laut.de-Kritik

Die neue Lieblingsdroge aller audiophilen Deep-Funk-Junkies.

Review von

Eigentlich sollte man den Verkauf dieser LP sofort wieder verbieten. Gelangt sie einmal in die Hände eines audiophilen Analogjunkies, kommt er so schnell nicht von der Nadel los.

Deren Anwendung ist im Falle von "The Hamburg Session" unvermeidbar: Der Titel erscheint in limitierter Auflage ausschließlich auf 180-Gramm-Vinyl. Für den Mitschnitt im Hamburger Kampnagel zeichnet Sommelier Du Son verantwortlich, ein Recording- und Produzentenduo, das sich speziell auf Analogaufnahmen spezialisiert hat.

Das hört man ab der ersten Sekunde. Der Klang ist hervorragend brillant. Ja, in doppelter Ausführung. Gerade für ein Livealbum. Einerseits sind die Instrumente – Gitarre, Bass, Drums und verschiedene Orgeln - glasklar zu vernehmen. Andererseits vernachlässigen die Verantwortlichen auch das Publikum nicht und involvieren es so in den Gesamtmix, dass es die Band nicht störend übertönt, gleichzeitig aber genug Liveatmosphäre vermittelt.

Den musikalischen Anfang macht das bluesige "You Mess Me Up". Dieses macht eines sofort klar: The New Mastersounds haben ihren Namen nicht nur wegen des strahlenden Tons verdient. Alle vier Beteiligten beherrschen ihre Instrumente meisterhaft und spielen wie selbstverständlich in einem sagenhaften Groove zusammen.

Im weiteren Verlauf tut sich insbesondere Tastenmann Joe Tatton hervor. Seine Soli sind eine einzige Ohrenweide. Den Höhepunkt erfährt sein Spiel im passend betitelten "Dusty Groove". Trotz beeindruckenden Geklimpers verliert das Stück zu keiner Zeit seine Tanzbarkeit, swingt, funkt und rockt munter vor sich hin.

Das nachfolgende "Bus Stop No. 5" dient als Showbühne für Eddie Roberts. Im Gegensatz zu den meisten anderen Stücken fungiert hier die Orgel nur im Hintergrund und lässt Platz für den Gitarristen. Zudem lassen es The New Mastersounds diesmal etwas entspannter angehen und reduzieren das Tempo. Dementsprechend gestaltet Roberts sein Solo. Statt zu frickeln, nutzt er geschickt die ihm gebotenen Freiräume und integriert sie in seine Melodieführung.

Ebenso wie die Leadfraktion bekleckern sich die Rhythmuskollegen ausschließlich mit Ruhm und Gloria. Pete Shand am Bass gibt das felsenfeste Fundament, doppelt gelegentlich die Spuren der anderen oder streut eigene Lines ein, um die entstehende Deep-Funk-Mischung subtil zu verfeinern. Schlagzeuger Simon Allen brilliert mit gelegentlichen Kabinettstückchen, geht ausgezeichnet mit dynamischen Mitteln um und verursacht bei jedem Metronom akute Eifersucht.

Dass "The Hamburg Sessions" komplett ohne Gesang auskommt, realisiert man kaum. Es passiert einfach zu viel, um ihn zu vermissen. Auch die für ein Livealbum recht kurze Spielzeit von nur 40 Minuten stört keineswegs. So bekommt man sorgfältig ausgewähltes Material ohne Füller und Durchhänger.

Empfohlen sei "The Hamburg Session" all jenen, für die Jazz kein Schimpfwort ist, die etwas mit Funk, Fusion und Blues der Sechziger-, Siebziger-Jahre anfangen können und eine gute Vinylproduktion mit offenen Armen empfangen. Die Scheibe als Livealbum und damit bloße Ergänzung einer ohnehin schon vollen Diskographie abzutun, würde ihr nicht gerecht. Dieses Release hat Zeug zum Kultobjekt. Man bekommt in jeder Hinsicht exakt das, was draufsteht: The New Mastersounds.

Trackliste

Side A

  1. 1. You Mess Me Up
  2. 2. All I Want (Right Now)
  3. 3. San Frantico
  4. 4. Carrot Juice

Side B

  1. 1. The Vandenberg Suite
  2. 2. Dusty Groove
  3. 3. Bus Stop No. 5
  4. 4. You Got It All

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1 Kommentar mit 13 Antworten

    • Vor 9 Jahren

      was genau möchtest du mitteilen? :trusty:

    • Vor 9 Jahren

      Ich seh Manuel Berger grad vor meinem geistigen Auge mit Schnurrbart, Schieberkappe, Schal und Wayfarer-Brille in der Redaktion sitzen, wie er zu seinen Kollegen so Sachen sagt wie: "das ist Deep Funk, aber davon habt ihr wahrscheinlich noch nie gehört".

    • Vor 9 Jahren

      dass schallplatten ne feine sache sind, aber mit hifi nix zu tun haben. und ich bei der einleitung schon viele snobs mit roehrenendstufen vor meinem geistigen auge habe sabbern sehen. ach ich hoer jetzt erst mal in die musik rein :D

    • Vor 9 Jahren

      aha. du glaubst also, dass audiophilie und vinyl nicht zusammenpassen. sorry, aber: :D :D

    • Vor 9 Jahren

      Okay, lasst die Diskussion über Abtastrate und Dynamic Range beginnen. Ich mach mich derweil auf den Weg zu McFit.

      Viel Spaß.

    • Vor 9 Jahren

      das diskutier ich doch gar nicht. handtuch nicht vergessen.

    • Vor 9 Jahren

      toller Single Ended 300B Röhrenamp, schöner Dual-Plattendreher mit nem V15III oder noch besser nem mc Tonabnehmer und feinen japanischen Schallwandlern mit Beryllium-Kalotten ---> Audiophil.

      Digital, 24 bit, 96 khz, Lossless ---> gut.

      Iphone, Beats by Dr. Dre, Dockingstation ---> Die Art, wie Jugend von heute Musik hört (leider).

    • Vor 9 Jahren

      Wenn ich das schon höre, "die Jugend von heute"... Es sind doch immer die älteren Generationen dafür verantwortlich, was aus den Jüngeren wird.

    • Vor 9 Jahren

      Ja was sollen wir denn machen? Im Bus aufstehen, Ohrfeige, Predigt über gute Musik, Beats runter reißen und bei nächsten Halt aus der Tür schmeißen?

    • Vor 9 Jahren

      Ne, das nur bei besonders harten Fällen... :D
      Was ich eigentlich meinte ist, dass keine_Ahnung nicht so verallgemeinern soll, weil "die Jugend von heute" eben nicht komplett aus Dumpfbacken besteht und genug junge Menschen tatsächlich Interesse an guter Musik haben (wobei das natürlich auch immer subjektiv ist).

      Aber wenn ich sage "die Erwachsenen von heute" seien daran Schuld, dann regt ihr euch doch auch auf, dabei ist das genauso eine Verallgemeinerung. Als wenn es keine Erwachsenen gibt die mit Beats rumlaufen und damit ein schlechten Einfluss auf die Jugend haben...

      Tschuldigung, ich bin da immer etwas leicht angreifbar...

    • Vor 9 Jahren

      ja, dani, kommt drauf an, wie man audiophil definiert. im sinne von HiFi, also genauer wiedergabe vom aufgenommenen, wobei es bei live-konzerten gehen sollte, hat vinyl (und erst recht roehrenamps) nix damit zu tun.
      wenn man im wortsinne audiophil ist und einfach musik liebt, dann durchaus.. vielleicht, weil wir selbst alle analog sind..

    • Vor 9 Jahren

      @speedymcs: Dieser Unterscheidung kann ich mich anschließen, muss allerdings dazu sagen das ich den Klang aber auch die Prozedur und die Gerätschaften vom Analogen klar bevorzuge, mag damit zusammenhängen das ich so aufgewachsen bin.