laut.de-Biographie
The KLF
Bill Drummond und Jimmy Cauty tragen viele Namen. Sie selbst hörten bereits auf Time Boy oder Lord Rock, zusammen auf The Justified Ancients of Mu Mu (kurz The JAMS), The Timelords, The K Foundation oder 2K. Ihren Platz in der Musikgeschichte finden sie aber unter dem Namen The KLF (Kopyright Liberation Front, Kings of Low Frequency oder auch Kentucky Liberation Front).
Gemeinsam stehen sie Pate für Musikgenres wie Chill Out, Ambient-House und Stadion-House und brachten sogar ein amerikanisches Polizeiauto an die Spitze der englischen Charts. Ohne The KLF gäbe es Scooter, die sich immer wieder auf die Arbeit der beiden Briten beziehen, in dieser Form mit Sicherheit nicht. Aber es kann ja nicht alles gut sein.
Auf dem Höhepunkt ihres Schaffens, 1992, gewinnen The KLF den BRIT Award als beste britische Gruppe. Zusammen mit Extreme Noise Terror spielen sie eine Grindcore-Version ihres Hits "3 A.M. Eternal" und schießen mit Platzpatronen aus Maschinengewehren in das verdutzte Publikum. Dabei ist selbiges Schlimmerem entronnen, die BBC konnte gerade noch verhindern, dass die Band mit Eimern Blut über die Zuschauer schüttet. Stattdessen fand sich auf der Aftershow-Party ein totes Schaf mit einem Zettel auf dem "I died for you. Bon appetit" stand.
Kurze Zeit später, am 14. Mai 1992, verkünden The KLF ihr Ende und stellen wie zum Beweis der Ernsthaftigkeit des Unterfangens den Verkauf all ihrer Tonträger ein. Bis zum totalen Weltfrieden soll es keine weitere Veröffentlichung von The KLF geben.
Die Karriere von Drummond beginnt bereits 1977 in der Band Big in Japan, in der unter anderem Holly Johnson (Frankie Goes To Hollywood), Ian Broudie (Lightning Seeds) und Budgie spielen.
Mitte der Achtziger Jahre ist Drummond im englischem Musikbusiness etabliert, managt Echo And The Bunnyman und The Teardrop Explodes bei Warner Records.
Im Alter von 33 1/3 beschließt er, dass es Zeit für eine Revolution in seinem Leben ist. "Vor mir liegt ein Berg, den es auf die harte Tour zu ersteigen gilt, und ich möchte die Welt von dessen Spitze sehen."
Im Winter 1986 beschließt er, eine Hip Hop-Platte aufzunehmen und gründet mit Jimmy Cauty, dessen Band Brilliant er zuvor betreut hatte, The Justified Ancients of Mu Mu. Beide verbindet neben der Musik auch ihr Interesse an der Roman-Trilogie "Illuminatus!" von Robert Shea und Robert Anton Wilson. Der Bandname geht zurück auch eine fiktive konspirative Gruppe in diesen Büchern, der Bezug auf "Illuminatus!" und das Spiel mit der Zahl 23 bleibt während der ganzen gemeinsamen Zusammenarbeit bestehen.
Bereits eine Woche später haben sie ihre erste Single "All You Need Is Love" fertig, die im März 1987 auf dem eigenen Record-Label The Sound of Mu(sic) (später KLF Communications) erscheint und aus Samples des gleichnamigen Beatles-Songs und Samantha Fox' "Touch Me (I Want Your Body)" besteht.
Cauty erzählt: "Als wir im Studio unsere erste Platte, 'All You Need Is Love', aufnahmen, die eine Reaktion auf die Medienhysterie in Bezug auf Aids war, fragte der Toningenieur: 'Was macht ihr da eigentlich? Und wann fangt ihr an, die Platte aufzunehmen?' Wir haben nur gesagt: 'Das wars. Sie ist fertig.'"
Weitere Singles folgen, auf denen Drummond und Cauty der Idee des Samplens treu bleiben. "Wir stehlen nichts, wir borgen es uns nur aus und lassen es größer werden. Wenn Du kreativ bist, lässt du dich nicht von einem Gesetz stoppen, das dir im Weg steht", verteidigt sich Cauty.
Doch er täuscht sich. Das Gesetz hat einen längeren Atem. Dem ersten Album "1987 (What The Fuck Is Going On?)" ist nur ein kurzes Leben beschieden. Kurze Zeit nach dem Release bekommt die schwedische Band ABBA nämlich Wind von der Nummer "The Queen And I", die in großen Teilen aus "Dancing Queen" besteht. Nach einem kurzem Rechtsstreit muss die Platte vom Markt genommen werden.
Zusammen mit einem Fotografen, einem Journalisten des NME und einem Teil der noch verbliebenen LPs machen sich Cauty und Drummond auf den Weg nach Schweden, um ABBA zu treffen und vielleicht doch noch zu einer Einigung zu kommen. Ein Treffen kommt nicht zustande, die Platten werden auf einem Feld bei Göteborg verbrannt. Ein Bild dieser Aktion schmückt das zweite Album "Who Killed The JAMs?".
Kurz darauf veröffentlichen The Justified Ancients Of Mu Mu die Maxi "1987: The JAMs 45 Edits", auf der das Originalalbum von allen Samples befreit wurde. Einige Stellen bestehen aus drei Minuten Stille. Der Platte liegt eine Beschreibung bei, mit deren Hilfe man sich das Originalalbum selbst basteln kann.
Die ganze Zeit über bleibt das Polizeiauto, ein Ford Galaxy mit dem Kennzeichen WGU 18 G, brav hinter den JAMs in zweiter Reihe stehen. Doch irgendwann ist es selbst für das netteste Automobil genug.
Im Jahre 1988 nach Christus beginnt Ford Timelord, wie es ab nun genannt werden möchte, mit Drummond und Cuty zu sprechen. Es gibt ihnen den Rat, sich ab sofort The Timelords zu nennen, und nimmt mit Hilfe seiner beiden Gastmusiker "Doctorin' The Tardis" auf. Der Song besteht aus einer Mischung aus der Titelmusik von "Doctor Who" und Gary Glitters "Rock And Roll (Part Two)" und stürmt die englischen Charts bis auf Platz eins.
Anschließend veröffentlichen die Timelords das Buch "The Manual (How To Have A Number One – The Easy Way)", in dem sie beschreiben, wie man mit einer Handvoll Samples einen Nummer-Eins-Hit schustert. Fast nebenbei enttarnen sie die Mechanismen des Musikgeschäfts. Das Buch ist mit einer Geld-zurück-Garantie ausgestattet, sollten die angegebenen Ratschläge nicht zum versprochenen Erfolg führen. Diese Garantie nimmt die Band Edelweiss in Anspruch, die mit "Bring Me Edelweiss" einen Top-10-Hit landet, es aber nicht auf die versprochene Nummer eins schafft. Die deutsche Hörbuch-Doppel-CD spricht Bela B..
Mit dem Gewinn aus dem Verkauf von "Doctorin' The Tardis" beginnen Drummond und Cuty, die sich über die nächsten Jahre fast ausschließlich The KLF nennen werden, mit der Arbeit an dem Road Movie "The White Room" und dessen Soundtrack. Nachdem aber die erste Single aus selbigem, "Kylie Said to Jason", floppt, liegen die Arbeiten fürs Erste auf Eis.
Nach all der Aufregung gilt es nun, erst einmal einen Takt herunter zu schalten. Ford Timelord kommt in die Garage, stattdessen nehmen The KLF den Zuhörer auf dem Ambient-Album "Chill Out" mit auf eine Zugfahrt entlang der Golfküste der USA durch Texas nach Louisiana. Die Aufnahmen für die durchgängige Komposition, aufgeteilt in 14 Stücke, finden live statt.
Cauty und Drummond spielen die Samples von Elvis Presley, Fleetwood Mac und dem Kehlgesang tuwinischer Mönche mit Hilfe zweier DAT-Recorder ein, unterlegen diese mit Synthesizern und Pedal-Steel-Gitarren. Das Resultat gilt als eines der ersten, das den im Laufe der Neunziger Jahre so oft benutzten Begriff Chill Out verwendet. Schon wenig später findet sich in jeder Dorfdisco eine Chill-Out-Zone.
Zwar bleibt der Film "The White Room" unveröffentlicht, aber nach "Chill Out" nehmen The KLF die Arbeiten am Soundtrack wieder auf. Das Album wird ihr erfolgreichstes, die Remakes ihrer bereits veröffentlichten Trance-Titel "What Tims Is Love?", "3 A.M. Eternal" und "Last Train To Trancentral", nun angefüllt mit Gastmusikern, Rap und Soul-Gesang, überrennen die internationalen Charts.
Gemeinsam mit Country-Legende Tammy Wynette nehmen sie "Justified And Acient" neu auf. Mit "America: What Time Is Love?" folgt eine Zusammenarbeit mit Glenn Hughes und eine der wohl überproduziertesten Singles aller Zeiten. The KLF sind an ihrem kommerziellen Höhepunkt angekommen.
Auf "The White Room" soll das Album "The Black Room", eingespielt mit Extreme Noise Terror, folgen. Doch noch vor Beendigung der Aufnahmen trennen sich The KLF.
Nach dem Rückzug aus dem Musikgeschäft gründen Drummond und Cauty mit der K Foundation eine Künstlerstiftung, die unter anderem mit dem "K Foundation Art Award" einen Preis für den schlechtesten Künstler des Jahres verleiht. Am nachhaltigsten dürfte die Aktion in Erinnerung bleiben, die sich am 23. August 1994 auf der schottischen Insel Jura ereignete. Dort fanden die Aufnahmen zu dem Dokumentarfilm "Watch The K Foundation Burn A Million Quid" statt, in dem sie eine Million britische Pfund in 50-Pfund-Noten in einem Kaminfeuer verbrennen.
Im Interview mit dem Magazin De:Bug erinnert sich Jimmy Cauty: "Die Vorgeschichte war, dass wir ungefähr ein Jahr eine Million Pfund hatten, die wir loswerden wollten. Wir versuchten erst, das Geld an Künstler weiterzugeben, was nicht richtig funktionierte. Dann erklärten wir das Geld zu einem Kunstwerk und versuchten, es zu verkaufen, aber niemand wollte es haben. Wir haben bei allen großen Londoner Galerien angeklopft, um die Million für 500.000 Pfund zu verkaufen. Doch alle haben abgewinkt: 'Nein, nein, wir wollen es nicht haben.' Es war bizarr. ... Aus der Asche haben wir einen Ziegel gebacken. Das Geld existiert also weiterhin als Kunstwerk in Bills Haus über dem Kaminfeuer. Inzwischen haben wir auch Angebote bekommen, den Ziegel zu verkaufen. Er würde natürlich eine Million kosten, die wollte bis jetzt aber niemand bezahlen."
Als Belohnung für den Friedensvertrag zwischen Palästina und Israel und somit einen kleinen Schritt Richtung Weltfrieden erschien im Jahr 1997 in streng limitierter Auflage und ausschließlich in Israel der Song "K Sera Sera", der eine Mischung aus Doris Days "Que Sera Sera" und "Happy Xmas (War Is Over)" von John Lennon darstellt.
Im selben Jahr folgt ein einmaliges 23-minütiges Live-Comeback in London unter dem Namen 2K. Als Senioren verkleidet in elektrischen Rollstühlen sitzend, spielen sie zusammen mit einer Blaskapelle eine neue Version von "What Time Is Love?" unter dem Namen "Fuck The Millennium", sowie "K Sera Sera (The War Is Over If You Want It)". Der Auftritt ist eine einzige Persiflage auf die um sich greifenden Comebacks in der Musikindustrie. Ein Mitschnitt wird später als Single veröffentlicht.
Umtriebig wie eh und je produziert Dummond Musik, schreibt Bücher und tourt mit dem The17 Chor um die Welt. 2005 ruft er am 21. November den "No Music Day" aus, der bis 2010 stattfindet. Cauty schließt sich oft nur kurzzeitig Musikprojekten an und entwirft Briefmarken für den Postdienst eines fiktiven Landes Cautese.
Erst 2013 treffen beide in Billy Childishs-Band Chatam Forts wieder aufeinander. Mit KLF hat der raue und stolpernde Alternative-Sound, für den Jimmy Cauty zum Bass und Bill Drummond zu Xylophon und Organ greift, jedoch relativ wenig zu tun.
Kein Wunder. Bereits im März 2011 hatte Drummond erklärt, die einzige Sache, die ihn und Cauty zurück ins Pop-Business bringen könnte, sei eine Zusammenarbeit mit Lady Gaga. Aber bis dies geschieht, hallen die Worte nach, mit denen The KLF ihren Auftritt und ihre Bandkarriere bei den Brit Awards 1992 beendeten: "The KLF has now left the music business."
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