laut.de-Kritik
Neustart der Ex-Hipster mit Produzenten-Guru Rick Rubin.
Review von Stefan MertlikZeit zieht ins Land und Menschen verändern sich. Auch die Strokes haben sich seit ihrem Debütalbum "Is This It" von 2001 weiterentwickelt. Sowohl menschlich als auch künstlerisch. "The New Abnormal" – ihr erstes Album seit 2013 – stellt allerdings den bisher größten Sprung dar. Die fünf coolen Hungerhaken haben sich in erwachsene Männer mit erwachsenen Gedanken verwandelt. Kein Song könnte ihr sechstes Studioalbum somit besser eröffnen als "The Adults Are Talking".
Der Hype um die The-Bands zählt zu den längst vergessenen Sommermärchen. Viele Gruppen von damals sind vergessen. Um den Kater zu überstehen, musste man die eigene Erfolgsformel umstellen. "The New Abnormal" zeigt, wie das gehen kann, ohne das eigene Bandprofil zu torpedieren: bewährt starke Riffs, genrefremde Elemente und weniger zugedröhnte Texte.
"Brooklyn Bridge To Chorus" leiht sich Synthesizer, die auf die Tanzfläche treiben. Sänger Julian Casablancas lässt durchblicken, woher die Inspiration dafür stammt: "And the 80s bands? Oh, where did they go? / Can we switch into the chorus right now?" The Strokes schauen über den Indie-Rock-Tellerrand. Den Mut hierzu verpasste ihnen Star-Produzent Rick Rubin, der Gus Oberg nach drei Veröffentlichungen abgelöst hat.
Der Kauz aus Malibu achtete darauf, dass die Songs trotz ihrer musikalischen Ausbrüche zusammenpassen. "Eternal Summer" beginnt als aufgeräumte Disco-Nummer, stürzt sich aber schnell in ein Gitarren-Chaos. Ein nach Midi-Sound klingender Synth-Bass begleitet die Strophen von "At The Door". Im Chorus bricht das Stück auf und wird durch elektronische Soundflächen ergänzt. Auf ein erlösendes Schlagzeug verzichten die New Yorker komplett. "The New Abnormal" wagt Experimente, klingt trotzdem nicht experimentell.
Casablancas' Stimme litt unter den arbeitsreichen Jahren mit den Strokes. Auf "The New Abnormal" schaltet er einen Gang zurück. Stark klingt er noch immer. In "Bad Decisions" säuselt er, bis die Stimme bricht. Falsettgesang nutzt er für den Refrain von "Selfless". Für "Ode To The Mets" weckt er seinen inneren Frank Sinatra. Doch die neue Stärke des Sängers liegt in den Texten, die beinahe peotische Züge annehmen: "I sing a song, I paint a picture / My baby's gone, but I don't miss her / And life is wrong, I don't miss weeping / All my friends left, and they don't miss me."
Nach der langen Albumpause enttäuschen die Strokes nicht. Es klingt nach einem Klischee, doch auf "The New Abnormal" belegt tatsächlich eine Weiterentwicklung. Das Quintett ergänzte seine rotzigen Gitarrensongs durch gewagte Ideen. Der Wahnsinn, den die Arctic Monkeys auf "Tranquility Base Hotel & Casino" anstellten, bleibt trotzdem unerreicht. Dafür sind die Strokes zu verliebt in ihre Instrumente.
9 Kommentare mit 5 Antworten
Starkes Album. Das hat mit den Ur-Strokes natürlich nicht mehr viel zu tun, jedoch haben sie seit FIOE nicht mehr so befreit und verspielt gewirkt wie auf dieser Platte.
Nach mehr als zehn Durchläufen: Die 4/5 gehen in Ordnung, mindestens.
Nettes, kurzweiliges Album. Nach dem ersten Durchlauf zwar noch wenig, was WIRKLICH hängenbleibt. Aber ein gelungenes Gesamtwerk mit alten Strokes-Stärken.
Bin jetzt nicht hin und weg, aber die Platte ist ohne Frage gut. Die leichte Frischzellenkur hat gut getan. Bin aber erstaunt, wie viel typische, alte Strokes noch in der Scheibe stecken.
Wer mit Julian Casablancas Gesang nichts anfangen kann, wird mit den Strokes wohl nie so richtig warm werden, denn die Songs leben von seinem Charisma. Als Fan der Gruppe begrüße ich es, dass sie sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt haben, nachdem sie gleich mit „Is This It?“ das Retro-Rock-Album schlechthin abgeliefert hatten. 20 Jahre später ist das Thema mittlerweile auch völlig ausgelutscht. The New Abnormal“ kann über die volle Länge nicht ganz das hohe Niveau der Singles halten, 4/5 ist daher komplett in Ordnung.
Sehr poppig, sehr eingängig, wenig sperrig (leider), ich mag den Falsett von Casablancas. Insgesamt zu wenig Nachhaltigkeit, um das Ding öfter als 50x zu hören. Das sind die Strokes dieser Tage. Aber geht schon in Ordnung für 49x hören. Stroke on!