laut.de-Kritik
Der Till Eulenspiegel des Prog spielt groß auf.
Review von Yan VogelAndy Tillison ist ein moderner Till Eulenspiegel. Der Feuerkopf jongliert mit den unterschiedlichsten Stilen und hält mit seiner urigen Mixtur allen Vertretern ach so ernster Musizierkunst den Spiegel vor. Dabei bewahrt er mit seiner Canterbury-Combo The Tangent sein kindliches Gemüt. Er stößt gerne an Grenzen, die er durch seine Erwachsenen-Brille erschaut, nur um sie postwendend zu überwinden.
Auch offenbart ein Blick auf das Cover, wie der Musiker sich häufig fühlt. Das Artwork zeigt die Figur eines Bauers, jedoch nicht auf einem Schachbrett, sondern allein auf weißer Flur. Dieses Bild markiert den Ausgangspunkt, um etwas Neues zu kreieren. So stürzt Tillison sich ins Getümmel.
Es gibt kein Konzept wie auf dem Meisterwerk "Le Sacre Du Travail", keine Reminiszenz an Frühwerke wie bei "A Spark In The Aether" oder auch kein politisches Manifest, das die Marschroute vorgibt ("The Slow Rust Of Forgotten Machinery").
Der Aufbruch verläuft wertneutral. Natürlich klingt die Vergangenheit nach, sowohl die eigene als auch der Hauptbezugpunkt mit der Siebziger Prog-Frühphase. Dem Anything Goes dieser Zeit stutzt der Mittfünfziger die Flügel, in dem er den letzten Track in Anspielung an die Longtrack-Blaupause "Supper's Ready" von Genesis mit "Supper's Off" betitelt.
Tillison greift auf seine bewährte Mannschaft zurück, die den Rahmen aus Jam und Struktur mit Leben füllt. Gitarrist Luke Machin greift die Thematik des Spiels auf und lässt keinen Spot aus, um seine Noten zu hinterlassen. Jonas Reingold am Bass agiert punktueller, aber nicht weniger filigran.
Mit "Proxy" und "The Adulthood Lie" haben The Tangent zwei Stücke mit Überlänge im Gepäck, die deutliche Unterschiede aufweisen. Da der harsch-harte Titeltrack, der sich in einem Netzwerk aus Improvisation und Stilbrüchen verirrt. Dort der mit einem straighten technoiden Beat angetriebene Generationenkonflikt, der sich nur mutmaßlich in einem himmlischen Refrain auflöst.
"Proxy" ist ein Augenzwinkern, eine Mischung aus Staunen und Unglauben. Auch wenn einem beim Seiltanz zwischen gestern und heute häufig die Ohren schlackern, hinterlassen Tillison und Co. ein mildes Lächeln.
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