee Hazelwood galoppiert sogar ein wenig 60's-Nostalgie durch die britische Formation.

Jeder Track ist ein Hit und besticht schon durch meist unaussprechliche Titel und gewohnt zynische Lyrics. Smith gibt sich sogar als Sänger mehr Mühe. Fast schon eine erschreckende, klare Aussprache hört man bei "Mountain Energei". Mit "Theme From Sparta F.C." setzt die Super-Hymne ein. Der neue FC Köln-Trainer sollte dieses Stück unbedingt seiner Mannschaft regelmäßig vorspielen. Vielleicht wird dann noch mal was aus dem Verein: "You have to pay for everything but some things are for free. You live on blood, we're Sparta FC". Neben "Green Eyed Loco-Man" wird diese Hymne garantiert zum immer wieder gern gehörten Fall-Klassiker. Und es hört nicht auf. "Country On The Click" wird in keinster Weise anstrengend, was man von einigen Vorgängern durchaus behaupten darf. "Contraflow" bricht fröhlich in die nächste Punk-Chaos-Runde. Und an die großartigen Velvet Underground erinnert spätestens "Open The Boxoctosis #2".

Tasteninstrument hurray! Mit "Janet, Johnny + James" gewinnt man jeden DJ-Battle. Schnelle Dance-Nummer mit großartigen Keyboard-Tönen von Elini Poulou, die einfach Spaß machen. Wer hätte das gedacht, The Fall mal so richtig verspielt. Bei "Recovery Kit" zeigt sich Smiths Vorliebe für elektronische Tanzmusik. Da sollte auch jeder steifer Clubgänger in Bewegung geraten. Und schon fast hauchend die Stimme des ehemaligen Hafenarbeiters. Ich bin begeistert. Von vorne bis hinten ein gelungenes Werk. Gut, dass Mark E. noch mal selber Hand angelegt hat. Er selbst hat alle Songs wiederholt bearbeitet und remixed. Ursprünglich sollte "Country On The Click" nämlich schon Anfang des Jahres erscheinen. Aber natürlich hatte der Meister mal wieder was zu meckern. Seinen Ruf sollte man schon pflegen.

Die Bestnote hat der biertrinkende Motzigel mit seiner neuen Platte auf jeden Fall verdient. Mark E. Smith, der wahre Santa Claus, dem ich zu Weihnachten gerne die Tür aufmache.

Trackliste

  1. 1. Green Eyed Loco-Man
  2. 2. Mountain Energei
  3. 3. Theme From Sparta F.C.
  4. 4. Contraflow
  5. 5. Last Commands Of Xyralothep Via M.E.S.
  6. 6. Open The Boxoctosis #2
  7. 7. Janet, Johnny + James
  8. 8. The Past #2
  9. 9. Loop41 'Houston
  10. 10. Mike's Love Xexagon
  11. 11. Proteinprotection
  12. 12. Recovery Kit

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