laut.de-Kritik
Alternative Prog - kompakt, elektronisch und poppig.
Review von Yan TemminghoffThe Intersphere nehmen den Hörer auf "Wanderer" mit auf eine Reise, die die Band-Vergangenheit als Alternative Prog-Größe referiert, dabei unverkennbar in die Zukunft weist. So kompakt, bisweilen poppig und elektronisch ausstaffiert hat man die Ausnahmemusiker selten gehört, was dem Genuss von "Bulletproof" oder "A La Carte" keinen Abbruch tut.
Der Titelsong knüpft nahtlos an den Vorgänger "The Grand Delusion" an. Ein majestätisches Single Note-Riff rollt durch die Gitarrenfraktion um Fronter Christoph Hessler und seinen Sidekick Thomas Zipner, während Daniel Webers Bass pumpt wie Kalle in der Muckibude, während Weber gleichzeitig filigran wie Jacky Chan die Steilvorlagen der sechs Saiten für Tiefton-Salti aufgreift. "Bulletproof" fasziniert mit einer coolen Hook und behandelt thematisch das Spannungsverhältnis zwischen Verletzlichkeit und Unverwundbarkeit.
"Wanderer" ist äußerst transparent und druckvoll produziert. Zusätzlich reizen die Absolventen der Mannheimer Pop-Akademie das Spektrum an Produktions-Möglichkeiten aus, wie die Vokal-Effekte in "Down", wie sie bisweilen in Pop- und Dance-Songs zum Tragen kommen.
"Heads Will Roll" gestaltet die Band monothematisch und harmonisch auf das Minimum reduziert. Das im schleppenden Midtempo gehaltene Industrial-Kleinod tut bewusst weh. Entweder sind die Vocals verfremdet oder der Zerrsound ist auf Anschlag gedreht.
"Corrupter" mit seinen Lo-Fi-Harmonien und einer frech eingestreuten Cowbell fährt interessante Akkord-Progressionen auf und hat als C-Teil ein Metal-Riff im Grunge-Gewand im Gepäck, das wie eine Rückbesinnung auf die Härte des Debüts "Small Ones Brainpain" wirkt - das noch unter dem Namen Hesslers erschienen ist.
In "A La Carte" nimmt man musikalisch wie textlich Bezug auf "Sleeping God" von "Hold On,Liberty!", garnieren ihren Track von 2023 mit einigen coolen Breaks, die entweder reduziert mit Piano präsentiert werden oder das Riff mit einem Dancehall-Beat unterlegen und den Hörer in die Irre führen.
Bemerkenswert das grandiose Drumming von Moritz Müller unter verstärkten Einsatz von Percussions und musikalisch abgestimmten Tom-Rolls, bis er beim Latin Feeling von "Who Likes To Deal With Death?" zum Tanz bittet. "Always On The Run" lebt von den nervösen Drums, die der textlichen Rastlosigkeit ein rhythmisches Gepräge verleihen.
Dem Bandnamen alle Ehren macht "Treasure Chest" mit seinen sphärischen Gitarren und der reduzierten Rhythmus-Gruppe, die mit ihrem stoischem Beat dem Song ein Fundament verleiht. "Under Water" beginnt mit einem Folk-Picking, leitet dann in einen Latin-Beat über, der wiederum in mit einer eindringlichen Hook ausgestatteten Refrain mündet.
In dieser Konsequenz, sich auf die Essenz eines Songs zu fokussieren, und unter Ausreizen aller Möglichkeiten einer modernen Produktion gelingt The Intersphere ein weiteres Beispiel grandioser Klangkunst, dem hoffentlich über den Szene-Tellerrand Aufmerksamkeit zuteil wird.
1 Kommentar
Wie schön, zufällig auf Spotify auf dieses Album gestoßen zu sein!
Vor allem die ersten und die letzten beiden Songs haben mich in ihren Bann gezogen - es progt ein bisschen, aber nicht zu viel und nicht zu verkopft, es geht doch ins Ohr und bleibt dort, und das ist die große Kunst.
Da fielen mir als Parallele vielleicht höchstens Biffy Clyro ein, die diesen Spagat auch meist schaffen.