laut.de-Biographie
The Tangent
Eine Tangente ist eine Gerade, die einen Kreis nur an einer einzigen Stelle berührt, ihn also nur tangiert. Soviel zur Geometrie, nun zum musikalischen Teil der Geschichte, für den man etwas weiter ausholen muss ...
1999 hat eine Englische Truppe namens Parallel Or 90 Degrees (schon wieder Mathe) irgendwo in Rotherham einen Gig mit einer Schwedischen Band namens The Flower Kings. Beide haben noch nie voneinander gehört, doch die beiden Mathe-Freaks Andy Tillison und Samantha Baine sind von den Blumenkönigen ziemlich begeistert und behalten den Auftritt in Erinnerung. Als Andy schließlich daran geht, Songs für das neue Parallel Or 90 Degrees-Album zu schreiben, sortiert er die eher proggigen Stücke für ein etwaiges Nebenprojekt aus und konzentriert sich auf die rockigeren Sachen.
Über Ian Oakley (der später der Manager von The Tangent werden soll), kommt der Kontakt zum Flower Kings-Chef Roine Stolt zustande. Der zeigt sich von dem ausgesonderten Material sehr angetan und fragt Andy, ob er bei diesem Projekt denn auch mitmischen dürfe. Für den wird damit so etwas wie ein Traum war und nachdem er noch Saxophonist David Jackson, Gitarrist Guy Manning und Keyboarder Sam mit einbringt, kümmert sich Roine um die Mitarbeit von Basser Jonas Reingold und Drummer Zoltan Csorsz. Und siehe da - The Tangent sind geboren.
Das Debüt erscheint 2003 unter dem Namen "The Music That Died Alone" über InsideOut Records und fährt unter Progrock-Fans hervorragende Kritiken ein. Da alle Mitglieder natürlich noch bei ihren Stammbands (und meist noch unzähligen, anderen Projekten aktiv sind) stehen keine Tourneen auf dem Plan und so machen sie sich viel lieber bei nächster Gelegenheit daran, neue Songs zu schreiben. David Jackson verabschiedet sich schon vor den Aufnahmen zur nächsten Scheibe, um sich voll auf die Van Der Graaf Generator-Reunion zu konzentrieren.
Sein Ersatz hört auf den Namen Theo Travis und liefert auf "The World That We Drive Through" seine ersten Duftmarken ab. Die Scheibe steht Ende 2004 in den Regalen und setzt den positiven Eindruck des Debüts nahtlos fort. Obwohl ursprünglich nur als einmalige Studiosache geplant, steht während der Aufnahmen zum ersten Mal eine mögliche Tour im Raum. Ende Oktober treffen sich Andy, Sam, Jonas, Roine und Zoltan in der Nähe von London, proben drei Tage gemeinsam und spielen dann ihre ersten Konzerte. Der Gig in Aschaffenburg landet direkt als Aufnahme unter dem Titel "Pyramids And Stars" in der Diskographie.
Nach der Tour gibt Roine bekannt, dass er und Zoltan in Zukunft wohl keine Zeit mehr haben würden. Andy und Sam gehen folglich davon aus, dass sich das Kapitel The Tangent damit erledigt hat. Davon wollen die anderen aber nichts wissen. Nachdem die beiden nach Südfrankreich umziehen und sich ein wenig von der Außenwelt abschotten, finden sie mit Jaime Salazar einen neuen Drummer und mit Krister Jonsson einen neuen Gitarristen, die beide heiß darauf sind, auf einem neuen Album zu spielen. Zuvor stehen aber ein paar Live-Gigs an und im April 2005 treffen sich zum ersten Mal alle (neuen) Mitglieder von The Tangent in einem Raum zum Proben.
Im Frühling 2005 geht es zunächst auf Rundreise durch Europa und anschließend sogar für einen Gig in die USA. Kurz darauf stehen die Aufnahmen für "A Place In The Queue" an, die Ende des Jahres in die finale Phase gehen. Die Scheibe kommt Anfang 2006 auf den Markt und es folgen ein paar weitere Touren. Allerdings trennen sich Sam und Andy (die seit zehn Jahren auch privat ein Paar waren) im Herbst, weswegen Sam auch bei The Tangent ausscheidet. Andy wohnt noch eine Zeit lang in der Nähe von Toulouse, kehrt schließlich aber nach Leeds zurück.
Dort arbeitet er auch die Live-Aufnahmen der letzten Tour aus, die in Form von "Going Off On One" sowohl als CD, als auch als DVD Ende Juni 2007 in den Regalen stehen. Neben unzähligen weitere Projekten, laufen auch die Arbeiten am nächsten Studioalbum, das noch ambitionierter ist, als alles was sie bisher angestellt haben. Andy schreibt extra dafür eine Kurzgeschichte, auf der das Album basiert und die mit Illustrationen des französischen Zeichners Antoine Ettori ausgeschmückt wird. Allerdings basiert das Buch auf dem Album, nicht das Album auf dem Buch.
Neben Andy, Guy, Jonas, Jaimie und Theo ist auf der Scheibe auch Gitarrist/Sänger Jakko M Jakszyk zu hören. Das ironisch betitelte "Not As Good As The Book" erscheint Ende Februar 2008, und im Mai steht schon eine kleine Tour mit Ritual und Beardfish an. Die wird aber in abgespeckter Form stattfinden, denn nur Andy, Jonas und Jaime haben Zeit dafür. Allerdings wird ihnen dabei ihr alter Kollege Krister Jonsson unter die Arme greifen.
Ab 2009 hält die Band einen konstanten zweijahres-Rhythmus durch was die Veröffentlichung neuen Songmaterials anbetrifft. Allerdings fliegen Tillison und Co. mit "Down & Out In Paris & London" und "Comm" ein wenig unter dem Radar der Musikpresse, was sich 2013 mit "Le Sacre Du Travail" schlagartig ändert. Gab es schon auf einer Fan-Compilation ein Stravinsky-Cover mit dem schelmigen Titel "Le Massacre Du Printemps", greift Tillison nun Stravinskys Suiten-Gedanken auf und führt den Prog-Gourmet durch die Niederungen eines Arbeitstages. Der Alltag taugt als Stoff zum Meisterwerk, geht hier die Mischung aus Prog, Klassik, Jazz, Fusion, Rock und einer Prise Pop wunderbar auf.
Nicht ganz so ambitioniert, quasi einen Schritt zurück im Bezug auf die konzeptuelle Strenge, stellt "A Spark In The Aether" dar, was der Qualität der Musik kaum Abbruch tut. Kein Wunder, dass manch ein Fan von Fließbandarbeit nach Maß spricht, wenn es um die Bewertung der Musik geht.
2015 dann der Schock. Tillison erleidet einen Herzinfakt und denkt in Folge dessen an alles nur nicht an Musik. Trotz dieses einschneidenden Erlebnisses fängt sich der Tausendsassa wieder, hangelt sich über eine Kollaboration mit Karmakanic wieder ins Leben zurück und veröffentlicht 2017 mit "The Slow Rust Of Forgotten Machinery" sein bis dato politischstes Album. Von Altersmilde kann hier keine Rede sein, knöpft sich der Vordenker des Prog die drängenden Probleme des aktuellen Weltgeschehens vor und gießt diese mit einer ordentlichen Portion Härte in Musik.
Noch keine Kommentare