laut.de-Kritik

Bad Motherfucker Death-Blues: Der Schweiß tropft gallonenweise von der Decke.

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"Eine Dampfwalze aus der Dunkelheit." Kollege Schmidt verwendete diesen Satz vor gut einem Jahr, um Behemoths Meisterwerk "The Satanist" zu umschreiben. Auf den neuen Pressling von The Midnight Ghost Train passt er mindestens genauso gut. Musikalisch trennen die beiden Produkte zwar Welten, gemeinsam ist ihnen aber die schiere Urgewalt.

Das mag jetzt vielleicht etwas ungewöhnlich klingen, doch The Midnight Ghost Train sind wesentlich näher dran an B.B. King als am Black oder Death Metal. Obwohl sie sich von Letzterem die Vocals borgen. Ja, genau: The Midnight Ghost Train spielen Bluesrock, und Frontmann Steve Moss grunzt sich dazu die Seele aus dem Leib.

Gut, Bluesrock ist vielleicht ein wenig kurz gesprungen So düster, schwer, rauchig und kompromisslos wie auf "Cold Was The Ground" klang Bluesrock noch nie. Unter jeder Menge Sludgeglasur finden sich zudem heftige Brocken Stoner und Doom.

Diese Mixtur knallt einem schon im instrumentalen Anderthalbminüter "Along The Chasm" mit voller Wucht entgegen. Nahtlos geht es in den eigentlichen Opener "Gladstone" über, wo nach kurzer Vorbereitungszeit erstmals Steve Moss' räudiges Organ die Luft erfüllt. Der Mann klingt wie ein Schlammmonster, als wäre er soeben dem dreckigsten Tümpel weit und breit entstiegen, hätte noch eben eine Whiskeyflasche entkorkt und stecke nun wütend sein Revier ab.

Und wenn die Stimmbänder mal Pause haben, rotzt seine Gitarre mindestens genauso räudig durch die Lautsprecher. Bis zum Anschlag aufgedreht fuzzig donnern die Riffs durch Delta Blues, Bonamassa, Kyuss und Crowbar. Unglaublich cool, fett, breitbeinig, selbstbewusst. Südstaaten-Flair und -Groove tropft mit gallonenweise Schweiß von der Decke.

Darunter brodelt der Bass ungewöhnlich laut durch den Mix. Und macht der Sechssaitigen ordentlich Konkurrenz. Anspieltipp: "Arvonia". Eine simple Line dominiert den Song. Die Gitarre ist hier nur Beiwerk. Zu Beginn und während der Gesangspassagen hält sie sich komplett zurück, agiert nur als Stimmungsgeber und überlässt das Feld den Tiefenfrequenzen sowie dem herrlich widerlichen Rülpsen Steves: "Imma gonna shoot that man!".

Auch in der Hymne "Straight To The North" gibt zunächst Bassist Mike Boynes den Takt an, bevor Moss mit seinem Wah-Wah-Pedal eingreift. Brandon Burghart wirbelt derweil über die Toms. Soli gibts auf "Cold Was The Ground" übrigens nur vereinzelt zu hören ("Straight To The North", "Mantis"). Es herrscht zwar fast durchgehend Jam-Atmosphäre, alles bleibt jedoch sehr rifforientiert. Damit einher geht, dass die Songs angenehm auf den Punkt kommen. Mit verspielten Mätzchen gibt sich das Trio aus Kansas nicht ab. Eher traut man ihnen zu, in Dopesmoker-Manier stundenlang ein Riff zu bearbeiten.

Seite an Seite mit der über allem schwebenden "Bad Motherfucker"-Attitüde steht auch ein gewisser Großvater-Appeal, durch Moss' Storytelling. Das alte Rauhbein im Schaukelstuhl erzählt mürrisch mit einer gewaltigen Pfeife im Fünfjahrebart seinen Enkelkindern von vergangenen Heldentaten.

Diesen Eindruck verstärkt "The Little Sparrows", ein dreiminütiger Monolog über einen Ohrwurm von der durchzechten Nacht. "It's 3:34 in the morning. And I still haven't gone to bed. I shake and scream and tug at my ears from a song stuck in my head. And this is how it goes: 'Badam badam badam.'"

Sogar eine traurige Fidel schaut vorbei. Dann bollern Schlagzeug und Bass aber schon wieder los und läuten mit "Twin Souls" den Endspurt ein. Kaufen, kaufen, kaufen!

Trackliste

  1. 1. Along The Chasm
  2. 2. Gladstone
  3. 3. BC Trucker
  4. 4. Arvonia
  5. 5. One Last Shelter
  6. 6. The Canfield
  7. 7. Straight To The North
  8. 8. No. 227
  9. 9. The Little Sparrow
  10. 10. Twin Souls
  11. 11. Mantis

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